Das Gesicht eines Landes prägen: Die tschechische Gesellschaft für Landschaftsgestaltung wirkt als Plattform für eine branchen- und grenzüberschreitende Landschaftspolitik

Die tschechische Republik hat Vieles zu bieten: Historische Städte mit atemberaubender Architektur, unzählige Ausflugsziele zu Schlössern und Burgen und sanfthügelige Landschaftsstriche mit einem großen Angebot zur Freizeitgestaltung. Vielerorts aber ist auch zu sehen, wie die Umwelt zum Vorteil Einzelner ausgebeutet worden ist und immer noch wird. Ein behutsamerer Umgang mit der Landschaft und die Koordination unterschiedlicher Interessen, auch im europäischen Kontext, ist ein Anliegen der Gesellschaft für Landschaftsgestaltung, die letzte Woche die dritte branchenübergreifende Konferenz organisiert hat. Sandra Dudek hat sich über deren Konzeption, Inhalte und Ergebnisse informiert:

"Unser Land blüht nicht." Mit diesen Worten leitete der ehemalige tschechische Präsident Václav Havel seine erste Neujahrsansprache im Jahr 1990 ein und meinte damit nicht nur den geistigen und moralischen Verfall des tschechischen Volkes, sondern auch dessen Umgang mit der Natur in den vorangegangenen 45 Jahren. "Wir haben unseren Boden, die Flüsse und Wälder, die uns unsere Vorfahren hinterlassen haben, zerstört, und wir haben heute die kaputteste Umwelt in ganz Europa.", lautete damals Havel's Resümee. Aus dem Gedanken heraus, dass alle, die die Landschaft beeinflussen, zusammenarbeiten müssen, um ihre sinnvolle Nutzung und positive Entwicklung voranzutreiben, initiierte Václav Havel 1991 die branchenübergreifende Konferenz "Das Gesicht unseres Landes - die Landschaft der Heimat". Vom 8. bis 10. März 2005 fand diese Konferenz nun bereits zum dritten Mal in Prag und ganz im Sinne ihres Begründers statt, so Ivan Dejmal, Vorsitzender der Gesellschaft für Landschaftsgestaltung und verantwortlicher Organisator:

"Wir haben diese Konferenz absichtlich so konzipiert, dass sie einen Querschnitt bildet, denn wenn Sie eine Konferenz für Ökonomen machen, dann wird die Landschaft nur aus ökonomischer Sicht betrachtet, wenn Sie eine Konferenz der Förster machen, dann wird nur die Waldproblematik gesehen, die Umweltschützer konzentrieren sich wiederum nur auf den Naturschutz. Aber damit daraus etwas Ganzes entsteht, ist es notwendig, die Gemeinden und all jene, die sich wirklich darum kümmern, in diesen Kontext miteinzubeziehen, wie Landwirte, Förster, Ökonomen, also jene, die das in der Praxis machen."

Der Zugang zum Thema "Landschaft" sei, wie Ivan Dejmal feststellt, in einzelne Berufsgruppen zerfallen. Bedauerlicherweise aber wären sich diese oft nicht bewusst, dass ihre Interessen ohne Rücksicht auf die Interessen der anderen viel schwieriger oder gar nicht durchgesetzt werden können. Das Programm der Konferenz vermittelt nicht nur einen Eindruck über die Themenvielfalt, sondern auch über das weite Spektrum jener Berufsgruppen und Organisationen, die das Landschaftsbild in vielerlei Hinsicht prägen. So wurde in den über 70 Vorträgen die tschechische Landschaft beispielsweise aus der Perspektive der Agrarpolitik betrachtet, weitere Themenblöcke waren die Trends in der Urbanisierung und der verantwortliche Umgang mit ihr, ökologische Fragestellungen, vor allem in grenzüberschreitenden Regionen bis hin zur Landschaft als Teil einer europäischen Kulturlandschaft, zu der unter anderem auch die Denkmalpflege gehört. Und Ivan Dejmal von der Gesellschaft für Landschaftsgestaltung ist mit dem Ergebnis der zweitägigen Konferenz zufrieden:

"Sie hat die Erwartungen erfüllt, weil das Hauptziel dieser Konferenz ist, ein Forum von Meinungen zu sein. Fachleute aus den unterschiedlichsten Ressorts sprechen ohne irgendwelche Emotionen, weil sie aus ihrer Amts- oder Berufsrolle heraustreten, über die Problematik, der sie in der Landschaft begegnen."

Wichtig sei nun aber, dass die Teilnehmer die Diskussionsergebnisse in die zuständigen Gremien einbringen, damit diese dann an gemeinsamen Lösungen arbeiten könnten, so Ivan Dejmal. Denn gerade die Zersplitterung der Zuständigkeit nach Ressorts sei ein großes Problem und mache nicht nur Entscheidungen schwierig, sondern beeinflusse in weiterer Folge die Entwicklung der Landschaft. Als Beispiel dafür nennt Dejmal die Schulpolitik, die oft über den Tellerrand rein bildungspolitischer Maßnahmen nicht hinausblickt:

Ivan Dejmal,  Vorsitzender der Gesellschaft für Landschaftsgestaltung  (Foto: Zdenek Valis)
"Die Schulpolitik respektiert nicht, dass es notwendig ist, das dichte Netz an Schulen auf dem Land aufrechtzuerhalten. Denn dies beeinflusst nämlich den Rückgang der ländlichen Besiedlung, die sich im Rückgang der Bevölkerungszahl in den Dörfern auswirkt und dieser Rückgang äußert sich dann sowohl im physischen Zustand als auch in der Erhaltung der Umgebung und somit in der Landschaftspflege und so weiter."

Es ist also notwendig, dass die Regierung eine gemeinsame Politik für das Land und die Landbevölkerung macht und sich die einzelnen Ressorts an einem Gesamtkonzept beteiligen. Ebenso nach Ressorts zersplittert ist auch der Baubereich. Obwohl das Bauamt nach der Novelle des Baugesetzes nun der Ort sein sollte, an dem beispielsweise die Nutzung von Grünflächen koordiniert wird, sieht dies in der Praxis anders aus: Die Stellungnahmen von sieben verschiedenen Abteilungen sind zu berücksichtigen. Dadurch aber sei eine Koordination so gut wie unmöglich, da diese Stellungnahmen immer eine sehr enge Sichtweise verfolgten und nie im Kontext aller Benützer und Interessenten der Landschaft stünden, meint Ivan Dejmal.

Ein viel diskutiertes Thema der Konferenz waren auch beispielsweise jene EU-politische Maßnahmen, die Subventionen für Gemeinden vorsehen, ohne jedoch die Siedlungsstruktur der jeweiligen Länder zu berücksichtigen. Dazu Ivan Dejmal von der Gesellschaft für Landschaftsgestaltung:

"Eine Gemeinde, die von der Europäischen Union Subventionen bekommt, muss zumindest 2000 Einwohner haben. Wir haben insgesamt 6000 Siedlungen und 5000 von ihnen haben bis zu 1000 Einwohnern. Das würde eine große Auflösung unserer kleineren Gemeinden bedeuten und gerade diese Siedlungsstruktur ist historisch gewachsen und ist charakteristisch für unsere Landschaft. Und das möchten wir keinesfalls verlieren."

Einerseits seien die Gemeinden natürlich auf die Fördergelder angewiesen, andererseits bedeute gerade die Zuteilung dieser Fördergelder auch einen massiven Eingriff in die Gemeindepolitik und die Entwicklung der Siedlungsstruktur, so Dejmal weiter:

"Alle Gemeinden, die die Hoffnung haben, in Zukunft eine Förderung zu bekommen, weil sie heute um die 1500 Einwohner haben, beginnen Pläne zu schmieden. Auch wenn sie es selbst nicht brauchen, lassen sie große Flächen frei und locken Investoren an, damit diese Häuser bauen, damit sie auf diese 2000 Einwohner kommen und dann Geld aus den Strukturfonds bekommen. Alleine diese Sache beeinflusst das Gesicht unseres Landes stark, weil das eine politische Entscheidung ist, die letzten Endes irgendwo weit weg, in Brüssel, getroffen wird, aber sich hier, in diesem Land auswirkt."

Vor den EU-Förderungen wurden in der Tschechischen Republik in den 90er Jahren eigene Programme zur Landschaftsgestaltung initiiert, die bereits qualitative Ergebnisse gebracht haben. Auch diese wurden auf der Konferenz diskutiert, so Ivan Dejmal:

"Man kann sagen, dass sie schon die so genannten Kinderkrankheiten hinter sich haben und heute bringen wir es fertig, mit gleichem Geldaufwand mehr Arbeit zu machen. Und das ist an der Landschaft zu sehen: Es wurden einige 100 Kilometer Land revitalisiert, es wurden viele Fischteiche angelegt, in der erneuerten Agrarlandschaft wurden neue Grünflächen gegen Erosion und zur Förderung der ökologischen Stabilität geschaffen usw."

Wenn auch die Umsetzung einschlägiger Programme der Landschaftspflege und Revitalisierung dient, so bedeutet jede diesbezüglich ergriffene Maßnahme letzten Endes immer auch einen Eingriff des Menschen in die Landschaft. Zur Visualisierung dieser Problematik wurde gleichzeitig mit der Konferenz eine Fotoausstellung eröffnet, die die Studierenden des Lehrstuhls für Fotografie der Prager Kunstakademie FAMU gestaltet haben. Dazu Jaroslav Bárta, Leiter des Lehrstuhls für Fotografie:

"Die Landschaft reagiert sehr empfindlich auf alle gesellschaftlichen Einflüsse, die gleichzeitig ein Spiegel des menschlichen Verhaltens sind und daher heißt die Ausstellung, die zum ersten Mal statt findet "Menschliche Spuren in der Landschaft". Mit den Studenten haben wir jene Überreste gesucht, die der Mensch in der Landschaft hinterlassen hat und die im Grunde genommen negativ sind."

Die Fotoausstellung "Menschliche Spuren in der Landschaft" findet bis 3. April 2005 in der Synagoge in Palmovka in Prag 8 statt. Zu sehen sind die unterschiedlichsten Einflüsse, die der Mensch in der tschechischen Landschaft seit 1945 hinterlassen hat. Damit unterstützt die Fotoausstellung das Ziel der Gesellschaft für Landschaft, bewusster mit der Umwelt umzugehen und damit das Land wieder zum Blühen zu bringen.



Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt