Burgen, Klöster und Bergwerke laden ein: Die Tage des europäischen Kulturerbes in Tschechien
Der Prager Hradschin, Kutná Hora / Kuttenberg oder die Altstadt von Český Krumlov / Krumau – diese Orte und noch einige mehr in Tschechien haben eines gemeinsam: Sie sind geschützte Kulturdenkmäler in Tschechien. Die Pflege der vielen historischen Kostbarkeiten ist jedoch aufwendig und teuer. Die alljährlich stattfindenden Tage des europäischen Kulturerbes sollen darauf aufmerksam machen. Auch öffentlich eigentlich nicht zugängliche Objekte zeigen sich dabei in ihrem besten Licht. An diesem Wochenende werden die Tage im mährischen Slavonice / Zlabings eröffnet.
„Die Tage des europäischen Kulturerbes haben hauptsächlich die Bedeutung, der breiten Öffentlichkeit die Fülle der Kulturdenkmäler aufzuzeigen. Diese Denkmäler sind dabei nicht nur das Erbe unserer Vorfahren, das wir erhalten und an unsere Nachfahren weitergeben müssen. Sie haben auch einen direkten wirtschaftlichen Nutzen, indem sie durch den Tourismus gutes Geld in die öffentlichen Kassen spülen.“
Die Tage des europäischen Kulturerbes haben ihren Ursprung in einer Initiative des damaligen französischen Kulturministers Jack Lang. Er wollte unter dem Slogan „Dem kulturellen Erbe neues Leben einhauchen“ den Franzosen die materiellen Schätze ihres Landes schmackhaft machen und initiierte im Jahr 1984 die sogenannten Tage der offenen Denkmale. Insgesamt stellte sich die Idee als großer Erfolg heraus.1992 nahm sich der Europarat des Projektes an. Er weitete die Initiative unter dem gleichen Schlagwort aber unter dem englischen Namen European Heritage Days auf den ganzen Kontinent aus. Die Tschechoslowakei beteiligte sich von Anfang an und richtete auch die erste feierliche Eröffnung der Tage des europäischen Kulturerbes in Prag, Tábor, Telč / Teltsch und Trnava aus. Seitdem erfreuen sich die Veranstaltungen großer Beliebtheit in Tschechien. Der Grund dafür ist auch, dass den Eigentümern und Verwaltern der Objekte an einem Erfolg gelegen ist:
„Natürlich bemüht man sich in jedem Jahr, Denkmäler zugänglich zu machen, die normalerweise verschlossen sind. Dort, wo die Türen normalerweise für Besucher offen stehen, versuchen die Veranstalter etwas Zusätzliches anzubieten. Zum Beispiel achtet das Amt für Denkmalpflege sehr streng darauf, dass jede seiner Einrichtungen irgendein Sahnehäubchen zusätzlich aufweisen kann.“Eröffnung in Slavonice: „Denkmal und Gemeinschaft“
In diesem Jahr macht Slavonice den Anfang und richtet die offizielle Eröffnungsfeier aus. Warum es gerade die Stadt im südwestlichsten Zipfel Mährens ist, hat einen guten Grund, wie Květa Vitvarová weiß:
„Die Eröffnungsstadt wird immer schon ein Jahr im Voraus vom Verband historischer Residenzen ausgewählt. Slavonice hat das Rennen diesmal nicht nur für sich entschieden, weil es ein malerisches Grenzstädtchen ist. Vielmehr bot Slavonice ein Programm, dass am besten zum diesjährigen Motto des Europarats für die Tage des europäischen Kulturerbes passt: ‚Denkmal und Gemeinschaft‘. Die Eröffnung haben alle möglichen Bürgerinitiativen, Vereine und Verbände mitorganisiert, die in der Stadt selbst und im Umland tätig sind.“Slavonice selbst kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, die bis in das 12. Jahrhundert reicht. Vor allem die Fassaden der Altstadt stammen aus der Gotik und Renaissance und sind durch die zahlreichen Sgraffiti bemerkenswert. Bereits im Jahre 1961 wurde die Stadt zu einem städtischen Denkmalreservat erklärt.
Kumpel, Eisenbahner und Zuckerbäcker: Industrieanlagen als kulturelles Erbe
In diesem Jahr wollen die Veranstalter der Tage europäischer Kulturdenkmäler nicht nur die Juwelen von Mittelalter, Renaissance oder Barock in den Mittelpunkt stellen. Auch Kulturgüter aus neuerer Zeit werden hervorgehoben, und das mit einem bestimmten Fokus. Květa Vitvarová:„Zu den Tagen des europäischen Kulturerbes gehört auch der Tag der Technik. Das bedeutet, dass ebenso technische Kulturgüter ihren Platz auf der Denkmalkarte finden. Die Besucher sollten sich auf jeden Fall die zahlreichen bemerkenswerten Versorgungsgebäude, Bahnhöfe oder Bergwerke ansehen. Im Großen und Ganzen ist auch in dieser Richtung viel geboten.“
Vor allem die „Bergwerks-Kultur“ im Raum Ostrava / Ostrau ist stark vertreten. So öffnen sich für die Interessierten etwa technische Museen wie der Bergbau-Park Landek oder die kleine sowie große Welt der Technik im Stadtteil Vítkovice. Genauso kann aber auch echte Kumpelästhetik erlebt werden, wie in den Fördergruben in Vítkovice. Im böhmischen Landesteil laden unter anderem das Museum der Zuckerherstellung in Dobrovice / Dobrowitz, das Eisenbahnmuseum in Lužna u Rakovníka / Luschna oder das Technische Freilichtmuseum Kladno / Kladen ein.
Květa Vitvarová hat ihren ganz persönlichen Favoriten unter den Kulturgütern aus der Industrie. Auch wenn sie es noch nicht besichtigen konnte:„Ich plane bereits seit einigen Jahren einen Besuch im Wasserkraftwerk Poděbrady. Das ist nämlich eine der Einrichtungen, die tatsächlich nur am Tage des europäischen Kulturerbes zu besichtigen ist. Und das Kraftwerk ist gerade eines dieser Dinge, in die man normalerweise keinen Einblick hat. Konkret handelt es sich dabei um ein technisches Denkmal, das vor allem durch die dortigen Turbinen so besonders ist. Heutzutage sind sie sonst nicht mehr im Einsatz. Mich als Laien interessiert dabei ganz einfach, wie das Ganze von innen aussieht. Und besonders, wie früher Strom produziert wurde.“
Das Wasserkraftwerk in Poděbrady / Podiebrad wurde um 1923 von Ingenieur Antonín Engel erbaut. Es zählt damit zu den ältesten Bauwerken dieses Typs an der Elbe und in Tschechien. Zudem ist das Kraftwerk seit seiner Fertigstellung durchgehend in Betrieb.Auch dieses Jahr könne sie jedoch nicht nach Poděbrady kommen, bedauert Květa Vitvarová. Sie müsse ja beim feierlichen Start der Tage des europäischen Kulturerbes in Slavonice sein. Deswegen hoffe sie auch, dass die Betreiber des Wasserkraftwerks für sie an einem anderen Tag eine Sonderführung machen könnten.
Weben und Schnitzen: Hoher Stellenwert des Volkshandwerks
Zum kulturellen Erbe zählen aber nicht nur Klöster, Schlösser oder historische Fabrikgebäude. Auch das traditionelle Handwerk muss in diesem Sinne genannt werden. Bei der Eröffnung der Tage des europäischen Kulturerbes wird deswegen der Titel „Träger des traditionellen Volkshandwerks“ vergeben. Dazu müssen aber bestimmte Kriterien erfüllt sein. Květa Vitvarová:„Der Titel ‚Träger des traditionellen Volkshandwerks ‘ wird seit 2001 vom tschechischen Kulturminister verliehen. Seitdem ist die Verleihung ein fester Bestandteil der Eröffnungsfeierlichkeiten der Tage europäischen Kulturerbes in Tschechien. Damit ein Handwerker diesen Titel auch tragen darf, muss er zwei Grundvoraussetzungen erfüllen. Die erste ist, dass er auch tatsächlich eine Meisterprüfung in seinem Fach abgelegt hat. Zweitens muss er sich auch um den Nachwuchs kümmern. Er muss Lehrlinge in seiner Werkstatt beschäftigen.“
Die Tage europäischen Kulturerbes finden in ganz Tschechien von 3. bis 11, September statt. Einen genauen Veranstaltungsplan finden Sie auf der Webseite des Verbandes der historischen Residenzen in Böhmen, Mähren und Mährisch-Schlesien: http://www.historickasidla.cz/cs/dny-evropskeho-dedictvi/. Die Seite ist auch auf Deutsch verfügbar.
In diesem Jahr erhalten den Titel „Träger des traditionellen Volkshandwerks“ gleich zwei Meister. Einer von ihnen ist der Weber Josef Fidler, der seine Werkstatt in Hlínsko hat. Der andere ist Jiri Rücker aus Pečky / Petschek. Er hat sich dem Schnitzen von Lebkuchenformen verschrieben.