Verbuňk – Rekrutentanz als Kulturgut
Der Verbuňk ist ein Tanz, der seine Wurzeln vermutlich in der österreichischen k.u.k. Militärgeschichte des 18. Jahrhunderts hat. Seit 2005 ist er auf der UNESCO-Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit zu finden.
„Verbuňk ist ein individueller Männertanz. Diese knapp formulierte Charakteristik lässt auf eine gewisse Variabilität schließen. Seine Darbietung war damals mit den intensivsten und intimsten Gedanken und Emotionen des jeweiligen Tänzers verknüpft. Wichtig ist auch die Musik, genauer gesagt die Verbuňk- Lieder, die Einfluss auf seine Tanzbewegungen haben. Jeder Tänzer hat dann logischerweise einen eigenen Stil bei der Präsentation seines männlichen Temperaments. Dieses findet in den einzelnen Tanzfiguren seinen Ausdruck, oft verbunden mit virtuosen Bewegungsformen. Seit geraumer Zeit wird der Verbuňk bei verschiedensten Feierlichkeiten in der Region getanzt. Zum Beispiel bei Hochzeiten oder bei den Ernte- und Weinfesten. Für die jeweilige Dorfgemeinschaft war das seit eh und je eine Gelegenheit sich zu amüsieren.“
Nach Meinung von Sachkennern lässt sich die Entstehung des Verbuňk auf die erste Hälfte des 18. Jahrhundert datieren. Die älteste bekannte Erwähnung eines Volkslieds unter dem Namen Verbuňk ist allerdings erst in einem Liederbuch aus dem Jahr 1814 zu finden. Auf der Webseite der Tschechischen Gesellschaft für Volkskunde wir erklärt, dass die Rekrutierung in Mähren bis 1781 von professionellen Heerestänzern begleitet wurde. Das könnte nach Meinung von Ethnografen einer der Impulse für die Entstehung des Verbuňk gewesen sein.Schnaps, Geld und falsche Versprechen
Nach einer Reform der Wehrpflicht durch den Habsburger Kaiser Josef II. hat sich vieles verändert. Darunter auch die Werbungspraktiken. Nicht nur wegen hoher Verluste in den langen Kriegen, die seine Mutter Maria Theresia unter anderem gegen Preußen führte, war die Nachfrage nach neuen Soldaten enorm. Věra Kovářů:
„Damals dauerte der Pflichtwehrdienst sehr lange – insgesamt zwischen sieben und zwölf Jahren. Besonders die unteren Schichten der Gesellschaft hatten daran zu leiden, vor allem aber die Landbevölkerung. Wegen der Ungebundenheit und der physischen Kräfte wurden vorzugsweise junge ledige Männer zum Militärdienst eingezogen. Ursprünglich sollten diese sich freiwillig beim Heer melden, was aber nicht gut funktionierte. Deshalb kam es häufig zu Zwangsrekrutierungen. Dazu wurden auch geschulte Anwerber eingesetzt, die die Männer zum Dienst an der Waffe lockten. Im besseren Fall gelang es ihnen, die Burschen mithilfe von Versprechen, geringen Geldsummen oder mit Wein zu überreden. Andernfalls wendeten die Anwerber aber auch Gewalt an.“Historischen Quellen zufolge verabschiedeten sich die Rekruten vor ihrem Eintritt in den Militärdienst öffentlich mit dem Verbuňk-Tanz. Dahinter steckte auch eine Demonstration ihrer Leistungsfähigkeit. Außerdem war es den Junggesellen wichtig, die Frauenherzen zu erreichen. In Fachkreisen spricht man von einer Kompensation der psychischen Anspannung, mit der viele Rekruten ihrer persönlichen Zukunft entgegensahen. Die ursprünglich militärische Konnotation des Verbuňk ist im Lauf der Zeit jedoch verloren gegangen.
Bedeutungswandel des Verbuňk
Nach und nach fand der Tanz Einzug in andere Bereiche des Volkslebens, und das mit ganz neuen Aufgaben. Dazu ein Zitat aus einem Internetartikel der Tschechischen Gesellschaft für Volkskunde (Zitat):„Der Tanz war ein wichtiger Bestandteil des Volksbrauchtums, das vor allem mit seiner repräsentativen Funktion. Nach wie vor blieb dabei das Streben des Tänzers, seine individuelle Mentalität sowie seine psychische und physische Verfassung durch den Tanz zum Ausdruck zu bringen. Und nicht zuletzt ging es um seine Identifikation mit der Herkunftsgemeinde.“
Dadurch fanden immer mehr Menschen Gefallen an Verbuňk. Und es waren nicht unbedingt nur junge Männer.
Voraussetzung für eine besonders ansprechende Verbuňk-Darbietung war vor allem der körperlichen Leistungsfähigkeit des Tänzers, aber auch sein Improvisationstalent. Es war aber noch viel mehr im Spiel. Nicht wegzudenken war die Kapelle mit Geigen-, Kontrabass und Zymbelmusik. Die musikalische Begleitung sowie die tänzerische Darbietung, zu der auch der Gesang des Tänzers gehört, mussten miteinander harmonisieren. Mehr von Věra Kovářů, die sich sehr lange auch mit der Choreografie mährischer Volktänze befasst:
„Zum Auftakt seines Tanzauftritts beginnt der Tänzer zu singen. Wenn er das gut kann, dann steigt sein Renommee enorm. Während des ersten Abschnitts des Verbuňk-Dreiteilers bringt der Tänzer in der Regel die für seinen Herkunftsort typischen Tanzfiguren zur Geltung. Diese wurden oft von Generation zu Generation weitervererbt. Nach dem ziemlich ruhigen Anfangstempo der Musik und des Tanzes wird beides in den nachfolgenden zwei Abschnitten immer schwungvoller und intensiver. Für den Tänzer war und ist daher immer wichtig, seine Kräfte gut verteilen zu können. Am temperamentsvollsten ist der dritte Tanzabschnitt, in dem verschiedenartig variierte Hüpfer, Wendungen, Sprünge, tiefe Hocken sowie ganz subtile Bewegungen zur Geltung kommen. Diese Tanzelemente haben dann alle Verbuňk-Typen gemein, die im Lauf ihrer Entwicklung durch ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kommune geprägt wurden. Ein guter Verbuňk-Tänzer muss also nicht nur gut springen können. Sehr wichtig ist auch das rhythmische Empfinden und Ausdrucksvermögen bei der Koordination von Musik und Bewegung. Deswegen kommt es nicht allein auf die Technik an. Wer bei diesem Tanz kreativ denkt, der kann eine Spitzenleistung erbringen.“In der Mährischen Slowakei sagt man gerne: Der Verbuňk sei keine erlernbare Fertigkeit. Man müsse ihn im Blut haben.
Ein guter Tänzer zu sein war dort schon immer Prestigesache. Davon kann man sich unter anderem auch beim Internationalen Folklorefestival im südmährischen Strážnice überzeugen. Jedes Jahr wetteifern dort viele Teilnehmer in der Jugend- und Erwachsenen-Kategorie um den begehrten Titel „König des mährisch-slowakischen Verbuňk“. Beim 73. Festivaljahrgang im kommenden Juni werden in Strážnice die Bewerber erwartet, die sich bereits bei vorausgehenden regionalen Ausscheidungen durchsetzen konnten.