Das Filmfest 2022 – Science Fiction, Emanzipation und Spionage

Nächste Woche startet das deutschsprachige Filmfest in Prag. Dort werden jedes Jahr interessante Filme aus dem deutschsprachigen Raum gezeigt.

Vom Raumschiff aus beobachten, wie die Welt untergeht. Das können Zuschauer im Science-Fiction-Drama „Rubikon“. Der österreichische Streifen ist eine von 34 deutschsprachigen Produktionen beim diesjährigen Filmfest in Prag. Man wolle aber nicht nur ein deutschsprachiges Publikum ansprechen, erläutert Sarah Polewsky vom österreichischen Kulturforum, das die Veranstaltung mitorganisiert:

„Das Festival richtet sich bewusst nicht nur an Deutschlernende. Natürlich kommen dennoch oft Leute, die über Deutschkurse von unserem Festival erfahren. Außerdem sind wir immer wieder überrascht, wie viele Schulklassen das Filmfest besuchen, während sie in Prag auf Klassenfahrt sind. Unsere Zielgruppe ist aber ein tschechisches Publikum mit Interesse an Filmen aus dem deutschsprachigen Raum – unabhängig von der Sprache.“

Deswegen sind alle Filme wie jedes Jahr mit tschechischen Untertiteln versehen. Für eine thematische Orientierung wurden die 34 Filme in fünf Sektionen unterteilt. „Rubikon“ beispielsweise gehört zur jährlich wiederkehrenden Sektion „Filmfest Spezial“.

„Dort werden die aktuellsten Filme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vorgestellt – quer durch alle Genres. Es sind Kostümfilme und Literaturadaptionen dabei, aber auch Filme nach aktuellen Gegebenheiten und Independent-Produktionen. Ein Beispiel dafür ist der Film ‚Korsett‘ über die österreichische Kaiserin Sissi. Dabei handelt es sich um die Geschichte einer unglücklichen Ehe und der Befreiung der Frau für mehr Eigenständigkeit“, so Polewsky.

Das titelgebende Korsett steht in diesem modernen Historienfilm sinnbildlich für die Gefangenschaft in der Ehe. Vicky Krieps überzeugt in einer zeitgemäßen Darstellung der Kaiserin Sissi.

Anders als „Filmfest Spezial“ haben die weiteren Sektionen des Festivals thematische Schwerpunkte. So zum Beispiel die Liebe und das Zusammenleben…

„Eine zweite Sektion heißt ‚Beziehungsweise‘. Dort geht es um Freundschaft, Liebe und Familienbande, um die ewige Suche und die Proben, die einen im Leben erwarten. Das alles wird mit viel Gefühl und Humor serviert. Hier könnte ich als Beispiel ‚Liebesdings‘ von der Star-Regisseurin Anika Decker nennen. Sie wird ihren Film selbst in Prag vorstellen“, fasst Sarah Polewsky zusammen.

Nicht nur Anika Decker, sondern auch viele weitere Regisseure und Schauspieler kommen als Gäste zum Filmfest. Schon beim Screening des Eröffnungsfilms „Nahschuss“ ist Regisseurin Franziska Stünkel anwesend, um Fragen zu beantworten.  „Nahschuss“ spielt im geteilten Deutschland. Lars Eidinger verkörpert darin den Protagonisten Franz Walter, der in Westberlin für den Auslandsgeheimdienst der DDR spioniert. Weil er seine Agententätigkeit beenden will, begibt er sich tiefer und tiefer in einen erbarmungslosen Kampf mit den beiden Systemen.

Hommage an Reiner Werner Fassbinder

Ein besonderes Augenmerk liegt dieses Jahr auf dem Gesamtwerk der deutschen Filmlegende Rainer Werner Fassbinder. Das Festival widmet ihm eine eigene Sektion. Tomáš Moravec ist Pressesprecher des Goethe-Instituts in Prag:

„Rainer Werner Fassbinder war ein genialer Schöpfer, Regisseur und Schauspieler. Vor 40 Jahren ist er verstorben. Wir möchten auf dieses Jubiläum aufmerksam machen und an seine Arbeit aus 37 schöpferischen Jahren erinnern. Wir zeigen deswegen ‚Berlin Alexanderplatz‘, die vierzehnteilige Serie, die 1980 für die ostdeutschen Kinos entstanden ist. Zum ersten Mal wird sie nun auf der tschechischen Leinwand präsentiert – 390 Minuten lang und voll digitalisiert.“

Eine weitere Spezialveranstaltung ist unter dem Titel „der Kontakt“ für die brancheninternen Besucher des Filmfestes geplant. Sarah Polewsky

„Auf Englisch werden wir dort über die deutsch-österreichisch-schweizerischen Connections für tschechische Filmemacher sprechen. Zum Beispiel wie man eine erfolgreiche Koproduktion startet. Dabei geht es auch um Filmförderungen“, sagt Sarah Polewsky.

Außerdem wird es auch dieses Jahr wieder besondere Schulaufführungen geben, um den interessierten Klassen den Besuch zu erleichtern. Insgesamt sind die Veranstalter zufrieden mit der Entwicklung des Filmfestes…

„Das Festival hat sich seit dem ersten Jahr 2006 schon sehr weiterentwickelt. Es ist insgesamt viel größer geworden. Wir sind dieses Jahr in drei Städten vertreten: neben Prag ebenso in Brünn – im Kino Art – und erstmals auch in Olmütz. Dort steht das Filmfest in Verbindung mit den deutsch-tschechischen Kulturtagen“, so die Projektkoordinatorin vom Österreichischen Kulturforum.

Am 20. Oktober startet das Filmfest in Prag in den Kinos Atlas, Lucerna und Ponrepo. Neu ist in diesem Jahr eine sogenannte Fankarte. Mit dieser können für 300 Kronen drei Filme nach Wahl besucht werden.

Weitere Informationen zum Programm finden Sie unter www.dasfilmfest.cz. Die Eintrittspreise können Sie den Internetseiten der einzelnen Kinos entnehmen.

Autor: Leon Iselt
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