Hirn auf Brot, Blutsuppe und viel Tradition
Herbst und Frühjahr sind in Tschechien nichts für Vegetarier und Veganer. Denn in diesen Jahreszeiten finden hierzulande die Schlachtfeste statt.
„Damals hat man immer schon um halb sechs oder sechs Uhr morgens angefangen. Da kam dann der Fleischer auf den Hof und wurde mit einem Sliwowitz begrüßt. Darauf wurde das Schwein eingefangen und abgestochen. Heute wird das nicht mehr so gemacht, man muss das Tier mit einem Bolzenschussgerät töten. Das tote Schwein wird dann zum Ausnehmen in eine spezielle Wanne oder auf eine Art Leiter gelegt, mit Harz bestreut und abgebrüht. Das Ausnehmen der Sau geschieht anschließend auf einem Dreibein-Gestell, wobei der Bauch aufgeschlitzt, die Innereinen entfernt und der Kopf abgetrennt werden. Nachdem das ausgenommene Tier erneut gereinigt wurde, spaltet man den Kopf, und Hirn mit Ei und Knoblauch auf Brot ist die erste Speise des Schlachtfestes. Wenn dieses Schmankerl erst einmal mit Glühwein runtergespült wurde, geht es ans Zerteilen und die Vorbereitung aller anderen Spezialitäten.“
Eine Devise beim traditionellen tschechischen Schlachtfest lautet: das Schwein möglichst ganz zu verarbeiten. Während man sich die Schenkel und Koteletts für später aufhebt, werden direkt beim Schlachtfest eher die leicht verderblichen Teile von Sau und Eber serviert. Václav Stejskal weiß genau, was alles auf den Tisch kommt. Wobei der Metzgermeister einen klaren Favoriten hat:„Da sind die Geschmäcker ganz verschieden. Manche mögen Blutwurst, Grützwurst oder eine Leberwurst mit Kraut und Kartoffeln. Andere wiederum bevorzugen Grieben oder Schweineschmalz mit Zwiebeln auf frischem Brot. Ein weiterer Hit ist immer das typische Schlachtfest-Gulasch oder eben die gebratenen Leberwürste. Etwas ganz Besonderes ist wiederum die Presswurst. Ich mag sie vor allem mit gebratenen Fleischstückchen, die man mit dem restlichen Brät in den Darm stopft. Und gerade die Presswurst ist bei uns immer ein großer Erfolg.“
Zugegeben: Gekochter Schweinskopf oder Blutsuppe – in Tschechien nennt man sie im Volksmund auch prdelačka, also „Arschsuppe“ – sind nicht jedermanns Sache. Dennoch bieten viele gut-bürgerliche Restaurants in der Saison typische Schlachtplatten an. Den Mut zu einem richtigen Schlachtfest hat aber kaum noch jemand, vor allem in den Großstädten droht die Tradition in Vergessenheit zu geraten. Metzgermeister Stejskal hofft deshalb auf einen positiven Trend:„Das Schlachtfest ist wieder im Kommen und hat viele begeisterte Anhänger in Tschechien. Natürlich zieren sich die jungen Leute, wenn es ums Metzgerhandwerk geht. Ich wünsche mir ganz einfach, dass die Schlachtfeste wieder fester Bestandteil unserer Kultur werden und dass wir unsere Traditionen nicht vergessen. Vor allem aber, dass wir auch weiterhin wissen, wie man diese ganzen großartigen Spezialitäten zubereitet und wie sie schmecken.“
Außerdem erschweren die Bestimmungen der EU das Ausrichten von Schlachtfesten. Die Metzger müssen sich nämlich bei jedem Handgriff an strenge Hygienevorschriften halten. Zudem ist beispielsweise das Schlachten vor Publikum verboten. Auch deshalb gibt es nur noch wenige, die tatsächlich noch ein Schlachtfest ausrichten können. Einer davon ist Fleischermeister Stejskal, wobei er ja auch viel Erfahrung damit hat:
„Wir hatten daheim immer Schweine und haben sie selbst geschlachtet. Heute ist das nur in den wenigsten Familien in Tschechien so, man kann sich eine Sau aber auch bestellen. Als wir noch Jungs waren, hat bei uns immer der Tischlermeister Jenda die Schlachtfeste gemacht – und wir haben uns die wichtigsten Kniffe abgeschaut. Mit diesen Erfahrungen arbeite ich heute noch. Mein erstes Schwein habe ich mit sieben Jahren ausgenommen, da war ich in der ersten Klasse. Mein Interesse am Schlachten war also schon damals vorhanden.“In Prag kann man unter anderem im Landwirtschaftsmuseum oder im Stadtteil Střešovice richtige Schlachtfeste erleben. Meist finden sie Mitte Februar statt. Eine Sache wird in Tschechien aber immer beliebter, und zwar gibt es vermehrt auch vegetarische Schlachtfeste.