She She Pop öffnet deutsch-deutsche „Schubladen“ in Prager Theater
Offene Vergangenheitsbewältigung oder Schubladendenken? Am Freitag öffnete das bekannte deutsche Performance-Kollektiv She She Pop im Prager Archa-Theater die „Schubladen“ - so der Titel ihres aktuellen Stücks. Herausgekramt wurden alte Tagebücher, Briefe, Schulhefte und Tonträger. Damit treten sich drei Darstellerinnen des Ensembles und drei Frauen aus Ostdeutschland gegenüber. Gemeinsam entwerfen und öffnen sie einen zugleich subjektiven sowie vielstimmigen Einblick in die ost-westdeutsche Geschichte. Die Aufführung versteht sich als Teil des modernen Avantgardetheaters und ist auch ein Stück Popkultur.
„Die Frage ist: warum jetzt, 20 Jahre danach? Vielleicht weil diese 20 Jahre in relativer Gleichgültigkeit gegenüber den Unterschieden verbracht wurden. Statt diese zu überwinden ist man sich mit Ignoranz im Alltag begegnet.“
Auf der Theaterbühne entstanden für die Gruppe neue Möglichkeiten, die Geschichte der deutschen Teilung zu erzählen. So wird diese Geschichte nachträglich und live zur kollektiven Aufgabe der drei Ost-West-Paare. Wer ist man und wie ist die Frau zur Frau geworden, die mir gegenübersitzt? Für Papatheodorou war es leichter, diese Fragen auf der Bühne zu stellen:„Wir versuchen immer wieder die Grenzen der Kommunikation im Theater auszuschöpfen. Diese sind dadurch leichter und spielerischer zu überwinden als im Alltag. ‚Schubalden‘ ist dafür ein Beispiel. Ich hätte mich niemals getraut, einer gleichaltrigen Frau aus dem Osten diese intimen Fragen zu stellen. Das kann ich nur auf der Bühne, weil diese andere Grenzen hat.“
Beinahe 20 Jahre – so lange ist das Ensemble She She Pop bereits künstlerisch in der freien Szene aktiv. Mit dem sonst eher typisch deutschen Repertoiretheater wollen sie sich nicht vergleichen:„Wir haben eben einen anderen Weg gewählt durch unsere Arbeitsweise, die kollektiv ist. Das verändert auch die Ästhetik, und wir passen ins Repertoiretheater nicht so richtig rein.“
Die Gruppe ist tief verwurzelt mit dem avantgardistischen Denken am Gießener Theaterinstitut. Den Unterschied zwischen tschechischem und deutschem Theater erläutert Ruby Behrmann, Gießener Austauschstudentin an der Prager Theaterfakultät DAMU:
„Ein für mich sichtbarer Unterschied zwischen dem deutschen und tschechischen Theater liegt vor allem darin, dass es in Deutschland viel um Theorie, Texte und Reflektion geht. Dagegen geht es im tschechischen Theater viel um Humor und Slapstick. Das Publikum will zum Lachen gebracht werden.“Wie das deutsche Bühnenstück beim tschechischen Publikum ankam, berichtet ein Zuschauer:
„Es hat mich durchaus amüsiert, das Stück hat schon auch eine Humorebene. Und es ist eine Lektion aus dem Bereich der Soziologie und über die deutsch-deutsche Geschichte, die deutsch-deutsche Psychologie und über deutsch-deutsche Gemeinsamkeiten und Differenzen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dies für alle tschechischen Zuschauer verständlich war. Aber ich finde die Form, besonders im tschechischen Kontext, sehr untypisch und ungewöhnlich - obwohl sich ab und zu auch tschechische Ensembles bemühen, so etwas zu machen. Sie erreichen aber nicht eine so radikale und aussagekräftige Form.“