Fall Peroutka: Gericht verurteilt Präsidentenkanzel wegen Verleumdung

Ferdinand Peroutka (Foto: Archiv von Slávka Peroutková, Tschechischer Rundfunk)

Ferdinand Peroutka hat in der Zwischenkriegszeit den tschechischen Journalismus geprägt. Die Nationalsozialisten verschleppten ihn ins Konzentrationslager. Vor gut einem Jahr behauptete der tschechische Staatspräsident Miloš Zeman jedoch, Peroutka sei von Hitler fasziniert gewesen. Die Enkelin des früheren Journalisten verklagte die Präsidentenkanzlei daraufhin wegen Verleumdung. Nun hat ein Gericht in erster Instanz entschieden.

Ferdinand Peroutka  (Foto: Archiv von Slávka Peroutková,  Tschechischer Rundfunk)
Es war bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Holocaust, bei der Präsident Zeman Ende Januar 2015 öffentlich sagte:

„Ferdinand Peroutka hat im prestigeträchtigen Magazin ‚Přítomnost‘ einen Beitrag veröffentlicht mit dem Titel ‚Hitler ist ein Gentleman‘.“

Zeman fügte zudem noch einen Satz an, den Peroutka geäußert haben soll: „Wenn wir nicht mit den Engeln singen können, müssen wir mit den Wölfen heulen.“ Das führte Zeman als Beweis an, dass Peroutka als „Intellektueller versagt“ hätte.

Historiker wiesen aber darauf hin, dass Peroutka weder den besagten Beitrag geschrieben hat, noch das Zitat von ihm stammt. Der Staatspräsident behauptete jedoch, er habe den Zeitschriftenartikel mit eigenen Augen gesehen. Seine Mitarbeiter starteten darauf eine intensive Suche in den Archiven. Allerdings bisher erfolglos. Peroutkas Enkelin Terezie Kaslová verklagte die Präsidentenkanzlei. Das Amtsgericht für den ersten Prager Stadtbezirk verhandelte am Mittwoch den Fall. Richterin Kateřina Sedláková:

Terezia Kaslová  (Foto: ČTK)
„Vom Staatspräsidenten darf prinzipiell erwartet werden, dass er wahrheitsgetreue und geprüfte Informationen veröffentlicht und zudem Respekt beweist vor den Persönlichkeitsrechten anderer.“

Das Gericht verurteilte die Präsidentenkanzlei, sich öffentlich für Zemans Worte zu entschuldigen. Hintergrund ist, dass nicht der Staatspräsident selbst verklagt wurde, sondern der tschechische Staat. Peroutka-Enkelin Terezie Kaslová:

„Natürlich wäre es schöner, wenn sich der Herr Präsident von sich aus entschuldigen würde. Ich glaube, er hat selbst mehrfach gesagt, dass ein richtiger Mann zu einer Entschuldigung fähig sein sollte. Für mich ist es aber auch schon eine Genugtuung, dass sich jemand anderes für den Präsidenten entschuldigt.“

Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Die Präsidentenkanzlei kündigte an, sie wolle in Berufung gehen. Jiří Ovčáček ist Zemans Sprecher:

„Unserer Ansicht nach wird ein Verfahren in höherer Instanz tiefer in die Materie eindringen. Dann wird sich das Gericht nicht nur mit der Frage beschäftigen, ob der inkriminierte Zeitschriftenartikel existiert beziehungsweise seine Existenz bewiesen werden kann. Vielmehr dürfte es sich auch mit dem zweiten Teil der Aussage von Präsident Zeman beschäftigen, dass Ferdinand Peroutka in einer bestimmten Phase dem Nationalsozialismus erlegen ist.“

Petr Zídek  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Ovčáček kündigte an, man werde notfalls bis vor das Verfassungsgericht ziehen. Vier Historiker haben aber im Verfahren am Mittwoch schon die Existenz des Zeitschriftenbeitrags bestritten. Laut Petr Zídek, einem weiteren Geschichtswissenschaftler, ist Peroutka ganz einfach nichts anzulasten.

„Kein journalistischer Beitrag von Peroutka aus den Jahren 1938 und 1939 deutet darauf hin, dass er in irgendeiner Weise fasziniert war vom Nationalsozialismus. Er gehörte viel mehr zu seinen Hauptgegnern“, so Zídek.

Als politischer Häftling saß Peroutka von 1939 bis 1945 in den Konzentrationslagern Buchenwald und Dachau. Später war er ein entschiedener Gegner des Kommunismus. Von 1951 bis 1961 leitete er in München die tschechisch-sprachige Redaktion von Radio Freies Europa. Ferdinand Peroutka starb 1978 in New York. Heute trägt der wichtigste tschechische Medienpreis seinen Namen.