Verkehrsunfälle: Nichtbeachten der Vorfahrt ist häufige Ursache
Die Zahl der Verkehrsunfälle in Tschechien ist relativ hoch. Unnötig hoch. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres beispielsweise starben 82 Menschen allein bei Zusammenstößen, bei denen Fahrer die Vorfahrt missachteten. Das sind 19 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Deswegen soll nun auch die Fahrausbildung geändert werden.
„An dieser Kreuzung mit Stoppschildern bin ich auf der der Hauptstraße gefahren und ein Auto auf der Nebenstraße. Dessen Fahrerin hat das Stoppschild nicht beachtet und mir so die Vorfahrt genommen.“
Michal Kembitzký kam relativ glimpflich davon. Beim Sturz mit dem Motorrad erlitt er eine Gehirnerschütterung. Andere Verkehrsteilnehmer haben leider nicht so viel Glück. Doch worauf ist die Häufung der Unfälle durch Nichtbeachtung der Vorfahrt zurückzuführen? Der Vorsitzende des Verbandes der Autoschulen in Tschechien, Ondřej Horázný, meint dazu:„Jeder Unfall basiert auf irgendeinem Zufall. Ein Fahrer übersieht etwas, ein anderer ist abgelenkt, weil er gerade telefoniert. Einem Dritten ist etwas heruntergefallen, zum Beispiel die Zigarette, und er bückt sich beim Fahren nach ihr.“
Dies alles sind Beispiele für eine grobe Fahrlässigkeit. Tomáš Neřold ist der Chef der Abteilung für Sicherheit im Straßenverkehr beim Verkehrsministerium (Besip). Auch er bestätigt, dass es mit der Aufmerksamkeit der tschechischen Autofahrer nicht zum Besten bestellt ist:
„Die gefährlichste Situation, die sehr häufig unterschätzt wird, ist das Linksabbiegen. Hier wird relativ oft die Vorfahrt des im Gegenverkehr geradeausfahrenden Fahrzeugs missachtet. Dabei spielt natürlich die Unaufmerksamkeit der Fahrer eine Rolle, indem sie beispielsweise durch die Navigation, ein Telefonat oder anderes abgelenkt sind.“Ein Grund für die Unterschätzung solcher Situationen sei auch die Kluft zwischen theoretischer Ausbildung und der Herausforderung in der Praxis. Langjährige Ergebnisse zeigen, dass die theoretische Prüfung im ersten Anlauf von 80 bis 90 Prozent der Schüler gemeistert wird. Im praktischen Bereich schaffen es aber nur 60 bis 70 Prozent im ersten Versuch. Horázný erläutert diese Diskrepanz so:
„Es liegt leider darin begründet, dass die theoretischen Tests vorsintflutlich sind. Darin werden nur Fragen gestellt, es gibt aber keine Animationen. Und man kann die richtigen Antworten regelrecht büffeln.“In der Praxis aber müsse man sich jedes Mal auf neue Situationen einstellen, ergänzt Horázný. Deshalb drängt der Verband darauf, dass in die theoretischen Tests auch 50 Fragen zu Videosequenzen aufgenommen werden.
„Das werden ganz reelle Situationen sein. Und dann kommt die Frage: ‚Wie verhalten Sie sich´? Der Fahrschüler muss dann sofort antworten, er kann die Frage also nicht erst einmal hintenanstellen wie beim theoretischen Test. Das ist wie im richtigen Leben: Entweder er löst die Situation einwandfrei und sicher, oder es kommt zum Crash. Meiner Meinung nach ist dieses Konzept ein Durchbruch für eine wesentliche bessere Vorbereitung der künftigen Fahrer auf die Realität.“
Frei nach dem Motto: „Was man übt, das erlernt man auch“, bekräftigt Horázný abschließend seinen Gedanken.