Sissi, Alma Mahler und die Alpen – das deutschsprachige Filmfest 2023 in Prag
Am Donnerstag beginnt das „Filmfest“ in Prag. Dort werden herausragende neue Kino-Produktionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gezeigt.
Der Eröffnungsfilm des Festivals heißt zwar „Sisi & Ich“, ist aber kein klassischer Heimatschinken. Die Produktion ist eine fiktionale Neuinterpretation der Geschichte der österreichischen Kaiserin, in der die Hofdame Irma der Regentin nach Griechenland folgt. Es geht es um queere Liebe, aber auch um Drogenkonsum und Anorexie. Das „Filmfest“ beginnt am 19. und läuft noch bis zum 24. Oktober. Danach werden einige Produktionen auch in Brno / Brünn und Olomouc / Olmütz gezeigt.
Das Goethe-Institut, das Österreichische Kulturforum und die Botschaft der Schweizerischen Eidgenossenschaft arbeiten bei dieser Kulturveranstaltung zusammen. Seit das „Filmfest“ im Jahr 2006 ins Leben gerufen wurde, hat sich einiges verändert. Klára Arpa vom Goethe-Institut in Prag ist Gründungsmitglied des Festivals:
„Wir haben mit 100 Besuchern pro Festival angefangen. Das letzte Jahr hatten wir über 10.000 Zuschauer. Die drei Institutionen dagegen waren schon von Anfang an dabei. Die Kinos haben sich geändert. Wir haben im Kino Světozor angefangen und sind so nach zwei oder drei Jahren zu den Kinos Lucerna und Atlas gewechselt. Brünn war auch von Anfang an dabei. Die Anzahl der Filme hat sich nicht groß geändert. Wir haben schon gleich mit einer großzügigen Kinematografie angefangen. Unser Publikum mussten wir aber erst finden und dazu bringen, sich den deutschsprachigen Film anzuschauen.“
Das Festival zeigt die Produktionen in Originalfassung, mit tschechischen und englischen Untertiteln. Auch dadurch wendet sich das Festival an ein breites Publikum.
„Es hat sich herausgestellt, dass seit den letzten Jahren viele Expats unser Festival besuchen. Wir sehen oft gemischte Gruppen. Es sind etwa zwei Tschechen, und sie nehmen zwei ihrer deutschen Freunde mit, die hier Erasmus-Studenten sind. Unser Publikum ist wirklich bunt“, so Klára Arpa.
Die Veranstalter des Festivals bieten ebenfalls Vorführungen in Schulen an. Dort werden die Filme ebenfalls mit tschechischen Untertiteln gezeigt.
„Wir begleiten diese Schulvorführungen mit Arbeitsblättern und Debatten. Zum Teil gibt es auch Diskussionen mit den Hauptdarstellern. Das ist natürlich das Größte, wenn der Held von der Leinwand auf die Bühne steigt. Das ist für die Jugendlichen etwas Besonderes“, sagt Klára Arpa.
Zu einigen der regulären Vorführungen kommen ebenso Schauspieler oder Regisseurinnen. Die Zuschauer können ihnen nach dem Film Fragen stellen und mit ihnen diskutieren.
Koproduktionen und kommerzielle Erfolge
Das gesamte Festival ist thematisch unterteilt in fünf Sektionen. Dabei gibt es jedes Jahr auch neue Rubriken. Sebastian Halbauer vom Österreichischen Kulturforum erläutert:
„Uns ist aufgefallen, dass sich viele Filme, die auf dem ‚Filmfest‘ gezeigt werden, mit den Alpen auseinandersetzen oder sie in den Mittelpunkt rücken. Es gibt jedes Jahr verschiedene Kategorien, in die man unsere Filme einteilen kann. Daher haben wir den Alpen in dieser 17. Ausgabe des ‚Filmfests‘ eine eigene Rubrik geschenkt. Hier rückt das Gebirge in den Mittelpunkt. Da sind zum Beispiel Dokumentarfilme sowie Spielfilme enthalten, die sich mit den Alpen befassen oder sie als Schauplatz für spannende Geschichten wählen.“
Diese Rubrik heißt Alpenliebe. Aber nicht nur der Gebirgszug verbindet die drei Länder im Fokus. Einige Filme, die auf dem Festival gezeigt werden, sind zudem aus Kooperationen zwischen Produktionsfirmen mehrerer Ländern entstanden. So etwa der Film „Alma und Oskar“, der die Affäre von Alma Mahler und dem Künstler Oskar Kokoschka behandelt.
„Es ist sehr erfreulich, wenn Koproduktionen Teile des Filmfestivals werden. Zum Beispiel gibt es dieses Jahr den Film ‚Alma und Oskar‘. Das ist sogar eine Kooperation von vier Ländern, und zwar Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien. Das ist super und ein Paradebeispiel für das Filmfest“, sagt Halbauer.
Ausgewählt werden nicht nur Kooperationen. Die drei Institutionen suchen auch Filme explizit aus ihren jeweiligen Ländern aus. Dabei würden sie unter anderem auf verliehene Preise sowie auf kommerzielle Erfolge, unabhängige Filme und polarisierende Themen, berichtet Sebastian Halbauer. Eva Lockl von der Schweizerischen Botschaft erläutert weitere Kriterien:
„Das ist erstens die Qualität. Zweitens ist das Entstehungsjahr wichtig. Denn unser Anspruch ist natürlich, die aktuellsten Filme zu zeigen. Die meisten Filme sind entweder aus diesem oder dem vergangenen Jahr. Das ist uns enorm wichtig. Ein weiteres Kriterium ist, dass das Publikum in Tschechien angesprochen wird. Wir passen uns den Zuschauern an. Das meine ich nicht negativ. Aber wir wollen natürlich, dass das tschechische Publikum sich in dem Film wiederfindet und dass es von dem Film angesprochen wird.“
Und was macht das „Filmfest“ dieses Jahr besonders? Klára Arpa:
„In meiner Wahrnehmung ist dieser Jahrgang insofern speziell, dass wir ein sehr breites Angebot haben. Jeder findet da etwas. Es hängt immer auch davon ab, was in den jeweiligen Ländern in dem Jahr produziert wird und woraus wir dann aussuchen können. Ich freue mich, dass es uns dieses Jahr gelungen ist, ein tolles Gesamtbild zu präsentieren – von historischen Dramen über aktuelle Themen bis hin zu Komödien.“
Das empfehlen die Veranstalter
Für das Publikum kann es bei 26 Filmen natürlich schwierig sein, sich zu entscheiden. Radio Prag International hat die Veranstalter gefragt, welche Filme man aus ihren Ländern unbedingt gesehen haben muss. Sebastian Halbauer empfiehlt einen österreichischen Film:
„Meiner Meinung nach wäre der Film ‚Eismayer‘ ein Film, den die Zuschauerinnen und Zuschauer gesehen haben müssen. Er behandelt nämlich ein wichtiges Thema. Und zwar geht es um die problematischen Machtverhältnisse im Bundesheer und um den Protagonisten Eismayer, der da ein Doppelleben führt.“
Eva Lockl lobt den Beitrag „Reduit“, in dem ein entfremdeter Vater und sein Sohn in den abgelegenen Schweizer Bergen Urlaub machen. Außerdem legt sie den Zuschauern den Dokumentarfilm „Ruäch – eine Reise ins jenische Europa“ nahe. Klára Arpa empfiehlt hingegen gleich vier Programmpunkte aus Deutschland – neben „Sisi & Ich“ auch „Servus Papa“, „Frankie 5 Star“ sowie „Sonne und Beton“. Zu Letzterem sagt sie:
„Dies ist ein ganz dramatischer Film über Jugendliche Anfang des 20. Jahrhunderts in der Gropius-Stadt. Also eine Wahnsinnssiedlung in Berlin, die aber voll mit Drogengangs ist. Da gibt es eine heftige Jugendsprache, da geht´s heftig zu. Das ist ein Film, der in mir noch sehr lange gearbeitet hat.“
Um Beiträge für das Festival auszuwählen, mussten die Veranstalter viele Kino-Produktionen ihrer jeweiligen Länder sichten. Dabei sind ihnen mehrere Trends aufgefallen. Eva Lockl erläutert die Besonderheiten der schweizerischen Filmwelt und was sie beobachtet hat:
„In der Schweiz werden nicht nur Filme auf Deutsch produziert. Das ist nur ein Bruchteil. Es werden sehr viele Filme auf Italienisch oder Französisch gedreht. Es gibt zudem Filme auf Georgisch und in anderen Sprachen. Die Kinematographie in der Schweiz ist sehr weltoffen. Mir sind experimentelle Produktionen aufgefallen. Man sucht neue Filmformen und löst sich von der Handlung. Es geht mehr um den Film und die Filmsprache an sich. Außerdem setzt man sich viel mit dem alltäglichen Leben in der Schweiz auseinander. Die Schweiz und die Beziehungen zwischen den Menschen werden porträtiert.“
Sebastian Halbauer berichtet, dass in Österreich unabhängige Produktionen im Trend sind. Und Klára Arpa hat nicht nur für das „Filmfest“ Beiträge gesichtet, sondern war vor kurzem auch Teil der Jury des Chemnitzer Kinderfestival „Schlingel“. Sie sagt:
„Die prägnantesten Filme waren eher für Jugendliche. Die Hauptdarsteller sind um die 16 oder 17. Es gab etwa einen Roadmovie. Da geht es immer um Liebe, Freundschaft, Intimität, vielleicht auch Schuldgefühle. Das verbindet einige Filme. Was oft in deutschen Filmen zur Sprache kommt, ist die LGBTQ-Thematik, etwa Transgender. Alle möglichen Minderheiten werden berücksichtigt, und soziale Themen spielen auch mit hinein. Es gibt weniger Auseinandersetzung mit der Geschichte. Zum Beispiel behandeln nicht mehr so viele Filme den Weltkrieg. Die Filme blicken in die Zukunft. Die jungen Filmemacher behandeln aktuelle Themen, die das junge Publikum interessiert.“
Das „Filmfest“ läuft in Prag vom 19. bis 24. Oktober. Karten für die Filme können sowohl online über www.dasfilmfest.de, als auch an den Kassen der Kinos Atlas und Lucerna erworben werden. Das Festival bietet außerdem eine Fankarte für 333 Kronen (13,50 Euro) an, mit der man drei Beiträge seiner Wahl besuchen kann. Ende Oktober und Anfang November sind auch noch Vorführungen in Brünn und Olmütz zu sehen.