Erste Bluttransfusion: Vom Schaf für den Menschen

Vor 140 Jahren wurde im heutigen Tschechien erstmals eine Bluttransfusion durchgeführt. Den Versuch wagte damals der Prager Gynäkologe Antonín Erpek, wobei Widder und Schafe eine ganz besondere Rolle spielten.

Foto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk
Vier Frauen hat Antonín Erpek im August 1879 auf seinem Behandlungstisch im Spital am Prager Karlsplatz. Der Gynäkologe will einen für Böhmen revolutionären Versuch wagen: Seine Patientinnen sollen neues Blut bekommen. Dieses stammt jedoch nicht von gesunden Pragern, sondern aus einer nahegelegenen Schlachterei. Warum Erpek damals Widderblut verwendete, erläutert der Transfusionsexperte Martin Písačka vom Prager Institut für Hämatologie:

„Einerseits hatte menschliches Blut schon seit Urzeiten, und vor allem durch den Einfluss der Bibel, etwas Verbotenes an sich. Man musste damit sehr sorgsam umgehen. Andererseits war Tierblut viel leichter zu bekommen. Außerdem hatte der Lebenssaft von Widdern und Schafen auch einen symbolischen Charakter. Man sah im Blut früher nämlich den Sitz von Gefühlen und Emotionen. Das Schaf galt wiederum als sehr friedliches Tier, wobei diese Ruhe auf den Patienten übergehen sollte.“

Antonín Erpek ist bei weitem nicht der Erste, der sich an einer Bluttransfusion versucht. 1667 spritzt der Franzose Jean-Baptiste Denys einem 15-jährigen Jungen Lammblut, was als Geburtsstunde der Transfusion in der Humanmedizin gilt. Ab da gibt es zahlreiche Anläufe, und zwar mit Tier- und Menschenblut:

„Schon Ende des 18. Jahrhunderts, vor allem aber im 19. Jahrhundert gab es erste Mensch-zu-Mensch-Transfusionen. Das ganze 19. Jahrhundert hindurch wurde bei Blutverlust aber gleichzeitig auch Tierblut verabreicht. Erfolgreich war das fast nie, zumindest sind vor allem die Misserfolge dieser Eingriffe dokumentiert.“

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren Bluttransfusionen ein wenig wie Russisch Roulett. Erst die Entdeckung der Blutgruppen durch den Wiener Arzt Karl Landsteiner im Jahr 1901 machte Blutspenden sicherer. Später wurde das Konzept Landsteiners durch den Tschechen Jan Jánský erweitert.

Auch der Versuch von Antonín Erpek hat eher gemischten Erfolg. Bei zwei Patientinnen klappt der Eingriff, eine Frau stirbt jedoch an den Folgen der Blutspende. Tatsächlich klingt die Transfusion von Tierblut zum Menschen für moderne Ohren abenteuerlich. Dazu der Hämatologe Martin Písačka:

Foto: Europäische Kommission
„Heute würde sich das wirklich niemand mehr erlauben, einem Patienten tierisches Blut zu injizieren. Die Unterschiede zwischen Mensch und Tier sind ja viel größer als die bei zwei verschiedenen Blutgruppen. Insgesamt ist in der gegenwärtigen Medizin eine so bunte Palette von Blut-Arten bekannt, dass die Problematik viel umfangreicher ist, als sie auf den ersten Blick erscheint.“

Nichtsdestotrotz gilt die Arbeit von Antonín Erpek als Meilenstein der Medizin im heutigen Tschechien. Wobei mittlerweile ganz andere Eigenschaften des Blutes im Fokus tschechischer Ärzte und Wissenschaftler stehen. So wird beispielsweise am Prager Institut für Hämatologie massiv im Bereich Genetik geforscht. Nach wie vor seien aber Patienten mit seltenen Blutgruppen eine besondere Herausforderung, so Martin Písačka:

„Man muss Menschen mit einer seltenen Blutgruppe und jene Menschen auseinanderhalten, die bei der Transfusion eine seltene Blutgruppe brauchen. Denn die können Antikörper gegen alle möglichen anderen Merkmale in sich tragen. Und da muss man das Blut manchmal sogar vom entgegengesetzten Ende der Welt anliefern.“