Gerhard Richter, Streetfood und Theater: Start des Deutsch-Tschechischen Kulturfrühlings
Mit Kultur wollen sich Tschechien und Deutschland gegenseitig vorstellen beim Nachbarn. Ab Ende März finden im Rahmen des Deutsch-Tschechischen Kulturfrühlings zahlreiche grenzüberschreitende Aktionen statt. Damit sollen die Feiern zum 20. Jahrestag der Deutsch-Tschechischen Erklärung einen kulturellen Höhepunkt bekommen.
Die Ausstellung im Prager Palais Kinsky ist als Retrospektive gestaltet und soll die wichtigsten Werke des Künstlers in einem aktuellen Kontext zeigen. Warum aber gerade Gerhard Richter für den Deutsch-Tschechischen Kulturfrühling ausgewählt wurde, weiß Milena Kalinovská. Sie hat die Ausstellung kuratiert:
„Gerhard Richter ist derzeit der wichtigste deutsche Künstler überhaupt. Er hat großen Einfluss auf die Kunst weltweit – und somit auch auf tschechische Künstler. Viele von ihnen beziehen sich direkt auf Gerhard Richter. Wir haben die einzigartige Möglichkeit, die Werke Richters tatsächlich in der Nationalgalerie auszustellen. Mit der Ausstellung von Ai Weiwei und der deutsch-tschechischen Künstlerin Magdalena Jetelová haben wir derzeit ein Programm von Weltformat. Da passt Gerhard Richter nicht nur gut hinein, sondern sticht auch noch hervor.“
Kultur in die Regionen bringen
Doch nicht nur die hohe Kultur findet ihren Platz beim Deutsch-Tschechischen Kulturfrühling. Es gibt auch ein grenzüberschreitendes Fußballturnier. Ebenso ist für das leibliche Wohl gesorgt. Und das in einer wirklich völkerverbindenden Dimension, wie sich Berthold Franke freut:„Da gibt es eine interessante Begegnung mit neuer deutscher Gastronomie. Und zwar fährt eine mobile Küche aus Rixdorf in Berlin-Neukölln in einem Wohnanhänger durch die sieben Fokusstädte des Deutsch-Tschechischen Kulturfrühlings. Da hat man moderne Weltküche aus Berlin in der tschechischen Provinz.“
Stichwort Fokusstädte: Kultur soll nicht nur in Prag und Berlin stattfinden, sondern auch abseits der großen Zentren und der Grenzregionen. In Tschechien wurden dabei die Städte Ostrava / Ostrau, die gleichzeitig Eröffnungsstadt ist, Olomouc / Olmütz, Plzeň / Pilsen, Ústí nad Labem / Aussig, České Budějovice / Budweis, Brno / Brünn und Liberec / Reichenberg ausgewählt. In Deutschland liegt wiederum der Fokus auf Städten vor allem im Westen des Landes, wie Bremen oder Düsseldorf. Für Berthold Franke war bei dieser Schwerpunktsetzung besonders eine Frage entscheidend:
„Was tun wir, um aus unserer Blase herauszukommen? Ich meine, wir als Goethe-Institut sind in Prag unter den liberalen und weltoffenen Tschechen, die uns kennen und gernhaben. Der Kulturfrühling war dabei für uns Pflicht und Anlass, es auch anderswo zu versuchen. Also kleinteiliger zu sein und auch in kleineren Städten Bilder zu generieren, die so noch nicht gesehen wurden. Ich begreife das als große Chance, aber auch als Ermahnung an uns alle, die Provinz nicht verächtlich zu machen. Man sollte sie als großen Garten begreifen, in dem es viel zu tun gibt.“Das wird besonders bei einem weiteren Highlight in den Fokusstädten deutlich, nämlich in der Veranstaltungsreihe „Myslet město jinak“ / „Die Stadt anders denken“. Dabei feiern tschechisch-deutsche Architektenteams den urbanen Charakter der „Provinz“. Natürlich wollen sie aber auch kritisch bewerten, was besser gemacht werden könnte im öffentlichen Raum.
Kultur als Brücke zwischen den Nachbarn
Der Kulturfrühling soll einen etwas anderen Höhepunkt der diesjährigen Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Deutsch-Tschechischen Erklärung bilden. Warum gerade das so wichtig ist, weiß der tschechische Kulturminister Daniel Herman (Christdemokraten):„Die Kultur ist die beste Brücke zwischen den Völkern und Nationen. Und sie ist nötig zur Verfeinerung der grenzüberschreitenden Beziehungen. Die Deutsch-Tschechische Erklärung ist dabei der politische Rahmen, der einen Raum schafft. Und dieser Raum muss gefüllt werden. Das ist unter anderem die Rolle der Kultur.“
Für Daniel Herman hat der Deutsch-Tschechische Kulturfrühling noch eine ganz eigene, besondere Bedeutung für Tschechien. Das Land soll nämlich wieder kulturell als Teil des Westens verstanden werden. Wird die grenzüberschreitende kulturelle Zusammenarbeit aber noch weitergehen nach dem Frühjahr 2017?
„Ja klar, Kultur ist ja tatsächlich die beste Brücke, wie ich bereits gesagt habe. Und die Tschechischen Zentren machen da eine gute Arbeit. Sie sind auch eine konkrete Präsenz der tschechischen Kultur in den jeweiligen Ländern, in diesem Fall auch in Deutschland.“Raum für neue Kooperationen
Die Tschechischen Zentren sind neben dem deutschen Goethe-Institut ein wichtiger Organisator des Kulturfrühlings, sie sind für das Programm in Deutschland verantwortlich. Tomáš Sacher leitet das Tschechische Zentrum in Berlin und kann einen Überblick geben über das Programm in der Bundesrepublik:
„Wir haben ungefähr 30 Projekte, die in Deutschland stattfinden. Und zwar nicht nur in Berlin, sondern zum Beispiel auch in München, Leipzig oder Düsseldorf. Es freut mich sehr, dass ganz viel los sein wird in den Theatern oder auch, was den zeitgenössischen Tanz betrifft. Da gibt es viele Projekte, die ich mir vor kurzem noch gar nicht hätte vorstellen können. Man hat zum Beispiel mit dem Tanzhaus NRW in Düsseldorf ein ganzes Festival vorbereitet, bei dem tschechische Tänzer das Neuste und Beste ihres Könnens zeigen werden. Wir haben aber auch zahlreiche Projekte in der Musik. Natürlich gibt es klassische Musik. Aber im Programm sind zudem innovative Ideen, die sich erst langsam durchsetzen werden.“Viel Wert wird auch auf ganz neue Kooperationen im Kulturbereich gelegt. Tomáš Sacher betont da zum Beispiel die Zusammenarbeit des Prager Theaters Dejvice mit dem Deutschen Theater in Berlin. Insgesamt gilt aber auch in Deutschland: Je weiter weg von den ehemaligen Schlagbäumen, desto besser für das Kennenlernen.
„Ich würde schon, sagen, dass wir weiter nach Westen schauen, weiter weg von Tschechien. Mich freut, dass Tschechen in Städten wie Bremen oder Düsseldorf etwas ganz Neues vorbereiten werden.“
Ein deutscher Kulturfrühling in Tschechien?
Nichtsdestotrotz muss man aber eines feststellen: Nur rund ein Zehntel der Veranstaltungen findet in Deutschland statt. Das hat seine Gründe aber nicht im geringen Interesse der Deutschen an Tschechien. Bestätigen kann das Kristina Larischová. Sie sitzt im Vorstand des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, eines der größten Finanziers des Kulturfrühlings:„Zunächst muss ich wohl etwas zu der Genese der ganzen Idee sagen. Ganz am Anfang stand die Entscheidung des deutschen Ausministeriums und des Goethe Institutes, die deutsche Kultur in unterschiedlichen Ländern der Welt sichtbarer zu machen. Als wir von der Absicht des Goethe Instituts und der deutschen Botschaft erfuhren, wollten wir im Rahmen der lebendigen tschechisch-deutschen Nachbarschaft umgekehrt das Beste der tschechischen Kultur der letzten Jahre in Deutschland präsentieren. Wir haben gemeinsam eine Partnerschaft gestartet. Mit den deutschen Institutionen auf der einen Seite und einer Kooperation von tschechischem Außenministerium, tschechischen Zentren und dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds auf der anderen Seite. Damit ist es uns doch gelungen, in beiden Ländern ein sehr gutes Programm aufzubauen.“
Der Deutsch-Tschechische Kulturfrühling findet von Ende März bis Juli in verschiedenen Städten in Tschechien und Deutschland statt. Worauf genau Sie sich in Ihrer Region freuen können, finden Sie auf der Webseite des Deutsch-Tschechischen Kulturfrühlings www.de-tsch.eu.
Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds sieht aber weiter nach vorne. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit soll auch in der Kultur eine der Prioritäten bleiben. Konkret geht es um die langfristige Unterstützung von sogenannten kulturellen Start-Ups. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation zwischen dem Prager Menschenrechtsfilmfestival „Jeden Svět“ und dem Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte. Und das mit besonderem Fokus auf Menschen mit Behinderung.