Gegen Konventionen – 15. Jahrgang des deutschsprachigen Filmfests in Prag und Brünn

Am kommenden Mittwoch wird in Prag „Das Filmfest“ eröffnet. Bei dem Festival werden insgesamt 30 deutschsprachige Filme gezeigt.

Sarah Polewsky und Klara Arpa | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Eine Auswahl der aktuellsten Filme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – das bietet das Festival deutschsprachiger Filme. Zu den Streifen gehören auch preisgekrönte Produktionen sowie Dokumentarfilme. Das Programm wurde in vier Sektionen geteilt. Dazu Sarah Polewsky vom Österreichischen Kulturforum:

„In diesem Jahr gibt es wieder traditionell die Sektionen ‚Filmfest Spezial‘ und ‚Die Doku‘. Thematisch bieten wir die Sektionen ‚Nö!‘ und ‚Familiensache‘. Zudem zeigen wir im Kino Ponrepo eine Retrospektive von Werner Herzog.“

Film „Nö“ | Foto:  Film Servis Festival Karlovy Vary

Die Sektion „Nö!“ sei vom Titel des gleichnamigen Films von Dietrich Brüggemann inspiriert, erläutert Sarah Polewsky. Dieser gewann im Sommer beim Festival in Karlovy Vary / Karlsbad den Preis für die beste Regie:

„Er hat uns inspiriert, zu sagen, wozu man Nein sagen sollte. Es gibt viele Momente im Leben und auch in den Geschichten, die die Filme dieser Sektion erzählen, in denen man sich seinem Umfeld widersetzen muss. Man muss dann Nein zu Konventionen und zu Vorurteilen sagen oder manchmal vielleicht auch zu sich selbst, zu bestimmten Mustern, die eingefahren sind. In dieser Sektion haben wir zum Beispiel zwei Filme, die sich mit den dunklen Kapiteln aus der jüngeren Schweizer Vergangenheit befassen. Der eine heißt ‚Stürm: Bis wir tot sind oder frei‘. Er erzählt die Geschichte von Walter Stürm, der Ausbrecherkönig war und in den 1970er und 1980er Jahren für bessere Haftbedingungen, vor allem gegen die Einzelhaft und gegen die Polizeigewalt gekämpft hat. Der zweite Film heißt ‚Moskau Einfach!‘ Da geht es um den sogenannten ,Fischenskandal‘ – um die Bespitzelung von Schweizer Bürgern durch den Staat.“

Blockbuster und unabhängige Produktionen

Der österreichische Film „Waren einmal Revoluzzer“ von Regisseurin Johanna Moder wird ebenfalls im Rahmen der Sektion „NÖ!“ gezeigt. Schauspieler Marcel Mohab wird diese Filmkomödie in Prag vorstellen. Er spielt zudem in einem weiteren Festivalfilm – dem österreichisch-schweizerischen „Lovecut“. Mohab ist einer der vielen Festivalgäste. Sarah Polewsky:

„Wir haben zahlreiche Gäste in diesem Jahr und hoffen, dass alle kommen. Aus der Schweiz wird zum Beispiel Regisseur Oliver Rihs seinen Film ,Stürm: Bis wir tot sind oder frei‘ vorstellen. Einen Gast haben wir auch online: Micha Lewinsky stellt seinen Film ‚Moskau Einfach!‘ vor. Das Regisseurduo Daniel Hoesl und Julia Niemann wird über ihre Doku ‚Davos‘ diskutieren. Regisseur Sebastian Brauneis und die Schauspielerin Marlene Hauser stellen die leichte Sommerkomödie ‚3Freunde2Feinde‘ vor. Aus Deutschland kommen Sebastian Blomberg und Michael Wittenborn zum Eröffnungsfilm ‚Curveball – Wir machen die Wahrheit‘. Sie werden auch mit dem Publikum diskutieren. Nach jedem Film gibt es die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Wir laden alle herzlichst ein, diese Gelegenheit zu nutzen.“

In der Sektion „Filmfest Spezial“ werden Sarah Polewsky zufolge jedes Jahr sowohl Kino-Werke gezeigt, die Blockbuster sind, als auch unabhängige Produktionen, die visuell oder thematisch herausragen und spannend ist. Die Expertin:

Film ‚Curveball – Wir machen die Wahrheit‘ | Foto: Filmwelt

„Dazu gehören zum Beispiel der Eröffnungsfilm ‚Curveball – Wir machen die Wahrheit‘, ‚Enfant Terrible‘ von Oskar Roehler über Starregisseur Rainer Werner Fassbinder oder die Sommerkomödie ‚3Freunde2Feinde.‘ Alles steht übrigens auf unserer Webseite.“

Werner-Herzog-Retrospektive

Klara Arpa vom Prager Goetheinstitut macht auf eine spezielles Element des Filmfests in diesem Jahr aufmerksam:

Werner Herzog | Foto: Nicolas Genin,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0

Geplant ist eine Retrospektive von Werner Herzog. In Zusammenarbeit mit dem Kino Ponrepo des Nationalen Filmarchivs haben wir uns auf die Dokumentarfilme dieses ikonenhaften Regisseurs konzentriert. Wir zeigen aber auch den legendären Fitzcarraldo mit Claudia Cardinale und Klaus Kinski in den Hauptrollen. Dieses Werk von Herzog ist hierzulande zweifelsohne bekannt. Wir bieten jedoch etwas Besonderes, weil wir den Film auf einer 35-Millimeter-Kopie zeigen, also einer Archivkopie aus dem Nationalen Filmarchiv.“

Die Veranstalter des Filmfestes haben auch in diesem Jahr an tschechische Schulklassen gedacht. Das Interesse an den Vorstellungen sei sehr groß, merkt Sarah Polewsky an:

„Wir haben auch da Gäste, die nach dem Film für Fragen zur Verfügung stehen und mit der Organisation ‚Antikomplex‘ zusammenarbeiten. Diese bereitet die Diskussionen mit den Schülern vor.“

Im vergangenen Jahr musste das Filmfest wegen der Corona-Pandemie ausfallen…

„Aus dem Grund war im Februar eine Auswahl von sieben Filmen online zu sehen. Wir haben uns sehr gefreut über die große Resonanz. In dieser einen Woche konnten wir über 2000 Zuschauer verbuchen. Sicherlich ist online eine gute Ergänzung zu den Vorstellungen in den Kinosälen, weil wir uns auf die großen Städte Prag und Brünn konzentrieren, und so auch die Menschen in den Regionen die Möglichkeit haben, an unserem Festival teilzunehmen. Wir freuen uns aber, wenn die Leute wieder den Weg in die Kinos finden und aus der Online-Lethargie rauskommen.“

Das Filmfest findet in Prag vom 20. bis 26. Oktober und in Brünn vom 2. bis 7. November statt.

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