Einstiges Eiskunstlauf-Wunderkind Eva Romanová wird 70

Eva Romanová und Pavel Roman (Foto: Dutch National Archives, CC BY-SA 3.0 NL)

„Sie waren einfach Superklasse! Wenn sie auf dem Eis gelaufen sind, dann hat ihnen die ganze Nation vor den Schwarz-Weiß-Fernsehern zugeschaut.“ Die Rede ist von den Geschwistern Pavel Roman und Eva Romanová, die in der ersten Hälfte der 1960er Jahre das weltbeste Paar im Eistanz waren. Ihr Leben nach der aktiven Sportkarriere führte sie weit in die Welt hinaus, deshalb gerieten sie hierzulande nahezu in Vergessenheit. Pavel kam bei einem Autounfall ums Leben, seine drei Jahre jüngere Schwester Eva aber steht jetzt vor einem Jubiläum – am Mittwoch feiert sie ihren 70. Geburtstag. Für den Tschechischen Rundfunk hat die Jubilarin jüngst auf Ihre aktive Karriere zurückgeblickt.

Eva Romanová und Pavel Roman  (Foto: Bundesarchiv,  Bild 183-A1118-0005-001 / CC-BY-SA 3.0)
Man nannte sie hierzulande nur „Unsere Kinder“. Denn als Pavel Roman und Eva Romanová 1962 im heimischen Prag ihre erste WM-Goldmedaille im Eistanz gewannen, da war er 19 und sie gerade erst 16. Doch sie verzauberten im Nu die Eiskunstlauffreunde und verblüfften die Fachjury. Die insgesamt 15.000 Glückspilze, die sich in das randvolle Eisstadion auf der Hetzinsel (Na Štvanici) zwängten, sahen eine mitreißende Kür der beiden Geschwister, gekrönt mit der Goldmedaille. Vor ihren Augen war ein außergewöhnlich talentiertes Eistanzpaar aufgetreten, das danach noch drei weitere WM-Titel in Folge erobern sollte. Eva Graham-Romanová meint heute, dass ihnen damals auch die Preisrichter sehr gewogen waren:

Eva Romanová und Pavel Roman  (Foto: Dutch National Archives,  CC BY-SA 3.0 NL)
„Ich habe den Eindruck, dass wir das Glück gehabt haben, von den Preisrichtern nie benachteiligt worden zu sein. Im Gegenteil. Es war einige Male so, dass wir mit der von uns gezeigten Kür nicht ganz zufrieden waren. Dann haben wir uns vorgehalten, was wir hätten besser machen können. Zu unserer angenehmen Verwunderung zückten die Preisrichter aber hohe Noten für uns. Von daher denke ich, wir hatten in dieser Hinsicht Glück.“

Dieses Glück aber hatten sich die Geschwister Roman hart erarbeitet. Pavel und Eva wurden 1943 beziehungsweise 1946 in Olomouc / Olmütz geboren. Ihr sportbegeisterter Vater lehrte ihnen von Kindesbeinen an, sich viel zu bewegen und sich abzuhärten. Dazu widmete er seinen Kindern auch den Großteil seiner Freizeit. Deshalb sah man die Drei im Sommer oft beim Wandern, Radfahren und Schwimmen oder aber im Winter beim Ski- und Eislaufen. Doch wie kam es, dass sich die beiden Geschwister dann auf das Eiskunstlaufen spezialisierten? Eva Graham-Romanová erinnert sich:

„Wir kamen zum Eiskunstlaufen rein zufällig. Unser Vater hielt uns zum Sport an, damit wir uns sinnvoll beschäftigen, stets irgendein Ziel vor Augen haben, anstatt durch die Straßen streunen. Es zeigte sich, dass uns das Eislaufen wohl am besten liegt.“

„Meines Erachtens ergab sich das rein zufällig. Unser Vater hielt uns zum Sport an, damit wir uns sinnvoll beschäftigen, stets irgendein Ziel vor Augen haben, anstatt durch die Straßen streunen. Es zeigte sich, dass uns das Eislaufen wohl am besten liegt. Hinzu kam, dass Pavel im Eiskunstlaufklub in Olmütz nur wenige Jungen um sich hatte. Da kam meine Mutter auf die Idee, er solle doch Paarläufer werden und sich dazu ein kleineres Mädchen als Partnerin suchen. Mein Vater aber wetterte dagegen, was wolle er nur mit einem anderen Mädchen, er habe doch eine jüngere Schwester. Ich hatte jedoch anfangs für das Paarlaufen kein Talent.“

Also musste fleißig trainiert werden. Zunächst aber gab es den relativ frühen Umzug nach Prag, Pavel war damals acht und Eva fünf Jahre alt. In der Hauptstadt mussten beide Kinder jeden Morgen sehr früh aufstehen und die allererste Straßenbahn nehmen, weil die wenigen guten Eisflächen vor Ort in der besten Zeit am Vormittag stets für die Eishockeyspieler reserviert waren. Daher organisierte ihr Vater schon bald eine Alternative: Pavel und Eva konnten auch im nahegelegenen Kladno trainieren. Doch auch das hatte so seine Tücken, besonders bei der Heimfahrt, erzählt die Jubilarin:

Pavel Roman und Eva Romanová  (Foto: Wikipedia)
„Wir fuhren immer mit dem Regionalzug nach Kladno, dessen Waggons hatten damals, vor mehr als 50 Jahren, noch Holzbänke. Dieser Zug war nicht sehr schnell unterwegs. Auf der Rückfahrt kam beim Prager Stadtteil Vysočany, in dem wir wohnten, immer ein Abschnitt, an dem der Zug besonders langsam fuhr. Dann sagte unser Vater: Passt auf an der Stelle, wo wir immer aus dem Zug springen. Er wollte nicht, dass wir bis zum Bahnhof ins Zentrum fahren und dann zurückkehren müssen.“

Heute kann Eva Graham-Romanová über diese Episode lachen. Sie verteidigt auch ihren Vater, der sich damals den Vorwurf der Mutter gefallen lassen musste, er würde die Kinder zu hart rannehmen und ihnen zu viel zumuten. Eva sagt dazu rückblickend, er habe es mit ihnen immer nur gut gemeint, und sie hätten den Sport trotz vieler Entbehrungen sehr gern gemacht. Vor dem regelmäßigen Sprung aus dem Zug aber hätten sie durchaus Angst gehabt.

Pavel Roman und Eva Romanová  (Foto: Bundesarchiv,  Bild 183-D0419-0001-004 / CC-BY-SA 3.0)
Trotz aller Hingabe und Entbehrungen für ihren Sport – der Sprung nach oben bis in die Weltspitze war für die Geschwister Roman noch aus einem anderen Grund kompliziert: Für das Eiskunstlaufen wurde auch Geld benötigt. Der Vater sorgte aber für Abhilfe:

„Unser Sport war kostspielig, auch für unseren Prager Klub. Ich erinnere mich aber, wie unser Vater an Wochenenden wiederholt Ausfahrten für einige talentierte Eiskunstläufer zu Schaulauf-Veranstaltungen organisierte. In dem Kleinbus, mit dem wir unterwegs waren, fuhren bis zu sieben Leute mit, und beim Schaulaufen hatte jeder von uns in seiner Disziplin je zwei Auftritte. Von dem Geld, was wir dabei verdienten, ging ein Teil an den Klub. Damit konnte dieser die Eisfläche bezahlen, auf der wir trainierten. Es war wirklich nicht einfach.“

„Als wir endlich realisierten, dass wir wohl einiges draufhaben, sind wir zur Weltmeisterschaft in Prag angetreten mit dem Ziel, unter die Top Ten zu kommen. Als wir dann schließlich Gold gewannen, dachten wir, wir seien vielleicht doch schon Extraklasse. Doch unser Vater holte uns vom Himmel gleich wieder runter auf den Boden der Erde.“

Auf ihrem Weg zum Gipfel hatten die Romans also so einige Hürden zu überspringen. Die Entwicklung wurde indes noch durch eine positive Eigenschaft der Beiden beschleunigt: Pavel und Eva waren mit dem Erreichten nie zufrieden. Immer glaubten sie, dass das Gute, was sie zeigten, noch nicht gut genug war. Und selbst bei ihrem ersten WM-Titel 1962 in Prag wurde die Euphorie über den Sieg sofort gebremst – durch ihren Vater:

„Als wir endlich realisierten, dass wir wohl einiges draufhaben, sind wir zur Weltmeisterschaft in Prag angetreten mit dem Ziel, unter die Top Ten zu kommen. Als wir dann schließlich Gold gewannen, dachten wir, wir seien vielleicht doch schon Extraklasse. Doch unser Vater holte uns vom Himmel gleich wieder runter auf den Boden der Erde. Er sagte, dass wir das bloß nicht denken sollten. Schließlich hätten wir den Titel schon zwölf Monate später zu verteidigen – und dafür müsse hart trainiert werden. Uns blieb nur zu sagen: Nun gut, wir werden uns bemühen.“

Pavel und Eva Roman haben sich aber nicht nur bemüht, nein sie haben vor über 50 Jahren eine ganze Nation förmlich begeistert. Denn in jener Zeit, als es nur wenige Leute gab, die sich einen Schwarz-Weiß-Fernseher leisten konnten, hingen fast alle Tschechen und Slowaken wie gebannt vor dem TV-Gerät, wenn die Romans im Programm gezeigt wurden. Nachbarn und Freunde taten sich zusammen, um gemeinsam fernzusehen, in ländlichen Gegenden kam nicht selten das ganze Dorf zusammen, um vor dem einzigen Fernseher des Ortes, den die örtliche Landwirtschaftsgenossenschaft besaß, die Auftritte der Romans zu verfolgen. Und die Geschwister Roman und Eva gewannen in dieser Zeit auch alles, was es zu gewinnen gab – bis auf die olympische Goldmedaille. Dies aber nur deswegen nicht, weil zur damaligen Zeit das Eistanzen noch keine olympische Disziplin war:

„Natürlich wäre es schön gewesen, wenn wir diese Medaille auch noch gewonnen hätten. Doch auf der anderen Seite hat es keinen Sinn, sich über etwas zu grämen, was damals nicht möglich war. Es war schade, doch so ist das Leben.“

In ihrem Leben nach der Karriere ging es für die Geschwister Roman zunächst unablässig weiter auf dem Eis. Von 1965 bis 1971 liefen sie für die amerikanische Eisrevue Holiday on Ice, dabei lernten sie auch ihre späteren Ehepartner kennen. Doch während Eva danach mit ihrem britischen Mann Jackie Graham die halbe Welt bereiste und dabei sowohl in Südafrika, Südengland, in den Vereinigten Staaten, in Tschechien und jetzt wieder in Großbritannien lebte, war das Leben ihres Bruders leider nur sehr kurz. Pavel kam 1972 bei einem Autounfall in Tennessee ums Leben. Sie werde ihren Bruder daher stets als den jungen Mann von damals in Erinnerung behalten, einen Mann, der in seinem kurzen Leben sehr viel erreicht hat, betont Eva. Und wie schaut sie auf sich selbst, auf ihr bisheriges Leben zurück?

Eva Romanová und Pavel Roman  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Ich würde absolut nichts ändern wollen! Und mein Mann und ich haben uns schon gesagt: Wir hatten Glück, dass wir ein Leben geführt haben, in dem all die Dinge, die wir gern haben, uns auch erfüllt haben. Die Dinge, die wir nicht wollten, die haben wir dann auch gelassen. Zum Beispiel Reisen nach Osten in die asiatischen Länder. Und jene Dinge, die gemacht werden mussten, uns aber weniger gefielen, die haben wir oft hintenangestellt. Deshalb erinnern wir uns nicht an sie, und für mich in Erinnerung bleiben nur die schönen Dinge.“

Autor: Lothar Martin
schlüsselwort:
abspielen