Kafka, Historiendrama und Schweizer Satire: Das deutschsprachige Filmfest in Prag
Am Mittwoch kommender Woche (16. Oktober) wird in Prag das deutschsprachige „Filmfest“ eröffnet. Gezeigt wird eine Auswahl der interessantesten Kino-Produktionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Organisiert wird das Festival vom Österreichischen Kulturforum in Prag, dem Goethe-Institut in Prag und der Schweizer Botschaft in Tschechien. Sebastian Halbauer ist im Kulturforum für die Veranstaltung verantwortlich. Martina Schneibergová hat mit ihm über das Programm des Filmfests gesprochen.
Herr Halbauer, das Filmfest findet jetzt zum 18. Mal statt. Zu Anfang wurde nur eine verhältnismäßig kleine Auswahl von Filmen aus allen deutschsprachigen Ländern gezeigt. Im Laufe der Jahre hat sich das Filmfest aber zu einem hierzulande renommierten Festival entwickelt. Wie sehen Sie das?
„Wir sind jetzt schon seit fast zwei Jahrzehnten dabei und mit knapp 9000 Besucherinnen und Besuchern jedes Jahr ein Fixpunkt im Kulturherbst in Prag, Brünn und dieses Jahr auch in Olmütz. Das Filmfest hat sich natürlich auch um einiges weiterentwickelt. Dieses Jahr haben wir 22 Filme aus Österreich, Deutschland und der Schweiz für das tschechische Publikum vorbereitet und freuen uns sehr über eine große Vielfalt an Themen. Wir haben im Zuge des 100-jährigen Todestages von Franz Kafka den Film ,Die Herrlichkeit des Lebens‘ als Eröffnungsfilm vorbereitet, Regisseur Georg Maas wird auch bei der Eröffnung vor Ort sein.“
Kommen noch weitere Gäste nach Prag zu den Filmvorstellungen?
„Dieses Jahr haben wir insgesamt 14 Gäste beim Filmfest. Und zwar kommt zum Beispiel der Regisseur des Films ,Führer und Verführer‘. Aber auch der Hauptdarsteller des Films ,Rikkel, Musik is höchstens a Hobby’ hat sich angekündigt. Es ist der Liedermacher Voodoo Jürgens, der mit seiner Rolle als Hauptdarsteller in dem Film diverse Preise gewonnen hat, unter anderem auch den österreichischen Schauspielpreis für die beste männliche Hauptrolle. Es kommen zudem weitere Regisseurinnen und Regisseure wie zum Beispiel das Duo von ,Vini Vidi Vici‘, bestehend aus Daniel Höschel und Julia Niemann, aber auch Eline Doenst, die Hauptdarstellerin im Film ,Jonja‘ und ebenso die Regisseurin Anika Mätzke.“
Gezeigt wird auch der österreichische Kandidat für den Oscar. Können Sie den Film vorstellen?
„Wir sind sehr erfreut darüber, den Film ,Des Teufels Bad‘ im diesjährigen Programm des Filmfests zu haben. Es ist ein düsteres Historiendrama, das die Zuschauer und Zuschauerinnen in die österreichische Provinz des Jahres 1750 entführt. Der Film, inszeniert vom Regie-Duo Veronika Franz und Severin Fiala, basiert auf wahren Begebenheiten und beleuchtet ein wenig bekanntes Kapitel der europäischen Geschichte. Der Film hat bereits diverse Preise im deutschsprachigen Raum gewonnen. Die meisten Nominierungen des österreichischen Filmpreises haben sich dann auch zu Gewinnen entwickelt. Und das ist eben der österreichische Film, der sich für kommendes Jahr bei den Auslands-Oscars behaupten wird.“
Unter den Filmen aus der Schweiz gibt es einen besonderen Satire-Film…
„Ja ,Bon Schuur Ticino‘ ist ein ganz interessanter Film, eine Komödie mit Spionage-Elementen aus der Schweiz. Die Handlung dreht sich um ein absurdes Referendum, bei dem beschlossen wird, dass nur noch Französisch als offizielle Landessprache erlaubt ist. Dies führt dann zu einem Schock bei der deutsch- und italienischsprachigen Schweizer Bevölkerung und löst eine Kette verrückter Ereignisse aus, die schließlich in einem patriotischen Konflikt enden. Es ist auf jeden Fall eines der Highlights unseres Programms dieses Jahr. Ein weiterer Film aus der Schweiz, ,Lubo‘, ist ein kraftvolles und bewegendes Drama. Der Film überzeugt durch seine historische Relevanz und seine emotionale Tiefe. Er bietet eindrucksvolle Auseinandersetzungen mit der oft verdrängten Geschichte der Schweiz und den Jenischen und lädt zum Nachdenken über soziale Gerechtigkeit und auch über historische Aufarbeitung ein.“
Jedes Jahr werden auch Vorstellungen für Schulklassen organisiert. Gibt es sie auch in diesem Jahr?
„Wir sind super erfreut über das große Interesse an Schulvorführungen. Und die bieten wir meist vormittags vor den klassischen Vorführungen. Wir haben dieses Jahr auch eine tolle Sammlung an Filmen für Schülerinnen und Schüler mit Begleitprogramm für pädagogische Zwecke vorbereitet.“
Bestandteil des Festivals ist diesmal auch ein Industry Programm. Wer sind die Teilnehmer, welche Gäste kommen nach Prag?
„Wir haben dieses Jahr das erste Mal eine ganz besondere Ergänzung zum Festival, das sich an Filmschaffende, Branchenprofis sowie auch Interessierte richtet. Und zwar bieten wir eine Plattform für Austausch, Diskussion und Weiterbildung zu sehr relevanten Themen in der Filmwelt an. Wir haben zwei Podiumsdiskussionen organisiert. Und zwar findet am 18. Oktober eine Podiumsdiskussion zum Thema ,Frauen in der Filmwelt und Gleichstellung‘ statt sowie am nächsten Tag eine Podiumsdiskussion zur Nachhaltigkeit in der Filmwelt. Und da haben wir ebenso ganz interessante Gäste eingeladen, von Produzent*innen über Kulturmanager*innen zu Leiter*innen von Distributionen und Filmverleihen. Unter ihnen sind die Leiterin des Schweizer Verleihs First Hand Films, Nicole Biermeier, die Wiener Kulturmanagerin und Kuratorin von Vienna Shorts, Maria Milovanovic, und die Film- und Kunstdramaturgin Cornelia Herrmann.“
Mit wem arbeiten Sie bei den Festivalvorbereitungen zusammen?
„Das Filmfest ist ein Produkt einer sehr engen Zusammenarbeit der drei deutschsprachigen Kulturinstitutionen im tschechischen Raum, bestehend aus dem Goethe-Institut, das natürlich für die deutschsprachigen Filme zuständig ist, der Schweizer Botschaft in der Tschechischen Republik, die die schweizerischen Filme übernimmt, und dem Österreichischen Kulturforum Prag, das sich um die österreichischen Filme kümmert. Wir arbeiten schon seit Anbeginn des Filmfestes zusammen, vertiefen unsere Stärken gegenseitig und kommen auf den gemeinsamen Nenner des deutschsprachigen Films. Wenn es dann um die Ausstrahlung geht, arbeiten wir dieses Jahr mit zwei ganz tollen Kinos in Prag zusammen: traditionell mit dem Kino Lucerna, das ein wichtiges Kino im tschechischen Raum mit einer langen Historie und einem ganz großen kulturellen Einfluss ist, aber auch zum ersten Mal mit dem Edison Film Hub. Somit bieten wir die perfekten Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Festival.“
Wir haben bisher nur über Prag gesprochen, aber das Festival findet anschließend auch in Brünn und dann in Olmütz statt. Und in Olmütz hat das einen speziellen Aspekt…
„In Brünn sind wir im Kino Art vertreten, das frisch renoviert wurde. Und in Olmütz sind wir in einem ganz untypischen Kino vertreten – im Kino Central, das jetzt mittlerweile Teil des Olmützer Kunstmuseums ist. Dieses Jahr findet in Olmütz auch die ,Österreichische Saison‘ statt. Dementsprechend haben wir uns dort auf eine besondere Konzentration auf den österreichischen Film geeinigt. Dabei kann man sich auf den Eröffnungsfilm ,Persona Non Grata‘ freuen. Der österreichische Streifen behandelt die österreichische MeToo-Bewegung im Skisport.“
Das Filmfest findet in Prag vom 16. bis 20. Oktober statt, in Brünn vom 22. bis 26. Oktober und in Olmütz vom 1. bis 5. November. Auch dieses Jahr lässt sich ein Festivalpass erwerben.