Streit um Hitler-Artikel: Wird sich Präsident Zeman entschuldigen?
Als Präsident Miloš Zeman im Januar bei einer Holocaust-Gedenkveranstaltung davon sprach, dass vor dem Zweiten Weltkrieg auch tschechoslowakische Intellektuelle vom Nationalsozialismus fasziniert gewesen seien, war das vor allem ein Angriff auf Ferdinand Peroutka. Zeman behauptete, die Ikone des tschechischen Journalismus habe einen Artikel mit dem Titel „Hitler ist ein Gentleman“ verfasst. Diese Behauptung weist Peroutkas Enkelin Terezie Kaslová energisch zurück, sie hat den Präsidenten dafür sogar angezeigt. Das Gericht hat in dieser Angelegenheit noch nichts unternommen, womöglich kommt es aber zu einer außergerichtlichen Einigung der beiden Streitparteien.
Nach Zemans Äußerungen erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Es ist bekannt, dass NS-Kritiker Peroutka von 1939 bis 1945 Häftling in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald war. Und er hat es abgelehnt, für die Besatzer zu schreiben. Zeman hielt indes dagegen, sein Sprecher Jiří Ovčáček werde beweisen, dass die zwei Artikel existieren. Nachdem Ovčáček im April noch keine der beiden Schriften vorlegen konnte, entschuldigte sich Zeman für die Verzögerung bei der Suche. Dies ändere aber nichts daran, dass er die Artikel mit eigenen Augen gesehen habe, und daher werde er seine Äußerungen nicht zurücknehmen, betonte der Präsident.
Relativ schnell wurde klar, dass einer der Artikel von einem anderen Autor verfasst wurde, und dass der Hitler-Artikel nicht existiert. Peroutkas Enkelin Terezie Kaslová fordert daher eine öffentliche Entschuldigung des Staatsoberhaupts:„Ich bestehe darauf, dass sich der Präsident für seine Äußerungen entschuldigt. Dafür, dass er behauptet hat, Ferdinand Peroutka sei der Autor der Artikels ´Hitler ist ein Gentleman´. Peroutka ist auch nicht der Autor des zweiten Artikels, den der Präsident angeführt hat. Und natürlich will ich eine Entschuldigung für die Aussage, Peroutka sei von dieser abartigen Ideologie fasziniert gewesen.“
Eine finanzielle Entschädigung für die Verleumdung ihres Großvaters wolle sie aber nicht einklagen, versichert Kaslová:
„Ich verlange kein Geld, denn mir geht es einzig und allein um die Ehre eines Menschen, der sich selbst nicht verteidigen kann. Zudem wäre es unsinnig zu bestimmen, welchen finanziellen Wert die Ehre eines Menschen hat.“Nach ihrer Anzeige habe sich immerhin der Rechtsanwalt des Präsidenten bei ihr gemeldet, und am Mittwoch kämen die Anwälte beider Seiten zusammen, um die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen. Womöglich können sie sich dabei auf eine außergerichtliche Einigung verständigen, wie sie Zemans Sprecher bereits in Aussicht gestellt hat. Doch daran hat der Politologe Lukáš Jelínek so seine Zweifel:
„Ich habe nicht das Gefühl, dass Miloš Zeman zu den Menschen gehört, die ihre Schuld offen zugeben. Ich rechne deshalb damit, dass die ganze Geschichte auch am Mittwoch noch nicht ausgestanden ist. Selbst dann nicht, wenn sich die Anwälte darauf verständigen sollten, dass man sich von Seiten der Prager Burg in irgendeiner Weise entschuldigen wird.“
Und Jelínek schiebt ein wenig ironisch nach, weshalb er die „Causa Peroutka“ für eine ganz absurde Geschichte hält:„Es sieht doch so aus, als ob Miloš Zeman den Artikel ´Hitler ist ein Gentleman´ in einem einmaligen Druckexemplar gelesen hat, das vermutlich gleich nach seiner Lektüre verbrannt ist, denn es ist inzwischen unauffindbar. Dabei ist es nicht schwierig, von der angeführten Wochenzeitung alte Ausgaben zu finden. Zudem sind nach Zemans Aussagen jede Menge Exemplare des Artikels aufgetaucht, die sich allesamt als Fälschungen erwiesen haben.“