Scheidender Direktor des Österreichischen Kulturforums: „Prag hat mich in den Bann gezogen“

Andreas Schmidinger

Andreas Schmidinger ist seit mehr als sechs Jahren Direktor des Österreichischen Kulturforums in Prag. Nun tritt der Diplomat in den Ruhestand. Martina Schneibergová hat mit ihm über seine Arbeit Prag gesprochen.

Herr Schmidinger, vor mehr als sechs Jahren sind Sie nach Prag gekommen, um das Österreichische Kulturforum zu leiten. Mit welchen Vorstellungen kamen Sie damals nach Tschechien?

„Ich war voll von Erwartungen und sehr großen Vorstellungen. Ich war mir bewusst, dass ich in einem Nachbarland von Österreich Kulturarbeit mache, wo wir in einer ganz besonderen Weise präsent sind, und war aber dann sogar positiv überrascht, festzustellen, wie intensiv doch die kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern sind. Meine Erwartungen sind in dieser Hinsicht übertroffen worden.“

Kann man sagen, dass Sie die Diplomatie sozusagen „in den Genen“ haben?

„Wenn Sie das so ansprechen – das stimmt. Auch mein Vater war im diplomatischen Dienst tätig. Er war Universitätsprofessor, Historiker und war 15 Jahre Direktor des Österreichischen Kulturinstitutes in Rom, das damals noch diesen Namen hatte. So hat es sich ergeben, dass ich in Rom aufgewachsen bin und im dortigen Kulturinstitut, dem jetzigen Kulturforum, das ich dann nach über 20 Jahren auch leiten durfte. Ich bin im Grunde mit diesem Metier aufgewachsen und im Besonderen in der Kulturdiplomatie. Ich sehe es als eine Fügung, dass ich bei meinen Auslandsverwendungen immer im Kulturbereich tätig war, interessanterweise aber nie im Inland.“

Ist es schwieriger, in einem Land tätig zu sein, zu dem Österreich sehr enge Beziehungen und auch eine gemeinsame Geschichte hat, als in einem weiter entfernten Land?

„Besonders positiv überrascht war ich, welchen Stellenwert die österreichische Kultur in diesem Land einnimmt und wie man uns diesbezüglich entgegenkommt.“

„Ich würde das differenziert sehen. In einem Land, das geografisch weit entfernt liegt, in dem es auch verschiedene Kulturkreise gibt und in dem aufgrund der geografischen Gegebenheiten unsere Beziehungen nicht so eng sind, kann es sich oft als sehr schwierig erweisen, Österreich kulturell und wissenschaftlich zu vernetzen. Es bedarf da oft einer geduldigen, langen Vorarbeit. Das Schwierige, aber auch das unheimlich Interessante an den Beziehungen zum Nachbarstaat ist die Komplexität der Beziehungen. Man kennt sich, man ist Nachbar. Und da gibt es unheimlich viele Anknüpfungspunkte.“

Hat Sie am Anfang Ihrer Tätigkeit in Tschechien etwas überrascht?

„Besonders positiv überrascht war ich, welchen Stellenwert die österreichische Kultur in diesem Land einnimmt und wie man uns diesbezüglich entgegenkommt. Ich hätte mir die Rolle und die öffentliche Präsenz des Österreichischen Kulturforums nicht in diesem Maße vorgestellt. Es hat mich unheimlich beeindruckt, dass wir als kleines Land, aber eben als Nachbarstaat, hier mit den sogenannten ,Großen‘ in einer Reihe stehen.“

Erinnern Sie sich an die erste Veranstaltung, die Sie in Prag mitorganisiert haben?

„Ja, ich erinnere mich an die erste Veranstaltung, die ich aber notgedrungen nicht alleine vorbereitet habe. Das war eine sehr beeindruckende Veranstaltung, es war eine Ausstellung zum Nachtasyl, jenem Lokal in Wien, das von tschechischen Dissidenten und Künstlern, die im Ausland gelebt haben, frequentiert wurde. Dort haben sich die Exiltschechen in Österreich ständig getroffen und ausgetauscht. Ein regelmäßiger Besucher im Nachtasyl war Karel Schwarzenberg, der kürzlich von uns gegangen ist. Die Bedeutung dieses Lokals unterstreicht, dass Václav Havel anlässlich seines offiziellen Besuches in Österreich ausdrücklich eine Programmergänzung gewünscht hat, im Rahmen derer sie ins Nachtasyl gefahren sind. Die Veranstaltung im September 2017 in Prag war eine Gruppenausstellung von Künstlern, die das Nachtasyl besucht haben. Die Ausstellung ist auf ein großes Interesse gestoßen.“

Das Programm des Kulturforums ist sehr vielfältig und umfasst viele Bereiche – von der Literatur, über die bildende Kunst bis hin zum Theater. Das Kulturforum ist bei einigen regelmäßigen großen Veranstaltungen wie beispielsweise der Prager Buchmesse oder dem Theaterfestival deutscher Sprache mit dabei. Gab es während Ihrer Tätigkeit in Prag etwas völlig Neues, was in diesen Jahren im Kulturbereich auf die Beine gestellt wurde?

„Ich sehe das Potenzial, dass sich das Filmfest auch Richtung Pilsen und Budweis entwickeln kann.“

„Ich würde sagen, es gibt drei sehr große regelmäßige Veranstaltungen, die wir haben. Ich spreche von drei Kooperationen mit dem Goethe-Institut und der schweizerischen Botschaft. Das von Ihnen angesprochene Theaterfestival deutscher Sprache war von jeher ein ganz bedeutendes und prestigeträchtiges Kulturereignis, das aus dem Prager Kulturkalender nicht wegzudenken ist. Es waren aber die beiden anderen Projekte, die sich in meiner Zeit – so konnte ich es beobachten – in ganz besonderer Weise entwickelt haben. Im letzten Jahr war das die 16. Ausgabe des Filmfestes, bei dem deutschsprachige Filme präsentiert werden. Am Anfang war das eine Veranstaltung, die zwei, drei Tage in einem zentralen Kino in Prag stattfand. In der Zwischenzeit ist es angewachsen. Das Festival findet eine Woche lang in verschiedenen Kinos in Prag statt und die Filme werden auch in Brünn und in Olmütz gezeigt. Ich sehe das Potenzial, dass sich das Festival auch Richtung Pilsen und Budweis entwickeln kann. Das sind Kulturevents, die nicht nur hier in Tschechien, sondern auch bei uns in Österreich einen dementsprechenden Widerhall haben. Das Dritte ist die jüngste Kooperation. Es ist die Literaturinitiative ,Das Buch‘, bei der jedes der beteiligten Länder bisher zwei Autoren eingeladen hat, die im Rahmen der Buchmesse aus ihren Werken gelesen haben und für Podiumsdiskussionen zur Verfügung standen. Das hat sich immer weiter und weiter entwickelt, sodass wir einen eigenen Stand bekommen haben, und was mich ganz besonders freut, ist, dass unsere Initiative ‚Das Buch‘ 2024 Ehrengast der nächsten Prager Buchmesse sein wird. Da ist also noch ein massives Steigerungspotenzial.“

Werden Sie Prag weiterhin treu bleiben, auch wenn Sie das Kulturforum nicht mehr leiten werden?

„Ja, auf jeden Fall. Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich privat in Prag gebunden bin und dass ich mich diesbezüglich ganz glücklich schätze. Es gab bisher immer eine Stadt, die mich unheimlich in den Bann gezogen hat – weil ich dort aufgewachsen bin und mir die Stadt vertraut war –, und das war Rom. Ich hätte mir das nicht vorstellen können, aber ich muss sagen, dass sich ein ähnliches Gefühl bei mir hier in Prag ergeben hat. Je länger ich hier wohne, desto besser gefällt mir die Stadt, weil sie mir einfach vertrauter ist. Und schon alleine auch deswegen, nicht nur aufgrund meiner privaten Konstellation, kann ich mich von dieser Stadt nicht ganz trennen und werde hier daher nach wie vor ein Standbein haben.“