"Gesetzmäßigkeiten des Bienenlebens" - Geschichte vom Rand her betrachtet

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"Gesten der Versöhnung" heißt ein internationaler Kurzfilmwettbewerb, ausgeschrieben unter anderem vom Goethe-Institut und der deutschen Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". Filmstudenten werfen ihren ganz eigenen Blick auf die Wunden der Geschichte, 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Einer der tschechischen Teilnehmer ist Radek Tuma. Thomas Kirschner hat mit ihm gesprochen.

Eine neue Perspektive finden, die Geschichte von ihren Rändern her betrachten, das versucht der 28-jährige Radek Tuma in seinem Beitrag zu dem Filmwettbewerb. Nicht um Menschen geht es daher, sondern um Bienen.

"Ich habe mich gefragt, wie die anderen Lebewesen neben dem Menschen unter dem Zweiten Weltkrieg gelitten haben. Über die Menschen, die während des Krieges getötet wurden, gibt es Statistiken, über die Tiere wissen wir dagegen nur wenig. Und in einem Buch über Bienenzucht habe ich gefunden, dass die Verluste bei den Bienen in die Milliarden gegangen sind, und zwar gerade wegen der Auswirkungen des Krieges."

"Gesetzmäßigkeiten des Bienenlebens" heißt Tumas 15-Minuten-Film. Er berichtet von Bienenvölkern aus den Sudetengebieten. Als sich nach dem Krieg niemand um sie kümmerte, sind viele der Völker eingegangen. Die Konflikte zwischen Tschechen und Deutschen machten vor den Bienen nicht halt, auch wenn die menschliche Einteilung der Welt für sie keine Bedeutung hat.

"Für eine Biene gibt es keine Staatsgrenzen - sie lebt in einer völlig eigenen Welt, in der sie niemand bewacht. Die Menschen haben angefangen, ihre Form des Lebens auf alle anderen Arten zu übertragen, und zugleich leben sie trotzdem ein ganz eigenes Leben. Und ich fand es interessant, zu versuchen, das aus der Perspektive der Bienen zu sehen."

Etwa vier Jahre kann die Menschheit ohne Bienen überleben, schätzte Albert Einstein. Sie sorgen für rund 90 Prozent der Bestäubungen und damit für die Fortsetzung des Kreislaufs der Natur. Ein Film über das Leben der Bienen wird so auch zum Film über das Leben an sich - in diesem Fall im tschechisch-deutschen Grenzgebiet, 60 Jahre nach Kriegsende.

"Natürlich kann man das als Metapher sehen, schon deshalb, weil den Bienen dieser Film wohl egal sein wird. Ich drehe zwar über, aber natürlich nicht für die Bienen. Den Film sehen sich Menschen an, und die werden das natürlich auch auf sich selbst beziehen, das ist schon möglich. Aber als ich den Film gedreht habe, da habe ich vor allem über die Bienen nachgedacht, und darüber, was das für eigenartige Lebewesen sind."

Radek Tumas Film "Gesetzmäßigkeiten des Bienenlebens" wird gemeinsam mit den anderen tschechischen Beiträgen erstmals am kommenden Montag im Prager Goethe-Institut aufgeführt. Die Siegerfilme des Wettbewerbs "Gesten der Versöhnung" werden dann im Herbst des Jahres bei dem Internationalen Festival der Filmhochschulen München zu sehen sein.