Spaziergang durch ein tschechisches Wien – Eine Fotoausstellung von Jan Krčmář
Favoriten – so heißt ein Stadtteil in Wien, der für Multikulti steht. Was heute viele nicht mehr wissen: Vor dem Ersten Weltkrieg sind vor allem Tschechen nach Wien emigriert. Der Hobbyfotograf Jan Krčmář hat sich in einer Bilderserie mit der tschechischen Vergangenheit der jetzt österreichischen Hauptstadt beschäftigt. Die Ausstellung kann man seit vergangenem Montag im Österreichischen Kulturforum in Prag sehen.
„Der Stadtteil Favoriten ist ein typischer deutsch-österreichischer Multikulti-Ort. Es ist natürlich kein glamouröser Ort, sondern die Gegend der unteren Mittelschicht. Favoriten ist immer ein bisschen ärmer gewesen und hat seit über 150 Jahren immer die Migranten angezogen. Man findet heute sehr viele Geschäfte, Kebab-Läden, Cafés, aber keine Boutiquen und Luxusgeschäfte.“
Die geringen Wohnkosten waren ein Grund, warum sich primär Migranten in diesem Stadtteil ansiedelten. Darüber hinaus gab es große Ziegelwerke, in denen die neuen Stadtbewohner auch gleich Arbeit fanden. Zu welcher Zeit sind denn die meisten Tschechen in Wien gewesen?„Vor dem Ersten Weltkrieg haben je nach Schätzungen zwischen 80 und 200 tausend Tschechen in Favoriten gelebt. Wien war damals von den Einwohnern her größer als heute. Es war die Hauptstadt der gesamten Donaumonarchie, aus der die Menschen hergezogen sind. Darunter besonders viele Tschechen.“
In Krčmářs Fotoausstellung begibt man sich auf Entdeckungsreise und besucht Wiener Plätze, die zu jener Zeit von den tschechischen Migranten geprägt waren. Dafür musste der Fotograf intensiv auf die Suche gehen, denn durch die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg ist fast alles verloren gegangen. Auf den Bildern sieht man zum Beispiel den Platz, wo einst die tschechische Schule stand, oder wo man Tabakwaren einkaufen konnte. Bis heute erhalten geblieben ist der Böhmische Prater. Von Größe und Umfang kommt er aber bei weitem nicht an den berühmten Wiener Wurstelprater heran.„Das ist eine kleine Straße mit ganz wenigen Ausstellern, mit zwei Gasthäusern und sehr wenigen Menschen. Der Böhmische Prater wurde rund um die Werkskantine der Ziegelwerke gegründet und heißt bis heute Böhmischer Prater. Das ist der letzte Ort in Favoriten, bei dem namentlich noch an die Tschechen erinnert wird.“Für die tschechische Zeitung ZEN sollte Krčmář im letzten Jahr eine Bilderserie anfertigen. Da er selbst in Wien aufgewachsen ist und nun in Prag lebt, wollte er gerne etwas über die Stadt seiner Kindheit machen. Doch dabei stellte sich vor allem eine Frage:
Die Fotoausstellung „Favoriten“ kann man noch bis zum 29. September im Österreichischen Kulturforum Prag am Jungmann-Platz besichtigen.
„Was kann ich einem tschechischen Publikum über Wien sagen? Dann hatte ich die Idee: Ich mache eine Reportage über Favoriten. Denn erstens ist es für Tschechen interessant. Zweitens wollte ich da schon immer einmal Zeit verbringen und drittens: Es war natürlich auch noch auf der Welle der gesamten Flüchtlingshysterie im letzten Jahr. Ich wollte meinen Teil dazu beitragen, die Tschechen daran zu erinnern, dass auch sie Flüchtlinge und Migranten waren. Sie zählten damals zu den Ärmsten der Flüchtlinge.“