Prager Kaufhaus Máj kann auf 40-jährige Geschichte zurückblicken
Im Jahr 1975 hat sich das Bild der Prager Innenstadt stark verändert. Binnen zweieinhalb Monaten wurden hier nämlich gleich zwei neue Kaufhäuser eröffnet: Am 10. Februar in der Nähe des Pulverturms das „Kotva“ (Anker) und am 22. April unweit des Nationaltheaters das Kaufhaus Máj (Mai). Beide Shoppingzentren feiern folglich in diesem Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum.
„Wir wollten ein Gebäude mit einer zweckgebundenen Architektur erschaffen. Das heißt, es sollte ein echtes Warenhaus werden einschließlich seiner Konstruktion und Technologie. Daher wurden auch Details wie Verteiler oder die Klimaanlage nicht kaschiert, parallel dazu aber sollte es ebenso einen guten ästhetischen Eindruck hinterlassen.“
Der erste Eindruck aber war für die Verkäuferinnen wie auch die Kunden ein kleiner Schock. Das wie ein Rohbau wirkende Kaufhaus hatte zum Beispiel keine wie heute mit Sichtblenden dekorierten Etagendecken. Doch auch das Angebot ließ zu wünschen übrig, erinnert sich Verkäuferin Jana Peprná:
„Es gab einen großen Mangel an Toilettenpapier. Die Produkte in der Damenkosmetik-Abteilung waren ebenso schnell vergriffen. Auch bekannte Wasch- und Scheuermittel wie Persil und Ata bekam man selten, kurz: Es mangelte an vielem.“Jana Peprná ist seit dem Eröffnungstag Verkäuferin im „Máj“. Im Gegensatz zum Warenangebot schätzte sie einige funktionelle Vorzüge des Gebäudes:
„In den Räumen, die heute verglast sind, waren früher ein Arztzimmer, Pediküre, Friseur und einige Büros. Wenn jemand kränkelte oder sich verletzte, dann erhielt er sofort Hilfe. Derartige Fälle wurden schnell behoben und der Betroffene konnte dann zumeist auch weiterarbeiten.“
Am Tag seiner Eröffnung war das Kaufhaus Máj ebenso ein Renner in der TV-Werbung. In dieser Werbung wurde es als das zweitgrößte Warenhaus in Prag nach dem „Kotva“ gepriesen. Davon zeugte auch die großflächig an einer Seitenfront des Gebäudes angebrachte Zahl „02“. Aus bis heute unerfindlichen Gründen aber sahen die damaligen kommunistischen Machthaber darin „eine Beleidigung der Arbeiterklasse“. Daher ließen sie die Zahl durch einen roten Stern ersetzen, der fortan vom Dach des Kaufhauses „grüßte“. Architekt Martin Rajniš:„Wir haben gesagt, dass eine Kugel auf dem Dach die bessere Lösung wäre. Doch uns wurde sehr grob entgegnet, dass der rote Stern über Prag leuchten werde, und dass wir hier nicht reinzureden hätten.“Die kommunistische Epoche wurde ab 1990 durch die marktwirtschaftlichen Zwänge ersetzt. Diese beinhalteten auch einen Umbau durch die Firma Chapman Taylor. Architekt Masák ist aber nur zum Teil zufrieden:
„Chapman Taylor ist an uns herangetreten und dank der offenen Gespräche haben wir auch die schlimmsten Vorhaben verhindern können – zumindest, was das Kaufhausgebäude anbelangt. Das trifft indes nicht auf das Interieur zu, das von der englischen Firma Fitch verändert wurde. Hierzu war keine Vereinbarung möglich. Von dieser Seite her ist das ´Máj´ für mich nur noch ein banales Warenhaus.“Dazu wurde das „Máj“ auch noch in das englische „My“ umbenannt. Und seit dem 31. Oktober vorigen Jahres wurde in der unmittelbaren Nachbarschaft zudem das Einkaufscenter Quadrio eröffnet. Von diesen Centern gibt es in Prag mittlerweile mehr als genug, entsprechend zurückgegangen ist auch das Flair der einstigen Kaufhauspioniere „Bílá labuť“ (Weißer Schwan), „Kotva“ und Máj“.
Anm. d. Red.: Der Beitrag zum Kaufhaus Kotva wurde am 28. Februar 2015 ausgestrahlt und veröffentlicht. Sie können ihn unter der Rubrik "Kapitel aus der tschechischen Geschichte" anhören und nachlesen.