Streifzug durch die Architektur: Palais Euro
Billig, unsauber, geschmacklos – die zeitgenössische Architektur in Prag hat keinen besonders guten Ruf. Doch es gibt auch Bauwerke, die durchaus gelungen sind. So hat das Palais Euro der Stadt einen weiteren Turm geschenkt.
„Jeder von uns drei Architekten im Büro hat einen Vorschlag eingereicht. Der von Petr Burian war aber mit Abstand der beste. Die anderen beiden kamen also in den Papierkorb, und wir feilten gemeinsam weiter an dem einen. Er bekam den Arbeitstitel ‚Goldener Turm am goldenen Kreuz im goldenen Prag‘. Wir haben ihn schließlich ohne große Erwartungen eingereicht. Nach einigen Tagen liefen bei uns die Telefone heiß. Wir hatten den Zuschlag bekommen. Der Goldene Turm konnte also gebaut werden“, so beschreibt der Architekt Petr Malinský, wie es überhaupt zum Bau des Palais Euro gekommen ist.
Der Weg dorthin war aber steinig. Seit den 1970er Jahren lag die kleine, dreieckige Parzelle am unteren Ende des Wenzelsplatzes brach. Zuvor stand dort ein dreistöckiges Gebäude, in dem das ungarische Kulturinstitut untergebracht war. Dieses musste beim Bau der Metro abgerissen werden, und erst in den 1990er Jahren wurde eine Bebauung ins Auge gefasst. Investor wurde dabei die Landesbank Berlin. Diese beauftragte den Architekten Martin Kotík mit einem Entwurf. Nach längerer Zeit war aber klar, dass Kotík an der Fassade scheitern würde, weshalb das Berliner Kreditinstitut einen neuen Wettbewerb ausschrieb. Petr Malinský:
„Es gab viele Entwürfe für die Fassade. Keiner passte aber wirklich. Die Investoren aus Deutschland suchten also nach einer anderen Lösung und hielten Ausschau nach einem anderen Architektenbüro in Prag. Darunter waren dann halt auch wir. Wir sollten in kürzester Zeit das Konzept für ein fertiges Haus mit einer neuen Fassade vorlegen. Eigentlich waren wir sicher, dass wir den Auftrag nie an Land ziehen würden. Wir mussten sämtliche Vorlagen einhalten, um die Baugenehmigung aufrecht zu erhalten. Bei der Fassade war nur eine Abweichung von zwanzig Zentimetern möglich. Gleichzeitig sollten wir aber etwas komplett Neues entwerfen.“
Neuer Turm für Prag
Letztlich ging aber alles gut für das Studio DAM um die Architekten Petr Malinský und Petr Burian. Das Palais Euro konnte also entstehen, und Prag bekam Anfang der Nullerjahre einen neuen Turm. Dieser besticht aber nicht nur durch seine goldenen Lamellen, sondern auch durch seine Verpackung. Wie das aussieht erklärt der Autor des Projektes, Petr Burian:
„Wir wollten mit einem Konzept aus zwei Mänteln arbeiten. Wir hatten einen festen Kern, um den herum eine weiche Hülle sein sollte. Diese musste dem rundlichen Grundriss folgen. Es entstand also eine aerodynamische Fassadenkurve. Das war rein und ohne viel Profil. Eine leichte Konstruktion, die uns das Konzept einer doppelten Fassade ermöglichte.“
Prag ringt mit der zeitgenössischen Architektur. Manche Bauwerke wirken einfallslos. Sie scheinen wie langweilige Blöcke aus Glas und Aluminium. Andere scheinen deplatziert und wirken frech und vulgär im historischen Stadtbild. Sichtwort Bibliotheks-Blob von Jan Kaplický oder das sogenannte Marshmallow-Haus, das gleich neben dem mittelalterlichen Agneskloster stehen sollte. Allerdings sind beide Projekte nicht über die Planungsphase hinausgekommen. Das Palais Euro hingegen scheint sich gut in seine Umgebung einzufügen. Das liegt vor allem am Konzept des Wenzesplatzes selbst, wie Architekt Petr Malinský andeutet.
„Es ist ein ganz interessanter Ort, da wir uns an der Grenze zwischen der Altstadt und der Neustadt befinden. Die Straßen 28. října und Na Příkopě markieren eigentlich das goldene Kreuz zwischen dem Wenzelsplatz und der Straße Na Můstku. Der Wenzelsplatz ist dabei so eine Art leere Kathedrale mit dem Palais Koruna und unserem Bau hat sie zwei Türme und mit dem Museum auf der Hauptachse einen Kirchenchor. Die Statue des heiligen Wenzels ist dann der Altar. Das ist auch so eine Symbolik, die sich in dieser Stadt ableiten lässt.“
Das Palais Euro stellt somit ein Gegenstück zum Palais Koruna dar. Gleichzeitig markieren beide Turmbauten aber ein Tor zum Wenzelsplatz. Die gläserne Modernität des Gebäudes mitten in der Altstadt sei kein Problem gewesen, meint der Architekt Petr Burian. Vielmehr ergänzt es die anliegenden Bauten.
„Wir sind ja hier in der Nachbarschaft von zwei ganz exklusiven Repräsentanten des Funktionalismus. Das ist das Palais Adria und das Kaufhaus Baťa. Beides sind ganz wunderbare Bauten der Zwischenkriegszeit, bei denen mit einer Konstruktion aus Glas, Stahl und Beton gearbeitet wurde“, so Burian.
Ein Bauprojekt im Zentrum Prags zu leiten ist keine leichte Aufgabe. Die Auflagen zum Denkmalschutz sind in der Unesco-Stadt sehr streng. Im Falle des Palais Euro war das jedoch kein besonders großes Problem. Man habe Glück gehabt, meint Architekt Malinský:
„Für uns war das etwas einfacher, da unser Vorgänger Martin Kotík dieses Martyrium genießen durfte. Wir sind nur als frischer Wind hinzugekommen. Weil wir den ursprünglichen Auftrag eigentlich nicht respektiert haben, konnten wir das Fachpublikum für uns gewinnen. Dazu gehörte auch jenes, das uns bewerten musste. Und weil wir ein so frisches Konzept vorgelegt haben, wurde alles ganz schnell akzeptiert.“
Federleichter Bau
Das ganze Konzept des Gebäudes ist nämlich trotz seiner Modernität sehr traditionell und fügt sich perfekt in das Stadtbild Prags ein.
„Der Bau ist federleicht, die gläserne Fassade ist sehr rein und entspricht ganz dem Grundriss. Der Turm mit seinen goldenen Lamellen ist dann so eine Art fester Kern. Gerade das war etwas ganz Neues. Trotz seiner modernen Materialien ist das Ganze sehr traditionell. Gold und Glas gehören einfach zu Prag dazu. Prag ist schließlich die Goldene Stadt“, so Malinský.
Die Schwierigkeiten beim Bau lagen ganz wo anders. Denn während sich die Denkmalschützer schnell mit dem Entwurf anfreunden konnten, waren die Investoren ein härterer Verhandlungspartner. Einige Male musste das Konzept umgezeichnet werden, der Turm wurde am Ende dicker und die Flächen für Reklame größer als geplant. Außerdem waren die technischen Parameter des Baus eine ganz besondere Herausforderung, sagt Petr Burian:
„Die Parzelle ist dreieckig, was die Planung sehr schwierig macht. Wir orientieren uns am gegenüberliegenden Palais Koruna mit seinem verzierten Turm als Dominante, wie es übrigens schon unser Vorgänger Martin Kotík gemacht hat. Die Denkmalschützer waren sich damals in einem einig: Wenn wir die Höhe des Palais Koruna einhalten und so eine Art Tor bilden, dann würde das den Wenzelsplatz gut abrunden.“
Und auch der Untergrund machte den Architekten zu schaffen, ergänzt Malinský.
„Da wir direkt über dem U-Bahnschacht sind, war alles etwas komplizierter. Wir mussten bei der Planung die Metro respektieren, ebenso wie die Zugänge zu der Station Můstek. Danach richtete sich der gesamte Entwurf des Gebäudes, dessen Maße mussten nicht nur wegen des dreieckigen Grundrisses, sondern auch wegen eines möglichen Höchstgewichts genau berechnet und dimensioniert werden.“
Das Palais Euro ist eine der neusten und markanten Bauten Prags. Wie soll aber die Nachwelt auf das Gebäude sehen. Petr Burian möchte das nicht bewerten.
„Eine Bewertung obliegt unseren Nachfahren. Den Schöpfern des Bauwerkes steht das nicht zu. Wenn dieses aber ein gutes Konzept, eine bestimmte Symbolik und eine besondere innere Energie hat, dann kann es zu einem Repräsentanten einer bestimmten Epoche werden. Jetzt liegen gerade einmal zwanzig Jahre zwischen uns und dem er ersten Entwurf. Wir müssen abwarten, was die Architekten in weiteren zwanzig oder gar fünfzig Jahren sagen werden. Ich glaube aber, dass dieses Gebäude eine bestimmte Energie hat. Vielleicht kann sich ja auch in Zukunft jemand damit identifizieren.“
Immerhin scheinen zeitgenössische Kollegen von dem Konzept aus dem Hause DAM begeistert zu sein. Wenige Meter den Wenzelsplatz hinauf soll mit dem sogenannten Blumenhaus ein ganz ähnlicher Turmbau entstehen wie das Palais Euro. Noch ähnlicher wird aber das neue Stadtviertel rund um den Busbahnhof Florenc. Dessen Dominante soll nämlich ein Turm mit goldenen Lamellen werden. Entworfen hat dieses Konzept das Büro der mittlerweile verstorbenen britisch-irakischen Stararchitektin Zaha Hadid. Die habe das Ganze klar von ihnen abgezeichnet, aber sie sei nur die Zweite gewesen. Man selbst sei schneller gewesen, meint dazu der Architekt Petr Malinský mit einem Lachen.
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