Verfassungshüter Rychetský besorgt über Entwicklung der Demokratie
Die Demokratie funktioniert in Tschechien mittlerweile seit 25 Jahren, mal mehr und mal weniger gut. Der Vorsitzende des Verfassungsgerichts in Brno / Brünn, Pavel Rychetský, hat zu einigen Fragen der demokratischen Rechtsordnung im Tschechischen Rundfunk Stellung bezogen.
„Das Mandat, das ein Präsident durch die Direktwahl erhält, kann rein rechnerisch viel stärker sein als bei den gewählten Abgeordneten. Gleichzeitig sind aber die Kompetenzen des Staatsoberhaupts nicht angewachsen. Für einen Präsidenten, der weniger gefestigt ist in seinem Charakter, kann dies eine große Verlockung sein. Das Wissen um das starke Mandat kann wie Opium auf ihn wirken.“
Im Zusammenhang mit den Präsidenten, die Tschechien seit der Staatsgründung im Jahr 1993 hatte, äußerte sich Rychetský noch zu einem anderen Punkt ziemlich kritisch. Weder Václav Havel noch Václav Klaus oder Miloš Zeman hätten die idealen Berater gehabt, sagte Rychetský:„Auf der Prager Burg hat sich in der Nachwendezeit stets eine Gruppe von Personen um den Präsidenten geschart, die nicht in der Lage war, einen wirklichen Dialog zu führen. Es fehlte an kritischen Meinungen. Das hohe Amt ihres Vorgesetzten hat offenbar einen negativen Einfluss auf diese Personen gehabt. Denn alle drei Staatsoberhäupter haben nach und nach dafür gesorgt, dass um sie herum nur noch ‚Ja-Sager‘ waren.“
Doch nicht nur das Präsidentenamt bereitet dem obersten tschechischen Verfassungshüter Kopfschmerzen. Besorgt äußerte sich Rychetský auch darüber, dass Abgeordnete ihre parlamentarische Immunität über Gebühr strapazierten. Ihn störe vor allem, dass man sie auch auf die Zeit vor der Vereidigung als Abgeordnete ausdehne. Der Chef des Verfassungsgerichts kommt daher zu dem Schluss:„Ich bin der Meinung, dass die Zeit gekommen ist, die Immunität zu begrenzen. Sie sollte lediglich gelten für alle Aussagen und Handlungen, die der Abgeordnete bei der Ausübung seines Mandats tätigt.“
Im Gegensatz dazu bekräftigte Rychetský zum wiederholten Male, dass er gegenwärtig keinen Bedarf für Verfassungsreformen sehe. Die Zeit dafür sei einfach ungünstig. Und selbst die Folgen von nur partiellen Eingriffen wären verheerend, so der 74-Jährige.
In seiner Funktion als oberster Hüter der Verfassung stehe ihm nicht zu, das Auftreten und Wirken eines Präsidenten zu beurteilen, betonte Rychetský. Er stellte andererseits jedoch klar, dass dem Staatsoberhaupt in Krisensituationen eine wichtige Rolle zukomme. So müsste er federführend sein, sollte ein Regierungskabinett keine Mehrheit im Parlament bekommen, schließt Rychetský.