Im KZ zum Geldfälschen gezwungen – Ein Nachruf auf Adolf Burger
Sie waren Hitlers Fälscher: In Sachsenhausen mussten KZ-Häftlinge millionenfach Geldblüten und stapelweise gezinkte Ausweise drucken. Jetzt ist einer der letzten Zeugen dieses weniger bekannten NS-Verbrechens in Prag gestorben. Adolf Burger wurde 99 Jahre alt. Gegenüber Radio Prag hat er im Jahr 2007 seine Geschichte erzählt: wie er das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und das KZ Sachsenhausen überlebt hat.
„Wir gehen durch das ganze Lager zum südlichsten Teil mit zwei Blöcken. Wie haben die Blöcke aber ausgesehen? Die waren von oben bis unten mit 1000 Volt Hochspannung verdrahtet. Die Fenster waren weiß getüncht, damit niemand hineinsehen konnte. Und die beiden Blöcke waren mit einem drei Meter hohen Tor verbunden, damit man nicht in den Hof schauen konnte. Und dann sagt der SS-Mann: ‚Hier werdet ihr an der Produktion der englischen Pfundnote arbeiten.‘ Wie er das sagte, dachte ich: ‚Ende, hier komme ich nie mehr lebend wieder heraus; darum ist der Block so verdrahtet und man kann nicht einmal hereinsehen.‘“
Im Zweiten Weltkrieg zwingen die Deutschen Burger und weitere rund 140 jüdische KZ-Häftlinge, Millionen britischer Pfundnoten zu drucken. Auch US-Dollarscheine werden in Sachsenhausen nördlich von Berlin unter Aufsicht der SS nachgeahmt. Damit sollen die Währungssysteme der deutschen Kriegsgegner zerrüttet werden. Zugleich versucht Burger mit einem Mithäftling, das Unternehmen zu sabotieren. Diese Geschichte hat den gelernten Drucker aus einer slowakisch-jüdischen Familie weltweit bekannt gemacht. Adolf Burger hat sie zunächst in seinem Erlebnisbericht geschildert, sie erschien als „Des Teufels Werkstatt“ auf Deutsch. Seine Erinnerungen dienten dann als Vorlage für den Spielfilm „Die Fälscher“, der 2008 einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewann.Burger fälscht Taufscheine, um Juden zu retten
Geboren wird Adolf Burger 1915 in Groß-Lomnitz in der ostslowakischen Tatra. Mit 14 Jahren geht er in die Lehre als Buchdrucker.„Ich entschied mich für den Beruf, weil ich schrecklich gerne las. Wir waren sehr arm und ich hatte keine Bücher. Ich dachte damals: In einer Buchdruckerei werde ich genügend Bücher umsonst haben. Das war ein großer Irrtum in meinem Leben. Denn es war eine kleine Druckerei, in der nur vier Leute arbeiteten. Wir haben aber keine Bücher gedruckt, sondern Kinokarten, Eintrittskarten und ähnliche Dummheiten.“
Im August 1938 kommt der katholische Pfarrer Jozef Tiso an die Macht in der Slowakei. Tiso errichtet einen faschistischen Satellitenstaat Hitlers und übernimmt praktisch alle Gesetze aus Deutschland. Die politische Opposition wird verboten und verfolgt, als erste geht die kommunistische Partei in den Untergrund. Und im September 1941 treten auch die gegen Juden gerichteten Nürnberger Rassengesetze in Kraft. Aber Adolf Burger muss als technische Fachkraft keinen Judenstern tragen und darf weiter arbeiten.
Eines Tages kommen jedoch kommunistische Widerstandskämpfer in Burgers Druckerei. Sie bitten ihn, mit gefälschten Taufscheinen Menschen zu retten. Er willigt ein:
„Drei Jahre haben wir das gemacht. Dann aber kam uns die slowakische Gestapo auf die Schliche. Einen Tag vor meinem 25. Geburtstag, es war der 11. August 1942, deswegen werde ich das nie vergessen, kamen zwei Hlinka-Gardisten – slowakische SS – und ein slowakischer Gestapo-Mann. Sie verhafteten mich und die anderen fünf. Nur die Kurierin, die unterwegs war und gewarnt wurde, haben sie nicht bekommen.“
Auch Adolf Burgers Frau Gisela wird festgenommen. Sie kommen in ein Lager für Juden in Zilina, von dort werden sie nach Auschwitz deportiert. Burger wird einem Kommando zugeteilt, das sinnlos Pflastersteine hin- und herschleppen muss. Und das bei bedrohlicher Unterernährung. Am schlimmsten ist aber der bewachende SS-Mann. Er quält die Häftlinge – besonders die, die nicht Deutsch sprechen:
„Und so rief er einmal auch mich, aber ich konnte Deutsch. Ich laufe hin und schreie: ‚Häftling 64.401 zur Stelle.‘ Man durfte ja keinen Namen nennen. Da schreit der SS-Mann: ‚Deinen Namen will ich wissen!‘ Ich von neuem: ‚Häftling 64.401‘. Da brüllt er: ‚Deinen Namen!‘ Und ich sage: ‚Adolf…‘ Noch bevor ich Burger sagen konnte, hat er mir alle Zähne mit dem Gewehrkolben ausgeschlagen. Denn wie konnte ein Häftling Adolf heißen? Ich habe geschrien: ‚Aber ich heiße Burger, Adolf.‘ Seitdem habe ich keine Zähne mehr. So war die SS – sie tat es auch aus Langweile.“„Häftling 64.401 zur Stelle!“
Adolf Burger entkommt dem brutalen SS-Mann, weil er sich ins Aufräumkommando überstellen lässt. Dieses sortiert die Inhalte der Tausenden Koffer, die den Neuankömmlingen abgenommen werden. Was er dort findet, hilft ihm zu überleben: Brot gegen den Hunger, frische Kleidung und Seife gegen die gefährlichen Infektionskrankheiten. Das Aufräumkommando wird dann ins Vernichtungslager Birkenau verlegt. Dort hat er Kontakt mit dem Frauenlager, weil er Kleidung aus den Koffern dort hinbringen muss. Burger hofft, etwas über seine Frau zu erfahren.
„Dort traf ich auch ein Mädchen aus meiner Stadt, Vali Kohn hieß sie. Ich durfte aber nicht mit ihr reden, da dort der SS-Mann stand, und ich hätte dann 20 Schläge mit dem Stock bekommen. Aber eines Tages sehe ich dort den SS-Mann nicht und frage: ‚Vali, wo ist dein SS-Mann?‘ Sie sagt: ‚Er ist beim Essen in der Kantine.‘ Darauf ich: ‚Kannst du mir nicht sagen, wo meine Frau ist, hast du sie gesehen?‘ Vali: ‚Ich habe oft mit ihr gesprochen, aber dann wurde sie zu einem sehr schweren Kommando eingeteilt, zu den Leichenträgern. Doch dann war Selektion. Ein SS-Arzt hat auf sie gezeigt und das bedeutete, sie ging ins Gas.‘ So habe ich erfahren, dass meine Frau vergast wurde.“ Gisela Burger wird kurz vor Weihnachten 1942 von den Nationalsozialisten umgebracht. Die Tage, Wochen und Monate werden für Adolf Burger endlos. Doch eines Tages wird seine Nummer beim Zählappell ausgerufen. Er solle sich beim Lagerführer melden. Am nächsten Tag wird er in ein Steingebäude geführt, vor eine Tür mit der Aufschrift „Sturmbannführer Höss“:„Ich klopfe, trete ein und rufe: ‚Häftling 64.401 zur Stelle‘ – man durfte ja den Namen nicht sagen. Dann schaut er auf eine Karteikarte und fragt: ‚Sind Sie Herr Burger?‘ Ein SS-Sturmbannführer nennt mich Herr? Ich stottere jedenfalls: ‚Ja‘. ‚Sind Sie Buchdrucker?‘ ‚Ja.‘ Da sagt er: ‚Herr Burger, solche Leute wie Sie brauchen wir in Berlin in den Druckereien. Morgen kommen Sie von hier fort, und sie werden dort wieder als freier Mensch arbeiten können.‘“
„Wer sabotiert, wird erschossen!“
Doch die Freiheit, sie heißt KZ Sachsenhausen und Hochspannungsdrähte drumherum: Die Fälscherwerkstatt. Allerdings unter Bedingungen, von denen Adolf Burger drei Jahre lang nur träumen konnte: normale Nahrung, blitzblanke Doppelbetten und ein Gesellschaftsraum mit Stühlen und Tischen, Tageszeitungen und Spielen. Die Häftlinge sind nicht kahl geschoren und tragen Lederschuhe, fällt ihm auf. SS-Sturmbannführer Bernhard Krüger weist das Fälscherkommando ein. Er ist im Reichssicherheitshauptamt ausgerechnet Chef der Abteilung für den Kampf gegen Geldfälscher.
„Er stellte sich auf eine Kiste und sagte: ‚Ihr wisst ja, dass hier englische Pfundnoten gedruckt werden. Außerdem machen wir englische, amerikanische, schweizerische Pässe und gegen die Russen NKWD-Legitimationen, also Dokumente aus der ganzen Welt für unsere Spione. Die müssen aber genau sein. Wenn Ihr gut arbeiten werdet, dann wird Euch unser Endsieg belohnen. Ihr werdet dann Villen erhalten, Frauen könnt ihr haben, aber die ganze Freiheit werde ich Euch nie geben können. Wenn Ihr sabotiert, werdet Ihr erschossen. Abtreten!‘ Das war seine Begrüßungsrede.“
Die englischen Pfundnoten, sie dienen dazu, die Kriegsmaschinerie des Dritten Reiches zu finanzieren. Zudem soll das Finanzsystem der Gegner ruiniert werden. Doch genau das wollen die Häftlinge nicht. Burgers holländischer Kollege Abraham Jacobson heckt einen Plan aus. Er zögert den Druck des Dollars hinaus. Dazu panscht er die Gelatine für die Druckplatten, also die lichtempfindliche Emulsion, die beim Lichtdruck benötigt wird. Doch dann platzt der nationalsozialistischen Führung der Kragen. In sechs Wochen müsse geliefert werden, heißt es. Oder das ganze Fälscherteam werde erschossen. Burgers Reaktion ist eindeutig:
„Ich lasse mich doch nicht erschießen, nur um die Dollars zu verhindern, ich bin ja nicht verrückt. Dann kommen andere und machen das. Dann frage ich Jacobson: ‚Was machen wir jetzt?‘ Er: ‚Ich mache jetzt eine gute Gelatine und wir werden drucken, weil wir uns nicht erschießen lassen.‘“
Die Nazis wollen Dollars um jeden Preis
Letztlich sind es die Dollarnoten, die Burger das Leben retten. Kurz bevor der Großdruck anläuft, kommt der Befehl zur Flucht, denn die Rote Armee steht bereits vor Berlin. Die ganze Fälscherwerkstatt wird abgebaut und auf 16 Eisenbahnwaggons geladen. Die Nationalsozialisten nehmen auch die Fälscher mit:
„Warum aber haben die uns nicht gleich in Sachsenhausen umgebracht, als sie erfuhren, dass die Russen kommen? Nun, sie wollten die Dollars, sie waren verrückt nach den Dollars. Darum haben sie uns nach Österreich gebracht. Die Maschinen waren dann schon aufgestellt, wir sollten bereits drucken, nur die Amerikaner rückten so schnell vor, dass es nicht dazu gekommen ist. Aber sie wollten die Dollars – um jeden Preis.“Adolf Burger wird am 5. Mai 1945 aus dem Konzentrationslager Ebensee in der Steiermark in Österreich befreit. Seiner Geschichte will nach Kriegsende aber niemand so recht glauben schenken. Der Beweis kommt erst 1959, als Taucher auf dem Grund des Toplitzsees im Salzkammergut Kisten mit Pfundnoten und Fälscherwerkzeug finden. Und Adolf Burger? Er widmet sein Leben der Aufklärung über die Schrecken des Holocaust. Nach der politischen Wende besucht er auch mehrere Tausend Schulklassen in Deutschland und ist Präsidiumsmitglied des Internationalen Sachsenhausen-Komitees.