Quote oder kämpfen? Frauenmangel in politischen Ämtern
Am 12. und 13. Oktober müssen die Bürger der Tschechischen Republik an die Urne. Es stehen die Wahlen in die Kreisvertretungen an. Die Wahlwerbetrommel wird bereits gerührt und die Opposition hofft auf eine deftige Schlappe der Regierungsparteien. Eine Schlappe anderer Art fürchtet die Organisation Forum 50 Prozent. Sie kämpft für mehr Frauen in Wirtschaft und Politik und hat am 25. September eine Studie vorgestellt. Die NGO rechnet mit einem Rückgang des Anteils von Frauen in der Politik. Abhilfe soll die Kampagne „Gebt Damen Vorfahrt“ schaffen. Mehr über die Situation der Frauen in der tschechischen Politik nun in unserer Sendereihe „Forum Gesellschaft“.
„Die Politik war ja traditionell eine Männerdomäne. Letztendlich haben Frauen dann das Wahlrecht erhalten, zuerst vor etwa einem Jahrhundert. Es fiel ihnen nicht in den Schoß, sie mussten dafür hart kämpfen und einige Opfer beklagen, zum Beispiel in der Generation der Suffragetten. Das passive Wahlrecht, also gewählt zu werden, ist für Frauen dagegen noch immer schwer durchzusetzen, denn die Frauen haben in der Politik nicht die gleichen Bedingungen wie die Männer.“
In Tschechien sind im internationalen Vergleich relativ wenige Frauen in der hohen Politik vertreten. In der Regierung von Premier Petr Nečas gibt es nur zwei Frauen, Kulturministerin Alena Hanáková und Vizepremierministerin Karolína Peake. Auch bei den anstehenden direkten Präsidentenwahlen im Januar 2013 haben bisher nur zwei Frauen die nötigen Unterschriften zusammengebracht: Jana Bobošíková und Zuzana Roithová. Beide gehören aber nicht zu den Favoriten.In der Kommunalpolitik ist der Anteil von Frauen höher, die wirklich machtvollen Positionen erreichen sie aber auch hier nicht – so sind von 24 Großstadt-Oberbürgermeistern nur drei weiblich. Besonders auf der Kreisebene bilden Frauen eine Minderheit: nur 17,6 Prozent der Politiker sind weiblichen Geschlechts. Warum das so ist, weiß Jana Smiggels Kavková:
„Die Mehrheit der Entscheidungen bis hin zu staatlichen Aufträgen oder wer auf welchem Listenplatz landet, werden in informellen Netzwerken entschieden – und dort haben Frauen keinen Zugang.“Natálie Jaššová ist ehrenamtliche Gemeindevertreterin in Budišov nad Budišovkou. Sie ist parteilos, hat aber auf der Liste der Christdemokraten (KDU-ČSL) kandidiert. Sie erzählt, wie sie in die Politik kam:
„Damals hat mich der ehemalige Bürgermeister, der Führer der KDU-ČSL bei uns hier, gebeten, auf seiner Liste zu kandidieren. Und weil ich ihn sehr hoch schätze, habe ich gedacht, auch ich sollte etwas für unsere Stadt tun.“
Allerdings wollte die Deutschlehrerin keine reine Zählkandidatin werden und hat Forderungen gestellt:„Ich wollte dabei aber auch wirklich in die Stadtvertretung kommen und nicht nur die Kandidatenliste auffüllen. Also habe ich ihm gesagt, dass ich unter den ersten fünf auf der Kandidatenliste sein möchte.“
Natürlich erhalten die Personen ganz oben auf der Liste die meisten Stimmen – Frauen stehen aber meistens in der unteren Hälfte. Vor der nun anstehenden Wahl in die Kreisvertretungen hat das Forum 50 Prozent eine Studie erstellt. Sie ermittelt, welche Partei wie viele Frauen auf welchem Listenplatz aufstellt. Am schlechtesten schneidet dabei die Regierungspartei von Premier Nečas ab. Die Bürgerdemokraten von der ODS liegen bei 19 Prozent Frauen, unter den ersten fünf Plätzen ihrer Liste sind nur 11 Prozent weibliche Kandidaten, unter den ersten zehn Plätzen sind es 12 Prozent. Am besten schneiden die Grünen ab. Sie stellen insgesamt 33 Prozent Frauen auf. Auf den ersten fünf Listenplätzen sind 34 Prozent Frauen vertreten, unter den ersten zehn Plätzen 35 Prozent. Die größte Oppositionspartei, die Sozialdemokraten, rangieren im Mittelfeld. Auf ihrer Liste kandidieren immerhin 25 Prozent Frauen, aber auch bei ihnen finden sich auf den ersten fünf Listenplätzen nur 18 Prozent Frauen.
Oft wird Frauen vorgeworfen an der Misere selbst Schuld zu sein und kein Interesse an der Politik zu haben. Daher gebe es nur wenige sichtbare und erfolgreiche Politikerinnen. Jana Smiggels Kavková widerspricht:„Schauen Sie einmal, wie viele Frauen Parteimitglieder sind: Die Zahlen bewegen sich zwischen 30 und 55 Prozent, in der KDU-ČSL sind sogar mehr Frauen als Männer Mitglied. Das zeigt doch deutlich, dass man nicht sagen kann, Frauen hätten kein Interesse an Politik. Auch beim zivilgesellschaftlichen Engagement, zum Beispiel in Nichtregierungsorganisationen, die ja auch eine Form der Politik betreiben, wenn auch keine Parteipolitik. Da ist ein klares Interesse an öffentlichen Prozessen, und dort sind Frauen in der erdrückenden Mehrheit.“
Die Frauen in Tschechien haben also schon den Wunsch, aktiv das öffentliche Leben mitzugestalten – aber offensichtlich nicht in öffentlichen Ämtern. Natálie Jaššová, selbst Mutter eines kleinen Kindes, weist auf ein weiteres Problem hin:
„Es hängt auch mit der Rolle der Frau in unserer Gesellschaft ganz allgemein zusammen. Einerseits denkt man hier: Wenn die Frau ein Kind hat, dann gehört sie in die Familie und sollte sich mehr um den Haushalt und um die Arbeit mit den Kindern kümmern. Andererseits hilft die Gesellschaft einer Frau mit Kindern oder mit Familie nicht, sich auch irgendwie anders zu realisieren. Das müssen die Frauen selbst machen. Es ist nur die Frage, ob sie es wirklich wollen und hart dafür kämpfen werden.“
Die Organisation Forum 50 Prozent möchte die Frauen in ihrem Kampf unterstützen. Wie das geschehen soll, erklärt ein weiterer Werbespot:„Zum Glück existiert eine schnelle und bewährte Methode: Eine Quote! Die Quote stellt ein gerechtes Verhältnis und eine gerechte Platzierung von Männern und Frauen auf den Kandidatenlisten sicher. Sie ist ein vorübergehender und in vielen Ländern erprobter Modus, um eine gleichmäßige Vertretung von Männern und Frauen in der Politik zu erreichen.“
Die Direktorin der NGO erläutert die Idee und den Umfang solcher Quoten für Kandidatenlisten:
„Wir würden es sehr begrüßen, wenn es eine Quote gäbe. Diese sollte bei 30 Prozent liegen. Das wäre meiner Meinung nach mit Blick auf die derzeitige Situation machbar. Unsere Idealvorstellung wäre natürlich die Parität, also eine wirklich gleiche Vertretung beider Geschlechter. Diese Parität läge bei etwa 40 Prozent. Unsere Organisation heißt zwar 50 Prozent, aber es würden uns bereits 40 Prozent genügen. Denn zwischen 40 und 60 Prozent würde es wirklich schon zu einem Ausgleich beider Geschlechter kommen und das wäre für mich das Ideal. Ich sehe aber ein, dass es bis dahin noch ein langer Weg für uns sein wird.“ Die Gemeindevertreterin Jaššová sieht das anders: Ihrer Meinung nach müssen die Frauen ihre Sache selbst in die Hand nehmen:„Die Frauen müssen selbst wollen. Wenn sie nicht wollen, dann können keine Quoten helfen.“
Dabei wünscht sie sich mehr Frauen in der tschechischen Politik. Nicht nur, um eine Gleichverteilung von Mandaten und Ämtern unter den Geschlechtern zu erreichen. Sondern auch, weil sie sich eine Änderung der politischen Kultur Tschechiens erhofft. Diese Änderungen hat sie bei einer Frau aus dem Lager des politischen Gegners bereits beobachten können:
„Zum Beispiel bei Frau Němcová (Parlamentspräsidentin, Mitglied der ODS, Anm. d. R.): Da sieht man, wie sich die Atmosphäre ändert, alleine wenn sie hereinkommt oder etwas sagt. Ich finde, Frauen können viele Sachen besser machen oder mindestens besser sagen. Frauen denken über eine Sache länger nach, bevor sie etwas sagen, die Männer wollen dagegen immer nach vorne drängen. Frauen sind nicht so aggressiv und das ist vielleicht ihr Fehler. Ich würde sagen, unsere Gesellschaft und unsere Politik braucht mehr solche Frauen wie zum Beispiel Frau Němcová.“Zur Einführung einer Quote hat das Forum 50 Prozent eine „Koalition für ausgeglichene Vertretung von Frauen und Männern in der Politik“ ins Leben gerufen. Es ist eine Petition, die bereits von vielen Menschen unterschrieben wurde. Darunter finden sich auch prominente Unterstützer, wie die ehemalige Verfassungsrichterin Eliška Wagnerová oder der Gründer der erfolgreichen Firma Student Agency, Radim Jančura. Ob die Kampagne Erfolg haben wird, werden die Wahlen zeigen.