Kultur und Mentalität der Nachbarn: Erstes gemeinsames Kulturfestival von Passau und Budweis
Das südböhmische České Budějovice / Budweis und Passau in Bayern veranstalten erstmals ein gemeinsames Kulturfestival. Wie es dazu kam und was alles zu erleben sein wird, erfahren Sie im Folgenden.
Passau und Budweis haben einiges gemeinsam. Beide Städte sind von Flüssen geprägt, haben eine Universität und sind regionale Zentren. Und seit 1993 verbindet sie eine Partnerschaft. Nun rückt man in den kommenden zwei Wochen auch noch durch ein Festival näher zusammen. Es heißt Film.Kultur Passau & České Budějovice und startet am Freitag. Außer Kinovorführungen – wie sich aus dem Titel heraushören lässt – werden unter anderem auch Ausstellungen, Konzerte, Lesungen oder etwa ein Kochkurs geboten.
Anett Browarzik ist Kulturmanagerin für die Kooperation von Bayern und Böhmen und hat die Festivalplanungen geleitet. Im Interview für Radio Prag International betont sie, dass es etwas Vergleichbares für die Region Niederbayern-Südböhmen noch nicht gegeben habe. Und weiter:
„Seit kurzem besteht eine neue Projektstelle, die ich betreue: Kulturmanagement Bayern-Böhmen. Sie wird vom bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat gefördert. Und da wurde das Thema Kultur mitaufgenommen in das Beratungsbüro Niederbayern. Meine Aufgabe ist es, hier in der Region Niederbayern-Südböhmen die Kulturakteure zu grenzüberschreitenden Aktivitäten zu motivieren, sie zu beraten und auch in grenzüberschreitende Kulturveranstaltungen einzubinden. So ist die Idee des Festivals geboren worden.“
Allerdings war zu Beginn noch nicht geplant, dass auch Veranstaltungen in Budweis stattfinden. Denn am Anfang stand die Idee eines reinen Festivals tschechischer Filme in Passau.
„Es haben sich dann immer mehr Partner auch aus Budweis angeschlossen. Und weil Passau und Budweis auch Partnerstädte sind und die kulturelle Ebene noch ausbaufähig ist, haben wir beschlossen, ein gemeinsames Festival auf die Beine zu stellen. Ich denke, das ist perspektivisch durchaus zukunftsweisend, weil Budweis 2028 europäische Kulturhauptstadt sein wird und es schön wäre, wenn auch die Passauer einen Beitrag dazu leisten könnten“, so Browarzik.
In Budweis ist die Südböhmische Universität der Veranstaltungspartner. Markéta Ederová leitet dort das Germanistische Institut an der Philosophischen Fakultät. Sie verweist auf die bestehende Kooperation ihres Lehrstuhls mit dem entsprechenden Fachbereich an der Universität in Passau. Zum Beispiel können die Studierenden aus beiden Städten seit drei Jahren einen Doppelabschluss in der Germanistik machen. Gerade sei man dabei, die Kontakte zu intensivieren, sagt sie und fährt fort:
„Wir finden es sehr wichtig, dass solch ein Festival stattfindet. Das heißt, dass auch etwas im Bereich des gelebten studentischen Miteinanders geschieht – also nicht nur im Bereich der Lehre, in dem wir viele Veranstaltungen machen wie Workshops, gemeinsame Seminare und gemeinsame Exkursionen, sondern auch im außercurricularen oder außeruniversitären Bereich.“
Zwar sei eine Universität keine Kulturinstitution im engeren Sinn, aber man wolle eben mehr vermitteln als nur Sprache und Literatur, betont Ederová. Und so müsse die Beteiligung an dem Festival Film.Kultur Passau & České Budějovice auch verstanden werden:
„Es spielt mit hinein in das, was wir machen wollen. Wir versuchen hier, wie gesagt, auch außercurricular den Studierenden die Kultur und – damit einhergehend – die Mentalität des Nachbarn zu vermitteln. In unserem Fall ist das eher Bayern als ganz Deutschland.“
Germanistin Ederová hofft dabei wie Browarzik, dass das Festival keine Eintagsfliege sein wird. Auch sie verweist auf Budweis als Europäische Kulturhauptstadt.
Filme aus Tschechien
Der zentrale Teil des Festivals dauert zwei Wochen. In Passau gibt es dann fast jeden Tag eine Veranstaltung, bei der die tschechische Kultur im Mittelpunkt steht. Das Programm in Budweis ist hingegen bescheidener, mit zwei Filmen, einer Ausstellung und einer Lesung. Anett Browarzik erläutert:
„Es liegt ein bisschen an der Genese, dass die Budweiser zum einen später hinzugestoßen sind und zum anderen die Universität als Partner nicht die Kapazitäten hat, um ein größeres Programm auf die Beine zu stellen. Aber es wäre natürlich mein und unser aller Wunsch, das perspektivisch etwas auszubauen.“
Die Genese des Festivals bedingt zudem, dass der Schwerpunkt dieses ersten Jahrgangs auf Kino liegt. Insgesamt sechs tschechische Filme werden daher in Passau gezeigt und zwei deutsche in Budweis. Auch zur Eröffnung am Freitag in der bayerischen Dreiflüssestadt geht es natürlich vor die Leinwand.
„Als Eröffnungsfilm zeigen wir ‚Il Boemo‘ von Petr Václav über den Opernkomponisten Josef Mysliveček. Es ist ein Film, von dem wir hoffen, dass er in der Musikstadt Passau auf großes Interesse stoßen wird“, so Anett Browarzik.
Zwei weitere Filme setzen sich mit dem tschechisch-deutschen Zusammenleben auseinander, darunter etwa „Das letzte Rennen“ von Tomáš Hodan über den Deutschböhmen Emmerich Rath, der vor dem Ersten Weltkrieg an einem schicksalsträchtigen Skilanglaufrennen im Riesengebirge teilnahm.
„Dann haben wir zwei Filme, die so ein bisschen auch an Budweis erinnern, beispielsweise ‚Ab ans Meer‘ von Jiří Mádl. Der Regisseur stammt selbst aus Budweis und hat den Film vor der schönen Kulisse seiner Heimatstadt gedreht. Des Weiteren ist es die Doku ‚René – Gefangener der Freiheit‘ von Helena Třeštíková, die teilweise auch in der Region Südböhmen spielt“, so die Kulturmanagerin weiter.
Im Bereich Kino besteht zudem eine Zusammenarbeit mit der Miroslav-Ondříček-Filmakademie in Písek. Deswegen können sich die Kinobesucher auf ein Extra freuen:
„Wir zeigen vor jedem Hauptfilm noch einen Kurzfilm junger Regisseure eben aus dieser Filmakademie.“
In Budweis wiederum sind zwei Streifen aus Deutschland zu sehen. Konkret sind es die Eberhofer-Krimikomödie „Guglhupfgeschwader“ und der Streifen „13 Semester“, der Freuden und Nöte studentischen Lebens aufs Korn nimmt.
Vertreibung und Samtene Revolution
Doch das Festival bietet noch vieles Weitere jenseits der Kinosäle. So zum Beispiel eine Ausstellung, die bereits auf ein Jubiläum im kommenden Mai verweist. Denn dann wird an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren erinnert. In der Ausstellung „Die vertriebenen Kinder“ in der Europabücherei Passau geht es um diejenigen, die 1945 und 1946 in jungen Jahren die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei selbst erlebt haben. Anett Browarzik:
„Es ist eine Ausstellung, über die ich mich sehr freue, dass sie hierherkommt. Wir werden auch ein Autorengespräch mit Jan Blažek und Marek Toman haben, die hinter ihr stehen. Die Ausstellung setzt sich im weitesten Sinn mit dem Thema Migration auseinander – und gerade da arbeiten wir mit einer Gymnasialklasse zusammen, die sich die Ausstellung anschaut und ebenso zum Autorengespräch kommt. Da freue ich mich schon sehr drauf.“
Nicht fehlen darf auch Musik. So spielt der Jazz-Organist Jan Kořínek im Rahmen seines Trio-Projekts Groove Hitchhikers in Passau. Zudem gibt es Literatur, wenn Autor Jaroslav Rudiš sein Buch „Weihnachten in Prag“ vorstellt.
Anett Browarzik verweist aber noch auf eine zweite Ausstellung. Und die bezieht sich auf 35 Jahre Samtene Revolution in der damaligen Tschechoslowakei. Zu sehen sind dabei Fotos tschechischer Spitzenfotografinnen und -fotografen aus der Zeit von den ersten Demonstrationen im Jahr 1988 bis zum Ende des Abzugs der sowjetischen Truppen 1991. Ausstellungskuratorin Dana Kyndrová kommt zur Vernissage an diesem Sonntag. Sie werde dabei auch ihre Erinnerungen an den 17. November schildern, sagt Browarzik…
„Ich finde das auch deswegen so wichtig, weil diese Erinnerungen an die Samtene Revolution ebenso für Niederbayern von Bedeutung sind. Denn Tschechiens Weg nach Europa hat ja eigentlich unsere ganze Region verändert.“
In Budweis läuft ebenfalls eine Ausstellung im Rahmen des Festivals. Sie wurde bereits eröffnet, ist aber noch bis Ende November zu sehen. Der Titel lautet „Franz Kafka und Südböhmen“. Markéta Ederová:
„Mit der Ausstellung wollen wir eine Art Verortung eines ortslosen Werks zeigen. Das Werk von Franz Kafka ist ja schwer lokalisierbar. Aber unsere Literaturwissenschaftler hier von der philosophischen Fakultät, aber auch von der pädagogischen Fakultät, haben sich zusammen auf die Reise in die Werke Franz Kafkas begeben und nach Verortungen in Südböhmen gesucht. Sie haben dabei viel gefunden, sowohl im Werk als auch etwa in der Korrespondenz des Schriftstellers sowie in seiner Familiengeschichte.“
Diese wie die meisten anderen Veranstaltungen des Festivals sind im Übrigen kostenlos, inklusive den Filmen und den Konzerten. Ausgenommen sind solch spezielle Programmpunkte wie der Kochkurs zu Spezialitäten der böhmischen Küche am Mittwoch kommender Woche oder auch das Puppentheater für Kinder am Sonntag, 24. November.
Und Anett Browarzik weist abschließend noch auf einen Umstand hin:
„Ich möchte noch erwähnen, dass das ganze Festival unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters von Passau und der Oberbürgermeisterin von Budweis steht, was auch noch einmal die Bedeutung der Partnerschaft beider Städte unterstreicht.“
Mehr Informationen zum Festival und dem Programm finden sich unter anderem auf der Website der Volkshochschule Passau: https://www.vhs-passau.de/festival-filmkultur oder der Website der Beratungsbüros bayerisch-tschechischer Grenzraum: https://www.beratungsbueros.eu/festival-film-kultur-passau-ceske-budejovice/.