Streit um Zemans Vorbehalte gegenüber einigen Ministerkandidaten
Wie es weitergeht, bis die neue tschechische Regierung steht, ist mittlerweile bekannt. Am Freitag wird der Sozialdemokrat Bohuslav Sobotka zum Premier ernannt. Bis Ende des Monats soll dann auch das restliche Kabinett in Amt und Würden sein. Dies teilte Staatspräsident Miloš Zeman vergangene Woche bei zwei Medienauftritten mit. Zugleich äußerte Zeman Vorbehalte gegen mehrere Ministerkandidaten. Könnte das noch zu einem Hindernis werden?
Die künftige Koalition kommt auf 111 der 200 Stimmen in der unteren Parlamentskammer. Zudem wird demnächst auch der Weg frei sein, um die Regierung zu belobigen. Am 21. Januar soll das geforderte Beamtengesetz vom Abgeordnetenhaus in erster Lesung beraten werden. Dass dies noch vor der Ernennung des gesamten Kabinetts geschieht, hatte sich der Staatspräsident erbeten.
Viel Raum für Interpretationen hinterließen am Freitag aber Zemans Äußerungen über die Zusammensetzung des Kabinetts. Die Liste mit den potenziellen Ministern hält er bereits seit Freitag nach Neujahr in seinen Händen. Bei der Pressekonferenz sagte das Staatsoberhaupt:„Die Regierung wird vom Staatspräsidenten auf Vorschlag des Premiers ernannt, so steht es in der tschechischen Verfassung. Das Wort ‚Vorschlag‘ bedeutet laut dem gängigen Sprachgebrauch nicht, dass man die Liste automatisch akzeptieren müsste.“
Miloš Zeman ließ sich danach über mögliche Interpretationen der Verfassung aus und über mögliche Vorbehalte gegenüber potenziellen Ministern. Dies dehnte seine Rede auf insgesamt 40 Minuten aus. Der Staatspräsident nannte keinen Ministerkandidaten namentlich. Aber er deutete an, dass er vor allem bei zwei künftigen Kabinettsmitgliedern seine Bedenken habe: Zum einen ist das Milan Chovanec, der Sozialdemokrat soll Innenminister werden. Ihm wirft Zeman vor, unberechtigterweise einen Universitätstitel zu tragen. Zum anderen steht ein weiterer Sozialdemokrat in der Kritik, Jan Mládek ist als Industrie- und Handelsminister vorgesehen. Auf ihn münzte Zeman seine Worte, dass ein Minister, der nicht die Sicherheitsfreigabe erhalten habe, ein Sicherheitsrisiko sein könne.
Einige Stunden nach seiner Rede empfing der Staatspräsident dann den designierten Premier. Sobotka überreichte ein Original des Koalitionsvertrags. Zudem teilte er Zeman seine Sicht mit auf dessen Worte ein paar Stunden zuvor:„Die Zeit bei Präsident Zeman habe ich unter anderem dazu genutzt, ihm auf seine Vorbehalte gegenüber einigen Ministerkandidaten zu antworten. Ich habe mit ihm darüber diskutiert, wie schwer seine Vorbehalte wiegen. Dabei habe ich versucht ihn davon zu überzeugen, dass seine Vorbehalte einer Ernennung dieser Leute zu Ministern nicht entgegenstehen. Ich bin überzeugt, dass alle drei Koalitionspartner kompetente Führungspersönlichkeiten für die Ministerien vorgeschlagen haben. Und dass die Besetzung der Ministerien eine handlungsfähige Regierung ermöglicht und eine Umsetzung unseres Regierungsprogramms. Wie ich schon in meiner Presseerklärung am frühen Nachmittag ausgeführt habe, bleibt der Kabinettsentwurf weiter so bestehen.“
Gegenüber den Medien wurde Sobotka auch noch konkreter zu den Vorwürfen von Zeman an die Adresse der zwei genannten sozialdemokratischen Ministerkandidaten.Der zukünftige Innenminister Chovanec war nach zwei Jahren Volkshochschulkurs ins dritte Jahr der skandalträchtigen Pilsner Rechtsfakultät aufgenommen worden. Nach neun Monaten hatte er einen Bachelor-Titel. Dies hatte tatsächlich zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Abschlusses geführt. Doch Sobotka sagt:
„Diese Sache ist sowohl in einem Verwaltungsverfahren geprüft worden, als auch durch die Rektorin der Pilsner Rechtsfakultät. Im Ergebnis wurde ihm der Erhalt des Bachelor-Titels bestätigt.“
Chovanec führt außerdem seinen Bachelor-Titel ohnehin nicht im Namen.Etwas komplizierter liegt der Fall von Mládek. Der zukünftige Industrie- und Handelsminister hatte 2001 eine Sicherheitsfreigabe für die Stufe „geheim“ beantragt, sie aber nicht erhalten. Dann wurde er Landwirtschaftsminister und stellte im Herbst 2005 einen zweiten Antrag. Dieser wurde aber nicht weiter bearbeitet, weil Mládek ein Jahr später schon wieder in die Privatwirtschaft wechselte und deswegen keine Sicherheitsfreigabe mehr brauchte. Doch eine spezielle Sicherheitsfreigabe ist für Minister gar nicht nötig. Dazu der Verfassungsrechtler Marek Antoš von der Prager Karlsuniversität:
„Falls der Staatspräsident beispielsweise vom Inlands-Nachrichtendienst Hinweise hätte, dass ein konkreter Ministerkandidat ein Sicherheitsrisiko für den tschechischen Staat sei, dann könnte das ein Grund sein, ihn nicht zu ernennen. Dass aber jemand selbst seinen Antrag auf Sicherheitsfreigabe zurückgezogen hat, ist irrelevant. Und Präsident Zeman hat am Freitag auch nicht angedeutet, dass ein reelles Sicherheitsrisiko bestehe.“Insgesamt wiederholt auch Antoš, dass aus Sicht der tschechischen Verfassung der Spielraum für den Staatspräsidenten bei der Ernennung der Minister gering ist:
„Die überwiegende Zahl der Verfassungsrechtler stimmt darin überein, dass der Staatspräsident verpflichtet ist, dem Kabinettsvorschlag des Ministerpräsidenten zu entsprechen, falls keine ernsten rechtlichen Gründe dem entgegenstehen.“Durch die Meinungen der Verfassungsrechtler bestärkt, haben die Sozialdemokraten, aber auch die Christdemokraten schon zu Ende vergangenen Jahres ganz klar angekündigt: Sollte es Zeman darauf ankommen lassen, dann würden sie auch eine Kompetenzklage vor dem Verfassungsgericht anstrengen.
Dennoch lässt Zeman weiter offen, wie er sich verhalten werde. Am Sonntag in der wichtigsten politischen Talkshow des Tschechischen Fernsehens kündigte er an, dass er jeden der Kandidaten für die Minister noch persönlich treffen wolle.
„Ich halte es für verfrüht, vor diesen Treffen zu sagen, wie am Ende meine Meinung sein wird“, so Zeman.Wie auch immer dieser Streit ausgeht: Im Kabinettsplan sind 16 Ressortleiter plus Premier vorgesehen. Es sind 15 Männer und nur zwei Frauen, die künftig Tschechien regieren werden. Nach Parteien sieht die Kräfteverteilung wie folgt aus: Die Sozialdemokraten als stärkste Kraft erhalten acht Kabinettssitze, darunter Bohuslav Sobotka als Premier und Lubomír Zaorálek als Außenminister. Die Partei Ano kommt auf sechs Sitze, wobei der Parteichef und Multimilliardär Andrej Babiš das Finanzministerium übernimmt. Die Christdemokraten stellen die Leiter von drei Ressorts.