Chrastava will nicht kleiner werden: Grenzstreit mit Polen weiter ungelöst

Polnische Grenze (Foto: Google Maps)

Es ist eine Kompensation für eine alte Schuld: Tschechien muss Polen knapp 370 Hektar Land zurückgeben. Der Territorialstreit reicht zurück bis in die Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, nun will ihn die Regierung in Prag endgültig aus der Welt schaffen. Problematisch ist allerdings die Auswahl der Gebiete. Die Kleinstadt Chrastava / Kratzau im Dreiländereck zwischen Polen, Deutschland und Tschechien hat sich gerade gegen die Abtretung von 52 Hektar Wald ausgesprochen.

Michael Canov  (Foto: Archiv der Bewegung Starostové pro Liberecký kraj)
Die Entscheidung war deutlich. Am Montag hat der Stadtrat von Chrastava einstimmig gegen die Abtretung eines Waldstücks an Polen gestimmt. Aus gutem Grund, sagt Bürgermeister Michael Canov:

„Die Landkarten zeigen seit dem 11. Jahrhundert, dass dieses Gebiet immer Teil der Böhmischen Ländern war. Darum gibt es keinen Grund, dieses Areal, das uns immer gehört hat, zurückzugeben. Nur Hitler hat sich erlaubt, uns dieses Land sechs Jahre lang wegzunehmen.“

Tatsächlich haben die 52 Hektar Wald von Horní Vítkov / Ober-Wittig bei Chrastava nichts mit dem ursprünglichen Grenzstreit zu tun. Der drehte sich um das Hultschiner Ländchen, viel weiter im Osten gelegen. Nach dem Ersten Weltkrieg beanspruchten Polen wie auch die Tschechoslowakei das Gebiet für sich, erfolgreich war am Ende die Tschechoslowakei. 1958 wurde ein vertraglicher Ausgleich vorgenommen, doch Polen rechnete später aus, dass es dabei 368 Hektar verlor. Nach 1989 kochte der Streit wieder hoch. Im vergangenen Jahr beschloss das tschechische Innenministerium nun, die Territorialschuld zusammenzustückeln. Geeignete Grundstücke wurden gesucht – und fanden sich in verschiedenen Gemeinden in Nordböhmen und Nordböhmen. Doch das Verständnis vor Ort ist begrenzt. Miroslav Balcar ist Gemeinderatsvorsitzender von von Horní Vítkov bei Chrastava:

Horní Vítkov  (Foto: Pavel Hrdlička,  CC BY-SA 3.0)
„Ganz Vítkov steht der Sache sehr negativ gegenüber. Niemand ist mit dieser Sache einverstanden, die uns von Prag übertragen wurde. Historisch hat das Gebiet immer zur Tschechischen Republik gehört, darum sollte es auch weiter dazu gehören. Es kann nicht sein, dass jemand nach Jahren etwas kompensieren muss, auch wenn das mit uns überhaupt keinen Zusammenhang hat.“

Vor allem die älteren Leute würden es schwer nehmen, außerdem spricht Balcar auch als Jäger:

„Für uns ist es im Grunde genommen eines der lukrativsten Waldstücke. Es sind 20 Hektar, und dann geht es weiter in Heřmanice. Wir haben hier Hirsche, Rehe und Wildschweine, auch Dammhirsche tauchen dort wieder vermehrt auf. All dies würden wir mit dem Gebiet verlieren.“

Grube Turów  (Foto: Anna Uciechowska,  CC BY-SA 3.0)
Eine weitere Befürchtung betrifft den Braunkohletagebau auf polnischer Seite. Rathauschef Canov aus Chrastava:

„Langsam kommt uns auch die Grube Turów immer näher. Sie soll in unsere Richtung erweitert werden. Und wenn das Land ausgeht, wird es wieder Grund geben, die weiteren Begrenzungen nicht zu respektieren.“

Das Beispiel Chrastava zeigt deutlich, dass der Grenzstreit wohl noch lange nicht gelöst ist. Ursprünglich hatte das Innenministerium ganz andere Flächen für den Ausgleich vorgeschlagen, wegen der Kirchenrestitution kamen einige davon aber nicht mehr in Frage. Eine etwaige Übergabe muss von der tschechischen Regierung gebilligt werden. Das Innenministerium will sich bislang nicht äußern, sondern wartet auf die Stellungnahmen der betroffenen Gemeinden. Im Kreis Liberec wären das Bulovka, Horní Řasnice und Heřmanice. Der Stadtrat von Chrastava hat derweil bereits angekündigt, sich an den Staatspräsidenten, den Premier und die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern zu wenden.

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