Kulturschock auf dem Eis
Eishockey unter der prallen Sonne Nordafrikas – das ist das Thema des neuen tschechischen Dokumentarfilms „Letní hokej“ (Sommerhockey), der im Ausland unter dem Titel „Off Sides“ vermarktet wird. Das Regie-Duo Rozálie Kohoutová und Tomáš Bojar begleitet darin eine Nachwuchsmannschaft aus dem nordböhmischen Náchod bei einem Gastauftritt im marokkanischen Salé. Der Streifen wird in den nächsten Tagen beim Internationalen Filmfestival in Karlsbad vorgestellt.
Rozálie Kohoutová ist zunächst alleine nach Marokko gereist, um vor Ort ein erstes Konzept für den Film auszuarbeiten. Eigentlich habe sie sich dabei an den Streifen „Cool Runnings“ über die jamaikanische Bob-Olympiamannschaft erinnert, erzählt die Regisseurin.
„Die marokkanischen Trainer haben sich auf jeden Fall gewünscht, dass ein Eishockeyteam aus Tschechien zu Besuch kommt. Es wurde zudem vereinbart, dass die tschechischen Kinder bei den marokkanischen Familien wohnen werden. Die Einheimischen dort leben sonst eher in sich geschlossen und sind sehr zurückhaltend gegenüber Europäern. Die Familien aus Náchod wiederum haben viel Gastfreundschaft gezeigt gegenüber den jungen Eishockeyspielern aus Marokko. Dies hat uns auch dazu motiviert, einen Film über das gegenseitige Kennenlernen zu drehen.“ Tomáš Bojar reiste erstmals mit der jungen Eishockeymannschaft nach Salé im Norden des Maghreb-Staates. Auch er habe gehofft, dass es zu einem lebendigen Dialog zwischen den Jungen komme, sagt er.
„Interessant ist, dass Artur kein gebürtiger Tscheche ist, sondern ein Ukrainer, der in Tschechien aufgewachsen ist. Er ist ein netter, braver Junge. Mit seinem Entgegenkommen spielt er nicht nur die Rolle eines Dolmetschers, sondern auch eines Brückenbauers. Er ist schlicht ein versöhnliches Element. Die Kinder waren manchmal sehr scharf zueinander, wobei Artur aber fast immer schlichten konnte. Vor allem seine Englischkenntnisse haben dazu beigetragen.“
So übersetzte Artur seinem Teamkollegen Ondra beispielsweise auch eine sehr pikante Frage. Einer der marokkanischen Buben wollte nämlich wissen, wie Ondra denn Eishockey spielen könne, wo er doch so dick sei. Der pummlige Tscheche erwiderte darauf: „Frag ihn, wie er denn Eishockey spielen kann, wenn er so blöd ist.“Die Jungen aus Náchod erleben mehrere Überraschungen in Marokko, ihren neuen Freunden aus Afrika geht es in Tschechien aber genauso. So gibt es beim gemeinsamen Training in Rabat sehr viele lustige Erlebnisse, aber auch auf einer Party in Böhmen. Regisseur Bojar fand besonders rührend, wie die Eltern von Ondra die Gäste aus Marokko empfangen haben.
„Ondras Mutter hat die Gabe, sich um die anderen zu kümmern. Sie hat die zwei marokkanischen Eishockeyspieler, die beide Mehdi heißen, in ihr Herz geschlossen. Als sie sich von der Familie verabschiedeten, war sie sehr bewegt. Soviel ich weiß, haben auch die beiden Jungen sehr schöne Erinnerungen an ihre tschechische Gastfamilie. Für sie war die ganze Reise etwas Besonderes. Sie haben sich über Kleinigkeiten gefreut, die für uns selbstverständlich sind. Dies ist das Schönste, woran ich mich von den Dreharbeiten erinnere. Der Austausch hatte aber auch einige Schattenseiten.“Tomáš Bojar räumte ein, ihm hätten nie Filme gefallen, die eine einfache Botschaft hätten oder einen emotionalen Appell an das Publikum richten würden. Er mag seinen Worten zufolge nicht Streifen, die den Zuschauer zu einer Meinung zwingen. Solche Filme will er nicht machen, sagt Bojar.
„Rozálie und ich wollten nichts verheimlichen. Unser Film ist genauso verzwickt und kompliziert wie die heutige Welt.“
Es sei eine feine Beobachtung der Gesellschaft mit all ihren Facetten, fügt der Regisseur hinzu.
Ein erstes Preview von „Off Sides“ gab es Anfang Juni beim internationalen Festival in Nyon in der Schweiz. In den nächsten Tagen wird die Doku beim Filmfestival Karlsbad gezeigt. Die feierliche Premiere findet dann am 18. Juli im ostböhmischen Náchod statt. Danach ist der Film in den tschechischen Kinos zu sehen.