Reiseschriftsteller und Ehrenhäuptling Miloslav Stingl gestorben

Miloslav Stingl (Foto: Jana Myslivečková, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

In Tschechien sind die beiden Weltreisenden Jiří Hanzelka und Miroslav Zikmund ein Begriff. Etwas im Schatten ihres Ruhms stand ein dritter großer Völkerkundler, der aber nicht minder beliebt war: Miloslav Stingl. Am Montag ist dieser tschechische Reiseschriftsteller und Ethnograph nach langer Krankheit im Alter von 89 Jahren gestorben.

Miloslav Stingl  (Foto: Jana Myslivečková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Miloslav Stingl in Neuseeland  (Foto: Archiv von Miroslav Stingl)
Er respektiere Hanzelka und Zikmund, und mit dem 101-jährigen Zikmund sei er auch befreundet. Dies sagte Stingl vor etwa drei Jahren in einem Gespräch für ein tschechisches Internetportal. Im Gegensatz zu ihm seien die zwei aber immer zusammen in die Welt hinausgereist und hätten sich gegenseitig helfen können. Er aber sei alleine gefahren, so der Ethnologe. Für ihn hätte daher sogar das Ausrutschen auf einer Bananenschale tragische Folgen gehabt.

Wie Stingl weiter sagte, müsse er Gott dafür danken, dass er sich auch noch im fortgeschrittenen Alter und nach insgesamt 14 Weltreisen sehr lebendig fühle. Mit dieser Demut und seinem unerschütterlichen Optimismus begegnete Miloslav Stingl letztlich allen Widrigkeiten. Das habe ihn immer ausgezeichnet, bestätigt nun sein Freund, der Schriftsteller Rudolf Švaříček:

„Selbst als ich ihn im Krankenhaus besucht habe, traf ich den guten alten Professor Stingl an, der vor Frohsinn nur so sprühte. Und er hatte ein schier unendliches Gedächtnis: Er konnte einem die genauen Namen von Straßen und auch von konkreten Personen sagen, die er zuletzt vor 40 Jahren gesehen hatte.“

Miloslav Stingl mit einem Häuptlingsstirnband  (Foto: Archiv von Miroslav Stingl)
Und Stingl, der 17 Sprachen sprach, hat viel gesehen in seinem aufregenden und erlebnisreichen Leben. Er bereiste 150 Länder der Erde, zu seinen beliebtesten Themen und Regionen gehörten dabei Ozeanien und Lateinamerika. Eine ganz besondere Beziehung pflegte er jedoch zum Indianerstamm der Kickapoo, die zu Beginn des europäischen Kontakts westlich des Eriesees im äußersten Süden des heutigen US-Bundesstaats Michigan lebten. Bei einem seiner zahlreichen Besuche im Tschechischen Rundfunk erinnerte sich Stingl daran:

„Ich habe mich bei diesem Indianerstamm sehr lange aufgehalten. Dann ist sein Häuptling gestorben, worauf sich die Kickapoo an mich erinnerten und an die tschechoslowakische Botschaft in den Vereinigten Staaten schrieben. Das war noch zu Zeiten des Kommunismus und die Genossen wussten nicht so recht, was sie tun sollten.“

Anscheinend taten sie nichts, um Stingl von einer weiteren Reise zu diesem Stamm abzuhalten. Denn bei diesem Besuch wurde er schließlich zum Ehrenhäuptling der Kickapoo gekrönt:

Foto: Verlag Econ
„Die Krönung erfolgte vor Ort und hatte vier Etappen. Die wichtigste davon war die Namensgebung, ich wurde auf Okima getauft. Dazu erhielt ich ein wunderschönes Häuptlingsstirnband. Das habe ich hierzulande auch gelegentlich getragen, und zwar dann, wenn ich zu besonderen Aktionen unterwegs war.“

Von seinen Reisen brachte Stingl genügend Material für viele Reisebeschreibungen mit. Diese wurden in mehreren TV-Dokumentationen ausgestrahlt oder aber in seinen insgesamt 42 Büchern veröffentlicht. Mit seinen populärwissenschaftlichen Beiträgen über die indigenen Völker Süd- und Nordamerikas sowie des Pazifikraums erreichte Stingl ein Millionenpublikum. Sie erschienen unter Titeln wie „Das Reich der Inka“, „Tod in der Südsee“ oder „Das letzte Paradies“ auch in deutscher Übersetzung.

2016 gab Stingls langjähriger Freund Adam Chroust eine Biografie über den Weltreisenden heraus. Am meisten bewundert an ihm aber die Lebenseinstellung:

„Von einer Hawaii-Reise brachte er das Motto mit: ‚Über allen Völkern steht die Menschlichkeit‘. Das hat Stingl verinnerlicht und sein Leben lang auch gelebt. Mittels seiner Bücher wollte er allen Menschen des damaligen Ostblocks die Welt näherbringen, die diese kaum bereisen konnten. Er aber gelangte in den Westen und in weitere Teile der Erde, von daher wollte er den Menschen etwas über andere Völker beibringen.“

Autor: Lothar Martin
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