„Einer der ganz Großen“ - Karel Malich und der menschlich-kosmische Geschlechtsverkehr
In der Jízdárna, einem großen Ausstellungsraum auf dem Prager Burgareal, ist derzeit eine außergewöhnliche Exposition zu sehen. Sie heißt „proudění radosti“ – „Strömungen der Freude“. Es ist eine Retrospektive des Bildhauers und Malers Karel Malich und besteht aus etwa 300 Werken. Lernen Sie den Künstler in der aktuellen Ausgabe unseres Kultursalons kennen.
„Wiesen, Felder, Wälder, Tiere - das alles hatte ich dort. Ich habe die Kühe gestreichelt, die Gänse und die Enten. Dumm war immer, wenn ich sie dann im Ofen wiederentdeckt habe. Gerade habe ich sie noch im Hof gestreichelt, und dann hat meine Mutter sie geschlachtet; aber sie haben mir immer geschmeckt. So ist das Leben.“
Malich ist als Jugendlicher vielseitig interessiert. Er übt sich im Hochsprung und spielt begeistert Handball und Fußball. Auch Segelflugzeuge haben es ihm angetan, er bastelt selbst Modelle, vor allem aber zeichnet er sie. In den letzten Kriegsjahren 1943 bis 1945 wird er zwangsrekrutiert und in den Junckers-Flugzeugwerken in Dvůr Králové / Königinhof eingesetzt.
Nach dem Krieg studiert er 1945 in Prag an der Karlsuniversität Zeichnen, Pädagogik und Ästhetik, 1950 wechselt er an die Akademie der bildenden Künste. Er lässt sich bei seiner Arbeit zunächst von seinen Kindheitserfahrungen leiten und malt die Natur. Erst Anfang der 1960er Jahre beginnt er, abstrakte Kunst zu schaffen. Dabei arbeitet er vor allem mit Draht. Der Kunsthistoriker Tomáš Vlček ist Direktor der Sammlungen für moderne und gegenwärtige Kunst der Prager Nationalgalerie:„Karel Malich hat die Auffassung der Statue revolutioniert. Er hat sie ihrer Masse beraubt und sie nur aus Drähten oder durchsichtigen Plexiglasstäben modelliert. Dadurch schuf er etwas, das kein Vorbild in der Geschichte der Kunst hatte.“
Malich malt aber auch weiter. Seine Bilder sind immer bunt, voller kräftiger Farben. Im Kontrast dazu stehen seine Reliefe, die er aus schwarzen Blöcken auf weißem Hintergrund konstruiert und teilweise mit geometrischen Zeichnungen kombiniert. Am bekanntesten und eindrücklichsten aber sind seine aus Draht oder Plexiglasfasern geformten Figuren und Objekte. Tomáš Vlček erläutert, warum Malich keine Statuen aus Ton oder Gips fertigt:
„Er empfand dem Material Ton gegenüber Widerwillen. Während seines Studiums hat Karel unendlich gelitten und wollte nie wieder mit Ton arbeiten. Deswegen wurde er ein Bildhauer anderer Art. Hinzukommt, dass seine Anfänge in der Malerei lagen und sein Werk ständig von Malereien, Plastiken, aber auch von Literatur und Architekturprojekten durchdrungen war.“Malich schrieb eine Reihe von Gedichten und fertigte einige architektonische Studien an. Es waren Zukunftsvisionen von Häusern und ganzen Städten, die auf dem Meeresboden stehen. Als Vorreiter einer Entwicklung sieht sich der Künstler aber nicht:
„Ich hatte so eine Vision und dann habe ich sie einfach gezeichnet, diese Städte unter dem Meer. Aber warum sollte es die einmal geben? Und heutzutage beginnt man auf einmal, so etwas zu entwickeln. Aber ich war kein Vorreiter, ich hatte nur eine Idee, wie dies sein könnte.“
Seine Kunstwerke gelten aber durchaus als visionär. Und für seinen Galeristen, Zdeněk Sklenář, steht Malich auch international an der Spitze der Kunstszene:„Er ist ein Künstler, der seinesgleichen im 20. Jahrhundert sucht. Er gehört nicht nur in der tschechischen Szene zu den ganz Großen.“
Kritiker vergleichen ihn gerne mit dem tschechischen Maler František Kupka. Malich selbst gibt sich bescheiden. Er könne nicht sagen, woher seine Berühmtheit komme, er male immer nur, was er sehe. Malich legt auch Wert darauf, keines seiner Werke für das Publikum geschaffen zu haben. Allerdings würde er sich immer sehr freuen, wenn es jemanden gefalle, erklärte der Maler.
In den 1960er Jahren wird Malich bekannter. Er hat erste eigene Ausstellungen, 1967 werden sogar einige seiner Werke im Guggenheim-Museum in New York gezeigt, und der Künstler besucht zu dieser Gelegenheit die Vereinigten Staaten.
Zu Beginn der 1970er Jahre wird es aber für Malich schwer. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings senkt sich über die Tschechoslowakei die bleierne Schwere der so genannten Normalisierung. Zwar gilt der Künstler als unpolitisch, darf aber zunächst nicht mehr ausstellen. Er zieht sich in sein Atelier zurück und beginnt, sich mit Energie, Luftströmungen und Wolkenbildern zu beschäftigen. Die Pastelle, die in dieser Zeit entstehen, werden als wesentlich für das Werk Malichs betrachtet. In ihnen wertet er die ihn umgebende Realität in eine subjektive Wahrnehmung um. Tomáš Vlček:„Er hat alle äußeren Widrigkeiten überlebt, wie zum Beispiel das kommunistische Regime und seine Ideologie mit all ihren Blödsinnigkeiten. Das gelang dadurch, dass er sich auf das Wesentliche konzentriert hat.“
Malich selbst hat in dieser Zeit das Glück, sich weiter der Kunst widmen zu können. Grund dafür war seine zweite Frau Hana. Sie sprach fließend Englisch und hatte am Prager Flughafen eine feste Anstellung bei einer skandinavischen Fluglinie. Dadurch verschaffte sie der Familie ein Auskommen, und Malich muss sich keinen Brotjob suchen.
Hana war es auch, die in der schwierigen Zeit ein Atelier für ihren Mann organisierte - und zwar in Uhříněves am Prager Stadtrand. Dort baute sich die Familie mit Hilfe von Freunden sogar ein Haus, in dem Malich bis heute noch wohnt. Seine wichtigsten Werke geben diese Zeit gut wieder, so Vlček:„Es entstanden einige Plastiken, die die Banalität im Zusammenhang des Kosmos zeigen. Zum Beispiel die Plastik ‚Ještě jedno pivo’ (Noch ein Bier, 1976). Das entscheidende Werk dieser Zeit ist sein ‚Lidsko-kosmická soulož’ (Menschlich-kosmischer Geschlechtsverkehr, 1984). Es ist die größte Verbindung von Biologie und Geist.“
Bis heute ist der 89-Jährige künstlerisch tätig, nur Drahtskulpturen fertigt er schon länger nicht mehr an. Nachdem eine Kollegin bei der Arbeit von der Leiter gefallen sei, habe er einfach Angst bekommen, so Malich. Er schaffe einfach das, was er sehe, einen konkreten Plan verfolge er nicht mehr:„Hauptsächlich zeichne ich. Irgendwie durchdringe ich dann manchmal komische Dinge aus der Realität. Ich weiß nicht, vielleicht werde ich ja alt.“
Wenn Sie die Ausstellung „Proudění radosti“ („Strömungen der Freude“) von Karel Malich sehen möchten: Die Jízdárna auf der Prager Burg ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die Ausstellung dauert noch bis 8. Mai.