„Erfolgsgeschichte Tschechien“ – tibetischer Premier Sangay zu Besuch in Prag
Die Tschechische Republik als Inspirationsquelle – so bezeichnete der Premierminister der tibetischen Exilregierung, Lobsang Sangay, seine Verbindung zu dem Land, das er diese Woche besucht hat. Der weltliche Anführer der Exilregierung Tibets war zum Forum 2000 gereist, der jährlich stattfindenden Konferenz politischer und wirtschaftlicher Größen für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz. Dort sprach er am Montag nicht nur vor Publikum, am Morgen traf er sich auch mit tschechischen Politikern des „Vereins der Freunde Tibets“.
Schon seit Jahren besteht eine besondere Verbindung zwischen seinem Volk und der Tschechischen Republik. Der ehemalige tschechische Staatspräsident Václav Havel war mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama, eng befreundet. Zum Jahrestag des tibetischen Aufstandes gegen die Repression durch China hissen tschechische Lokalpolitiker regelmäßig die tibetische Flagge – im vergangenen Jahr waren über 400 Kommunen beteiligt. Einen Dämpfer erhielt das gute Verhältnis kürzlich durch eine Aussage des tschechischen Premiers. Regierungschef Petr Nečas betonte, dass solche Sympathien nicht die wirtschaftlichen Beziehungen zu China beeinträchtigen dürften. Dem entgegen versucht eine Gruppe Abgeordneter, im „Verein der Freunde Tibets“, Sprachrohr des von China unterdrückten Volkes zu sein. Der Verein traf sich am Rand des Forums 2000 mit dem Premierminister der tibetischen Exilregierung, die in Nordindien ihren Sitz hat. Bei dem Treffen auf der Prager Kleinseite sagte Lobsang Sangay, dass der tschechische Kampf für Freiheit und Demokratie ihn und das tibetische Volk dazu inspirieren würde, weiter für ihre Rechte zu kämpfen:
„Wir wollen Freiheit erreichen und zwar gewaltlos. Die Tschechoslowakei ist eine Erfolgsgeschichte: Die Demokratie wurde friedlich zurückgebracht. Wenn es dort funktioniert hat, sollte es bei uns auch funktionieren.“Tibet ist eine von fünf autonomen Regionen in China. Die Autonomie wird aber nur teilweise umgesetzt, denn über den autonomen Verwaltungsinstitutionen steht die kommunistische Partei der Volksrepublik China. Der Premier der tibetischen Exilregierung beschreibt die Situation so:
„Tibet steht unter ungeklärten Gesetzen. Täglich kommen weitere militärische Truppen in das Gebiet. Die politische Repression ist sehr stark. Es gibt keine Meinungsfreiheit. Man darf nicht protestieren, demonstrieren – dann wird man verhaftet, gefoltert und manchmal verschwindet man auch.“Darum freue sich Sangay über jede Art der Unterstützung auch von Gruppierungen wie dem „Verein der Freunde Tibets“. Premier Nečas zeigte sich beim Thema Tibet hingegen besorgt, die guten wirtschaftlichen Beziehungen zu China nicht zu gefährden. Petr Bratský ist Nečas’ Parteifreund, aber auch Mitglied des „Vereins der Freunde Tibets“. Er erklärt, warum ihm Engagement trotzdem wichtig ist:
„Wir sind keine verrückten Fans des Dalai Lama. Wir sind vernünftige Menschen, die einen Dialog über Freiheit, Demokratie und Menschenrechte in verschiedenen Ländern führen - zum Beispiel auch in Weißrussland oder in Kuba.“Das will eigentlich auch die tibetische Exilregierung. Wie der Dalai Lama fordert auch sie eine echte Autonomie innerhalb Chinas. Lobsang Sangay:
„Das heißt, dass wir Chinas Souveränität und territoriale Integrität nicht herausfordern. Wenn die chinesische Regierung ihre eigenen, geltenden Gesetze umsetzt – die Verfassung und die Erklärung der nationalen Minderheitenrechte –, sehen wir das als wirkliche Autonomie an. Wir haben einen sehr rationalen und moderaten Standpunkt.“
Doch die Volksrepublik China fühlt sich von den Protesten der Tibeter in ihrer Integrität bedroht. Bisher haben sich die Exilregierung und Peking daher in der Frage der Autonomie nicht annähern können. Der Konflikt bleibt also weiter offen – und die Tschechische Republik für die Tibeter weiterhin ein Vorbild.