Intellektuelle empört über Medienkritik des Staatspräsidenten
Miloš Zeman ist seit vergangenem Freitag neuer tschechischer Staatspräsident. Bei seiner Amteinführung hielt er eine kurze Rede, die aber aufhorchen ließ. Denn Zeman stellte die Medien in eine Reihe mit den korrupten Strukturen im Land und den extremen Rechten. Eine Gruppe bekannter Intellektueller hat das so empört, dass sie einen Protestaufruf aufgesetzt haben: Bereits 90 Persönlichkeiten haben den offenen Brief unterschrieben.
„Als dritte Insel der negativen Deviation betrachte ich einen wesentlichen Teil der tschechischen Medien. Es sind jene Medien, die auf eine Gehirnwäsche und eine Manipulation der öffentlichen Meinung setzen sowie jene Vertreter der Medien, die minimale Kenntnisse mit maximalem Selbstbewusstsein kombinieren.“
Die anwesenden Politiker spendeten Zeman für diesen Teil der Rede spontanen Beifall. Viele Schriftsteller und Wissenschaftler sehen die Äußerung Zemans aber sehr kritisch und haben deswegen einen offenen Brief an führende Politiker geschrieben. Sie bezeichnen die Aussage als beispiellos in der Nachwendezeit und weisen das Prinzip einer kollektiven Verurteilung aller Journalisten zurück. Einer der Initiatoren ist der Historiker und ehemalige Dissident Petr Placák:„Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es sich um einen sehr ernsten und groben Angriff auf das demokratische System dieses Landes handelt. Schließlich gehören zu einem demokratischen System auch freie Medien. Vor allem der Beifall der anwesenden Politiker und weiterer Mandatsträger im Saal hat uns provoziert, diesen Brief aufzusetzen. Meiner Meinung nach war der Beifall eine völlig unverständliche Reaktion.“
Unterschrieben haben den Brief unter anderen die Schriftsteller Ivan Klíma und Jáchym Topol sowie der Publizist Bohumil Doležal. Vladimír Dryml ist Senator für die Partei SPOZ von Miloš Zeman. Er verteidigt die Rede des Staatspräsidenten:„Es war eine Anmerkung in die Richtung einiger Journalisten, nicht aller. Die Mehrheit sind natürlich seriöse Journalisten, aber einige verhalten sich wie Paparazzi. Und vielleicht wäre es besser, wenn sich die tschechische Gesellschaft beruhigen würde, anstatt durch irgendwelche Petitionen Stimmung zu machen.“
Auch die Soziologin Jiřina Šiklová, Unterzeichnerin der Charta 77 und Politikerin für die Grüne Partei, unterstützt den Protest und kritisiert Miloš Zeman scharf:
„Wenn er hier die Medien auf eine Ebene mit Neofaschisten setzt, die seine hauptsächlichen Feinde seien, dann finde ich das ein wenig peinlich. Darüber hinaus wird Zeman, wie jeder Mensch oder mindestens jeder Politiker, die Medien brauchen. Seine Äußerungen sind also entweder naiv, wovon ich aber nicht ausgehe, oder es war der Versuch, sich selbst ins Scheinwerferlicht zu rücken. Er ist also der nächste Narziss, der auf unserer Burg sitzt.“
Zeman selbst sieht keine Veranlassung, seine Äußerungen zu kommentieren oder zu präzisieren. Seine Sprecherin Hana Burianová erklärte:„Die Unterzeichnung einer Petition ist das Recht jedes Bürgers. Das ist der einzige Kommentar, den wir dahingehend äußern. Herr Zeman steht immer zu seiner Meinung. Also steht er auch zu dem, was er während seiner Amtseinführung gesagt hat.“