Alles für die Pascher! Der Advent im Wald in Schönsee in der Oberpfalz
Was hat die Kuh mit Weihnachten zu tun? Eigentlich nicht so viel. In der Krippe stehen traditionell nur Ochs und Esel. In der kleinen Stadt Schönsee in Nordbayern ist aber alles anders. Jahr für Jahr veranstaltet man hier einen Weihnachtsmarkt, nur damit Kuh Rosi im Sommer wieder über die Grenze nach Tschechien geschmuggelt werden kann. Radio Prag hat sich auf die Spuren des Rätsels begeben.
„Ganz gute Bratäpfel – Die besten Bratäpfel auf der Welt – die letzten vor der Grenze“,
tönt es aus einer der Buden. Tatsächlich – nur wenige Meter vom Eulenberg, wo sich Tausende zum Glühwein versammeln, beginnt schon die Tschechische Republik. Genau diese Grenze, die heute so durchlässig ist, bildet den Anlass für den Weihnachtsmarkt im Wald. Im Gewühl der Menschen ist auch die Bürgermeisterin von Schönsee, Birgit Höcherl. Sie erklärt, warum der Advent im Wald eigentlich nur das Präludium für eine sommerliche Theatervorführung ist:„Wir haben uns in den Kopf gesetzt, ein Pascherspiel ins Leben zu rufen, bei dem es vordergründig ums Schmuggeln an der bayerisch-böhmischen Grenze geht, das sich aber eigentlich mit der Versöhnung der Völker beschäftigt. Um so etwas zu inszenieren, braucht man Geld. Wir haben damals gute Fördermittel von Leader plus bekommen, den Rest mussten wir aber selbst finanzieren. Da ist uns dieser Waldmarkt eingefallen, und den haben wir dann umgesetzt.“
Zwei Tage im Dezember wird nun auf dem Weihnachtsmarkt fleißig Geld gesammelt. Der Erlös geht an die Pascher. Da stellt sich doch eine Frage: Was sind das eigentlich – die Pascher?„Pascher sind Schmuggler. Und das Paschen ist das Schmuggeln.“
Und was wurde früher geschmuggelt?
„Alles Mögliche. Zum Beispiel Salz, alles was man sich vorstellen kann. Sogar Vieh wurde über die Grenze gebracht. Und bei unserem Pascherspiel zu sehen, wie eine Kuh geschmuggelt wird.“
Die Schauspieler, die nun Jahr für Jahr auf dem Eulenberg auftreten, haben sich zum Pascherverein zusammengeschlossen. Ihr Stück trägt den Titel „Pascher – Die Nacht der langen Schatten“. Geschrieben hat es Martin Winklbauer aus Oberbayern, der jeden Sommer für die Proben mit den Laienschauspielern anreist. Eine grenzübergreifende Liebe steht im Mittelpunkt des Pascherstücks. Es spielt in den 1920er Jahren und beschreibt, so der Autor, „lausige Zeiten“. Mit rußgeschwärzten Gesichtern versuchten sich die Schmuggler vor den scharfen Grenzern zu verbergen. Mit einer Kuh im Schlepptau sicher nicht so einfach. Ansonsten hält sich die Bürgermeisterin aber bedeckt über den Inhalt.„Es ist auch so, um nicht zu viel zu verraten, dass nicht immer alles so endet, wie man es sich wünscht.“Um Geld für ihr Stück zu sammeln, hat sich der Pascherverein einiges überlegt. Überall im Wald finden sich kleine Kunstwerke und Kuriositäten, wie zum Beispiel das tiefste Loch der Welt. Mehr als 30 Anbieter verkaufen handgemachte Produkte. Daneben zeigen Drechsler und Klöpplerinnen ihre Kunst. Außerdem wird gegessen, was das Zeug hält. Paschergetreu gibt es hier keine Bratwurst, sondern Schmugglerwurst zu kaufen. Und noch ein paar andere Dinge, die nicht jedem auf Anhieb verständlich sind. Birgit Höcherl.
„Wir versuchen einfach die Grenzlage zu nutzen. Wir haben natürlich auch tschechische Anbieter da und versuchen den Speisen wieder den böhmischen Namen zu geben. Zum Beispiel gibt es bei uns Fleischpflanzerl, die heißen eben böhmisch Kawanadl. Das Originelle versuchen wir ein bisschen zu erhalten.“
Ein Original des Waldmarktes ist mit Sicherheit der Nachtwächter, der in historischem Gewand auf dem Eulenberg seine Kreise zieht.„Bekanntmachung! Es ist ungefähr viertel sechs. Um sechs ist oben bei der Bühne beim blauen Licht, auf unserer Festbühne die Herbergssuche zu sehen. Veranstaltet von der Kolpingfamilie Schönsee, begleitet von den Stadler Bläsern. Sechs Uhr oder 18 Uhr für Ausländer.“
Das klingt zunächst nicht besonders gastfreundlich. Es ist allerdings eine Eigenart der Oberpfälzer, sich erst einmal ein wenig schroff zu geben. Der Nachtwächter meint es gar nicht so. Im wirklichen Leben heißt er Gerhard Treiber.
Als 1989 der Eiserne Vorhang gefallen ist, hat er sogar begonnen, Tschechisch zu lernen.„Und dann öffnet die Grenze, und alle oder sehr viele Tschechen können Deutsch – Wahnsinn.“
Nach und nach hat die Motivation dann ein wenig nachgelassen. Heute fährt er nur noch selten ins Nachbarland. Doch Gerhard Treiber engagiert sich im Pascherverein. Dort ist er nicht der Nachtwächter sondern…
„Da bin ich der mit der Kuh.“
Also, der Mann, der die Kuh über die Grenze bringt. Wie verhält es sich denn nun genau mit dieser Kuh, von der so viel zu hören ist?„Das sagen wir nicht, das muss man sich ansehen.“
Wenn der Ausgang auch geheim bleibt, so erfahren wir doch wenigstens, wie es denn so ist, wenn eine Kuh unter die Schauspieler geht. Als ehemaliger Landwirt hat Gerhard Treiber nämlich seine eigene Kuh auf die Theaterbühne geschickt:
„Es ist nicht so einfach. Du musst sie sensibilisieren mit dem Klatschen und so weiter. Da kann man nicht jede Kuh aus dem Stall nehmen. Es sollte auch eine saubere Kuh sein. Das ist wie bei den Menschen. Es gibt Saubären und es gibt gepflegte Menschen, so ist es auch bei den Kühen. Die Kuh, die ich dafür habe, steht das ganze Jahr über im Stall wie ein Pferd, picobello.“
Inzwischen wird das Pascherstück schon zum achten Mal aufgeführt. Nach so einer langen Zeit steht inzwischen schon die zweite Kuh auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Gerhard Treiber:„Das ist jetzt schon die Tochter, zuvor hatten wir die Rosa. Sie wurde aber dann zu alt, und dann mussten wir ihre Tochter Rosi nehmen.“
Abgesehen von der tierischen Hauptperson erzählt Gerhard Treiber noch ein bisschen mehr über das Pascherstück.
„Das Stück ist immer zweigeteilt. Ein tschechisches Mädchen und ihr deutscher Freund gehen auf die Suche nach der Vergangenheit des Mädchens. Da gibt es deutsche Wurzeln, und sie kommen zu einem alten Mann, den sie darüber befragen. Und zuletzt stellt sich heraus, dass es eigentlich –ja…“Mehr wird dann doch nicht verraten. Außerdem muss der Nachtwächter weiter, um die Leute zur Herbergssuche einzuladen. An einem Stand bedienen zwei sehr junge Verkäufer. Michael Ebnet und Jonas Lehner sind schon Pascher mit Leib und Seele. Der Erlös für ihre Schnitzereien geht, wie sollte es anders sein, an den Verein. Die Schauspielerei scheint die beiden auf jeden Fall gepackt zu haben. Jonas Lehner:
„Im letzten Jahr war ich noch bei den Kinderszenen, aber mittlerweile bin ich schon herausgewachsen und bin nun bei den Paschern und beim Volk.“Was macht man so als Volk?
„Eine Szene ist zum Beispiel das Johannisfeuer. Da trifft sich das Volk aus zwei Dörfern, sie versammeln sich und feiern zusammen.“
Eines der Dörfer ist auf deutscher, das andere auf tschechischer Seite. Wie sieht das eigentlich auf der Bühne aus, wird dort auch in zwei Sprachen kommuniziert?
„Also, wir haben zwei tschechische Hauptdarstellerinnen, aber tschechisch wird nicht so viel gesprochen, weil das hier gar nicht so viele verstehen. Aber ein bisschen kommt es schon vor.“So einfach ist es eben doch nicht, mit der Völkerverständigung. Beim Advent im Wald sind aber auf jeden Fall viele tschechische Stimmen zu hören. Unterstützung erhalten die Pascher vom Centrum Bavaria Bohemia. Das deutsch-tschechische Kulturzentrum hat seinen Sitz ebenfalls in Schönsee. Kamila Spichtinger ist eine tschechische Übersetzerin. Sie engagiert sich im Trägerverein:
„Wir nehmen teil, weil man auch ein bisschen Werbung damit macht. Außerdem ist es in Schönsee, das heißt, es ist nicht weit, und man hat die Gelegenheit sich zu präsentieren.“Auch die neue Vorsitzende des Vereins, Irene Träxler steht, heute mit am Bratapfelstand im Wald.
„Wann kommt man sonst mit unseren Nachbarn in Kontakt, wenn nicht durch solche Aktionen.“
Um den Kontakt noch zu verbessern, organisiert das Kulturzentrum einen Bus, der Besucher von Pilsen zum Advent im Wald bringt. Für dieses Jahr geht der Waldmarkt schon wieder dem Ende zu. Doch am Eulenberg wird es nicht lange ruhig bleiben. Im Frühjahr kommen die Pascher zurück und proben mit Rosi für die Nacht der langen Schatten.
Der Advent im Wald findet in Schönsee alljährlich an einem Wochenende im Dezember statt. Die Termine finden sich auf der Website www.am-eulenberg.de. Wer sich das Schmugglerstück rund um die Pascher ansehen möchte, hat dazu im August die Gelegenheit. Im kommenden Jahr wird am 7. und 8. August aufgeführt.