„Kafkas Südböhmen“ – Auf den Spuren des Schriftstellers in Budweis

Das Foto von Franz Kafka an der Fassade des Arco-Cafés

Anlässlich des diesjährigen 100. Kafka-Jubiläums wird am 12. und 13. Oktober in Budweis ein Symposium veranstaltet. Martina Schneibergová hat mit dem Initiator, dem Historiker Mikuláš Zvánovec gesprochen.

Herr Zvánovec, Sie sind einer der Initiatoren und Veranstalter des internationalen Literatursymposiums mit dem Titel „Kafkas Südböhmen“. Welche Rolle spielte die südböhmische Region im Leben des Schriftstellers und wieweit ist diese Rolle bekannt?

Mikuláš Zvánovec | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Die Rolle Südböhmens für Franz Kafka beziehungsweise für die Literaten des Prager Kreises ist meines Erachtens eher weniger bekannt. Obwohl vielleicht in den Expertenkreisen schon wichtige Forschungsergebnisse vorhanden sind, bleiben diese der breiten Öffentlichkeit auch hier in Südböhmen unbekannt. Der Sinn dieses Symposiums ist es, eben diese Verbindungen zwischen der südböhmischen Region und dem Werk und Leben der Mitglieder des Prager Kreises zu präsentieren.“

Es handelt sich um ein internationales Symposium. Wer sind die Teilnehmer? Aus welchen Ländern kommen sie?

„Wir laden die Fachöffentlichkeit sowie auch die breite interessierte Öffentlichkeit ein, nicht nur aus der südböhmischen Region, sondern auch aus den Nachbarländern, vor allem aus Deutschland und aus Österreich. Jeder kann an dem Symposium teilnehmen. Wichtig ist nur eine rechtzeitige Anmeldung.“

Worauf konzentrieren sich die Literaturexperten, die die Vorträge halten?

Franz Kafka | Foto: Kateřina Ayzpurvit,  Radio Prague International

„Es geht um die einzelnen Orte in Südböhmen, an denen es eben Überschneidungen mit dem Prager Kreis gibt: ganz konkret beispielsweise um den Ort Planá nad Lužnicí, den Franz Kafka besucht hat und wo er an seinem bekannten Roman ,Das Schloss‘ gearbeitet haben soll. Ein weiterer Ort, über den die Rede sein wird, ist Osek. Kafkas Vater, Hermann Kafka, wurde dort geboren und hatte dort seine Wurzeln. Wir werden nicht nur das Geburtshaus von Hermann Kafka sehen, sondern auch das Schloss Osek, beziehungsweise den jüdischen Friedhof, auf dem auch die Vorfahren von Franz Kafka bestattet sind. Ein weiterer Ort, mit dem wir uns während des Symposiums beschäftigen werden, ist Zvonková, auf Deutsch Glöckelberg, im Böhmerwald. Dort lebte einige Jahre lang der Schriftsteller Johannes Urzidil, auch ein bekanntes Mitglied des Prager Kreises. In Glöckelberg ließ sich Urzidil nieder, nachdem er nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland 1933 aus dem diplomatischen Dienst entlassen worden war. Außer Glöckelberg, Planá nad Lužnicí und Osek wird auch von Gmünd die Rede sein, wo Franz Kafka Milena Jesenská getroffen hat. Auch dazu gibt es einen Beitrag beim Symposium.“

Ein Sondertreffen in Glöckelberg findet jedoch noch vor dem Symposium statt…

„Ja, genau. Unser Programm besteht aus drei Teilen. Der erste Teil findet schon am 5. Oktober in Glöckelberg statt. Es ist ein Tagesprogramm, bei dem wir uns mit dem Leben und Werk von Johannes Urzidil beschäftigen. Im Rahmen von Führungen durch das Museum und die Kirche und bei einem Lichtbildvortrag präsentieren wir Urzidils Aufenthalt in Glöckelberg sowie die Geschichte dieses untergegangenen Grenzortes.“

Kommen wir noch auf das Kafka-Symposium zurück. Es findet an einem besonderen Ort statt, in der Villa Kende in Budweis. Damit bekommen die Teilnehmer auch die Möglichkeit, dieses Baudenkmal kennenzulernen. Wer war der Besitzer der Villa?

Villa Kende in Budweis | Foto: Mikuláš Zvánovec

„Die Villa Kende bietet wirklich einzigartige Räumlichkeiten. Wir sind besonders froh, dass wir unser Symposium dort abhalten können. Es handelt sich um eine Villa, die im Jahre 1920 erbaut wurde und mit dem Schicksal der jüdischen Familie Kende verbunden ist. Fast alle Familienmitglieder wurden während des Zweiten Weltkrieges in den Konzentrationslagern ermordet. Nur der Musiker Rudolf Kende überlebte den Holocaust. Er lebte noch eine gewisse Zeit in der Villa. Später diente das Haus verschiedenen staatlichen Institutionen. Eine gewisse Zeit lang befand sich dort eine Arztpraxis. Die Villa wurde vor kurzem unter Denkmalschutz gestellt, und die Stadt Budweis hat das wertvolle Haus gekauft. Seit dem letzten Jahr werden dort kleinere Kulturveranstaltungen organisiert. Es ist eine wunderbar erhaltene Villa aus der Zeit der Ersten Republik. Das Erdgeschoss ist sehr gut erhalten. In der NS-Zeit wurden die Kellerräume als Gefängnis benutzt.“

Mit wem arbeiten Sie bei den Vorbereitungen des Symposiums zusammen?

„Wir haben das Projekt so zusammengestellt, dass wir möglichst viele Partner einbinden können, die sich nicht nur unbedingt für die Kafka-Themen interessieren, sondern auch für die internationale Zusammenarbeit als solche, also im Sinne Südböhmen, Österreich, Deutschland. Zu unseren Partnern gehören zum Beispiel der Adalbert-Stifter-Verein in München und das Literaturfestival Šumava Litera. Von der österreichischen Seite arbeitet das Kulturfestival Übergänge – Přechody in Gmünd und České Velenice mit uns zusammen. Weitere Partner sind das Museum Fotoatelier Seidel in Krumau, das Goethe-Zentrum in Budweis und der Dreiländerverein in Budweis. Das sind die Hauptpartner. Die Veranstaltung findet mit der Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds statt, im Rahmen der Plattform Kafka 2024, und das Symposium wird auch im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Budweis 2028 veranstaltet. Bei diesem Projekt ist es uns gelungen, eine Vernetzung auf internationaler Ebene auf die Beine zu stellen, was auch für die Zukunft des Dreiländervereins sehr hoffnungsvoll ist.“

Das Literatursymposium „Kafkas Südböhmen“ findet am 12. und 13. Oktober in Budweis statt. Wer an dem Symposium teilnehmen möchte, kann sich an den Veranstalter wenden. Die Mailadresse lautet: [email protected].

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