Kochta: Das Remis gegen die kanadischen Profis war ein Erfolg
Das Eishockey-Länderspiel zwischen der Tschechoslowakei und den Profis aus Kanada vor 45 Jahren in Prag war für die hiesige Öffentlichkeit ein großes Ereignis. Zwei Zeitzeugen berichten.
Herr Kochta, am 30. September 1972 traten sie mit der tschechoslowakischen Nationalmannschaft erstmals gegen die Profis aus Kanada an. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Spiel?
„Das war eine ziemlich schwierige Aufgabe für uns, denn in Vorbereitung auf diese Begegnung absolvierten wir nur ein kurzes Trainingslager. Die Kanadier hingegen waren im vollen Spielrhythmus, sie hatten zuvor je vier Partien zu Hause und in Moskau gegen die Sowjetunion ausgetragen. Zudem bestritten sie noch zwei Spiele in Stockholm gegen Schweden. Wir sind also ohne echte Spielpraxis gegen die kanadischen Profis angetreten. Das Spiel endete 3:3, das war für uns ein Erfolg.“Die Begegnung in Prag war deshalb historisch, weil ihr die sogenannte Jahrhundert-Serie zwischen Kanada und der Sowjetunion zugrunde lag. Die Kanadier traten ja sonst bei großen internationalen Turnieren fast nur mit Amateuren an, nun aber mit ihren besten Profis. Sie wollten den Sowjets demonstrieren, wie man Top-Eishockey spielt, doch dann haben die sowjetischen Spieler gleich zweimal in Kanada gewonnen…
„Bei einer Weltmeisterschaft hatten die Kanadier immer so fünf, sechs Profis im Kader, doch es war keiner ihrer Top-Stars darunter. Auf einmal aber kam diese Serie zwischen Kanada und der Sowjetunion zustande, das hat auch uns in der Tschechoslowakei überrascht. Für die Kanadier waren die Sowjets der Gegner, den es zu schlagen galt. Uns haben sie dagegen etwas schwächer eingeschätzt. Doch das war okay, schließlich wurde die UdSSR damals fast jedes Jahr Weltmeister. Und die Sowjets haben dann auch super gespielt. Die Schiris hingegen haben nicht immer korrekt gepfiffen gegenüber Kanada, denn es waren schon einige brutale Fouls dabei. Die Kanadier haben die Serie knapp gewonnen und sich entsprechend gefreut. Spielerisch waren sie allerdings nicht viel besser als die Sowjets.“
Danach kam es noch zum Aufeinandertreffen der Tschechoslowakei mit den kanadischen Profis. Sie sagten, dass das tschechoslowakische Eishockey nicht die gleiche Wertschätzung genoss wie das sowjetische. Hat dies Sie und Ihre Teamkollegen dann noch zusätzlich motiviert, es den Kanadiern zu zeigen? Schließlich seid ihr vor 45 Jahren gerade Weltmeister geworden…„Klar hat uns das angestachelt. Wir haben schon ein Jahr zuvor, bei der WM 1971 in der Schweiz, gezeigt, dass mit uns zu rechnen ist. Gegen die Sowjets haben wir dort einmal gewonnen und einmal Unentschieden gespielt. Von daher wollten wir uns auch gegen die Kanadier beweisen. Die Partie in Prag war ein Superspiel und die Große Sporthalle im Stadtteil Holešovice war natürlich ausverkauft. Schön war zudem das anschließende Treffen mit den Kanadiern im Parkhotel. Da hat man dann auch ganz andere Menschen kennengelernt, denn privat sind die Kanadier ziemlich locker drauf, also völlig anders als auf dem Eis. Wenn sie in ihre Eishockeyausrüstung schlüpfen, kennen sie kein Pardon. Für sie zählt nur der Sieg und nichts anderes. Das ist die Mentalität der Kanadier, eine solche haben die Europäer nicht.“
Wie wurde das Spiel in der hiesigen Sportöffentlichkeit gesehen? In etwa wie ein Feiertag des tschechoslowakischen Eishockeys?„Ganz sicher, schon allein deswegen, weil die Kanadier mit all ihren Top-Stars antraten, sofern niemand verletzt war (z.B. Bobby Orr, Anm. d. Red.). Ich muss jedoch sagen, dass viele der Kanadier, auf die ich bei einer WM getroffen bin, von ihren Leistungen her genauso stark auftrumpften wie die Profis. Die meisten von ihnen hatten indes nicht das Glück, in der NHL spielen zu können. Für uns aber war es ein Erlebnis, gegen diese Top-Stars spielen zu können. Sie erschienen uns wie Übermenschen, die in ihrem Unterbewusstsein vielleicht glaubten, dass sie uns mühelos bezwingen können. Doch dem war nicht so. Denn sie mussten schon gegen die Sowjets erkennen, dass es nicht so leicht ist, ein europäisches Spitzenteam zu schlagen. Und gegen uns war es genauso. Die Kanadier waren von uns sehr überrascht. Deshalb hätten sie nach dem Spiel auch liebend gern einige von uns mit in die NHL genommen, einschließlich mich. Doch das war damals leider nicht möglich.“
Seinerzeit hat man in den Ländern des damaligen Ostblocks als sogenannte Staatsamateure Eishockey gespielt. Das heißt, man hat trainiert und gespielt wie ein Profi, doch man durfte nicht abwandern und sich Teams aus kapitalistischen Ländern anschließen. Bedauern Sie es heute, dass Sie damals quasi in der falschen Zeit gelebt haben?„Leider schon, denn wir haben eigentlich wie Profis gelebt und mussten auch nicht arbeiten gehen. Ganz im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie Westdeutschland, die Schweiz oder auch Schweden. Das war schon ein Unterschied, denn wir haben eigentlich mehr trainiert als die west- und nordeuropäische Konkurrenz. Doch es war schon verrückt, dass wir nicht einmal in der Sowjetunion zum Probetraining antreten konnten. Holík, Nedomanský, Pospíšil, Machač und mich hat zum Beispiel der ZSKA Moskau dazu eingeladen, doch von den Verantwortlichen in der Tschechoslowakei wurde das nicht erlaubt. Das war schon komisch, hieß es doch damals, dass wir sozialistische Bruderländer sind. Die Möglichkeit, ins Ausland zu wechseln, kam erst später, aber da waren wir schon 33, 34 Jahre alt. Und das ist eigentlich zu spät.“
Noch eine abschließende Frage zum Spiel: Sie hatten in der 43. Minute die 3:2-Führung für die Tschechoslowakei erzielt. Sie standen kurz vorm Sieg, doch nur vier Sekunden vor der letzten Sirene traf Serge Savard zum 3:3. Warum hat es nicht zum Sieg gereicht?„Es gab noch ein Bully, und es war ausgemacht, dass ich es ausführen werde. Ich stand schon bereit, doch auf einmal kommt Vladimír Martinec und sagt mir, dass wir noch einmal wechseln und er zum Bully geht. Das hat Trainer Pitner so angeordnet. Leider hatte Vladimír aber nicht so viel Erfahrung beim Bully und es prompt verloren. So kam noch ein Schuss von der blauen Linie, der zum 3:3 einschlug. Das war für uns schon etwas traurig, nicht gewonnen zu haben. Auf der anderen Seite aber war das 3:3 ein Erfolg gegen diese kanadischen Profis.“
Seine guten Deutschkenntnisse hat Jiří Kochta als langjähriger Spieler und Trainer in der deutschen Eishockey-Bundesliga erworben. An das Duell der tschechoslowakischen Nationalspieler mit den kanadischen Profis erinnern sich hierzulande jedoch auch viele Eishockeyfans sehr gern. Zu ihnen gehört Martina Schneibergová, eine jetzige Redakteurin von Radio Prag:
„Man hat auf ein solches Spiel lange gewartet, denn es war das erste Mal, dass die kanadischen Profis aus der NHL hierhergekommen sind. Jeder war neugierig, wie sie spielen, denn damals gab es keine Möglichkeit, sie im Fernsehen spielen zu sehen oder auch nur etwas von ihnen zu hören. Am Tag vor dem Spiel und am Spieltag selbst wurden die Sporthalle und das Parkhotel nur so belagert von Autogrammsammlern. Wir waren jedoch sehr überrascht, wie nett die Kanadier waren und wie sie aussehen. Sie hatten zum Beispiel alle lange Haare, was unsere Spieler nicht haben durften. Das war wirklich ein Erlebnis für das ganze Jahr.“Martina war damals 15 Jahre alt. Mit diesem Eishockeyspiel verbindet sie bis heute eines der schönsten Erlebnisse aus ihrer Jugend:
„Ich habe damals sogar drei Eishockeyschläger von Pat Stapleton, dem Kapitän der kanadischen Mannschaft bekommen. Ich habe auch einigen kanadischen Spielern geschrieben, und sie haben mir dann persönliche Fotos geschickt in der Spielkleidung ihres jeweiligen NHL-Teams. Am Gymnasium sollten wir das schönste Ereignis der letzten Zeit beschreiben. Für mich war dies natürlich das Treffen mit den kanadischen Eishockeyspielern sowie das Spiel selbst. Und das habe ich beschrieben. Die Lehrerin war damals ziemlich erstaunt über meinen Aufsatz.“