Prozess gegen Bárta und Co. als Sittenbild der tschechischen Politik?
Einst waren die Politiker Vít Bárta, Kristýna Kočí und Jaroslav Škárka wichtige Protagonisten der Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV). Vor etwa einem Jahr kam es jedoch zum Bruch, denn der einflussreiche frühere Unternehmer Bárta soll die beiden anderen Politiker bestochen haben, um sich ihre Loyalität zu erkaufen. Bárta hingegen spricht von einem Privatkredit, mit dem er seinen damaligen Freunden aus der Klemme helfen wollte. Vergangene Woche trafen sich die drei vor Gericht. Es begann ein Prozess, bei dem es vordergründig um Korruption und Bespitzelung in der Politik geht. Ob das Gerichtsverfahren auch als Sittenbild der tschechischen Politik dienen kann, erfahren Sie im folgenden Schauplatz.
„Jeder in der Partei muss damit rechnen, dass alles, was er sagt, von jemandem anderen verdeckt mitgeschnitten wird. Wie sich herausgestellt hat, hat Frau Kočí eine ganze Serie von Ton-Aufnahmen angelegt, Herr Škárka sogar eine Videosammlung. Mit anderen Worten, jeder aus unserer Partei, der mit diesen beiden in der Vergangenheit in Kontakt war, muss damit rechnen, dass er bespitzelt wurde.“
In den nächsten Wochen will das Gericht die Aufnahmen sowie rund 30 Zeugenaussagen auswerten. Deswegen wurden die Hauptverhandlung und das Urteil in den April verschoben.
Die anderen politischen Mitbewerber haben sich zum Prozess, bis auf Ausnahmen, bisher nur zurückhaltend geäußert. Überraschend klar positionierte sich hingegen Präsident Klaus, der letzte Woche anlässlich des Jahrestags seiner Amtseinführung eine Reihe von Interviews gab, in denen er Bilanz über die bisherigen neun Jahre an der Staatsspitze zog. In diesem Zusammenhang bezog er auch Stellung zum Gerichtsprozess gegen Vít Bárta:„Das Ganze ist eine sehr unglückliche Sache. Eine Reality-Show, die live übertragen wird und in die jeder Beobachter alles Mögliche und Unmögliche hineininterpretieren kann. Da werden Sachverhalte, denen ein kriminelles Motiv zu Grunde liegt, mit allgemein politischen Themen vermischt. Es ist auf jeden Fall ein zerstörerisches Element für das gesamte politische System der Tschechischen Republik. Es handelt sich um eine sehr riskante Angelegenheit, die uns alle sehr beschädigt.“
Die Medien haben dem Prozess in der vergangenen Woche viel Raum gewidmet. Die Kommentare vermittelten fast schon den Eindruck, als ob nicht die Hauptakteure der Korruptionsaffäre, Vít Bárta und Jaroslav Škárka, auf der Anklagebank säßen, sondern die ganze Partei.
Welche Auswirkungen könnte der Prozess, unabhängig vom Urteil, auf die politische Landschaft des Landes haben? Schadet dieser Prozess tatsächlich dem gesamten politischen System des Landes, wie das Präsident Klaus meint? Dazu der Politikwissenschaftler Josef Mlejnek von der Prager Karlsuniversität gegenüber dem Inlandsprogramm des Tschechischen Rundfunks:
„Ich bin in erster Linie der Auffassung, dass der Prozess die Partei der öffentlichen Angelegenheiten beschädigt. Und ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass das politische System Tschechiens im Endeffekt belebt werden könnte. Diese Partei ist nämlich keine richtige Partei, sondern wurde auf Grund von Marketing-Kriterien am Reißbrett entworfen. Ihre Vertreter verhalten sich nicht wie klassische Politiker, sondern führen sich eher wie Schauspieler auf. Für das politische System Tschechiens ist so etwas auf lange Sicht sehr gefährlich. Sollte nun dieser Gerichtsprozess dazu beitragen, dass die Grundidee, die hinter dieser Partei steckt, enttarnt wird und die Wähler gegenüber solchen Gruppierungen in Zukunft achtsamer wären, dann könnte das dem politischen System sogar helfen.“
Wie sieht es jedoch mit den Folgen für die übrigen tschechischen Parteien aus? Bis auf die Opposition hielten sich die meisten Politiker mit ihren Kommentaren und Urteilen zurück. Politologe Mlejnek glaubt durchaus, dass der Prozess auf die übrigen Parteien abfärben wird:„Natürlich werfen der Prozess und die dort thematisierten Praktiken auch einen Schatten auf die übrigen Parteien. Dies schließt jene Parteien ein, die dem klassischen Bild einer Partei aus den westlichen Demokratien entsprechen. Man kann nicht nach einem Schwarz-Weiß-Muster gehen und behaupten, nur die Partei der öffentlichen Angelegenheiten stehe für das Schlechte und Negative in der tschechischen Politik, wie etwa für die Korruption oder die gesetzeswidrige Bespitzelung von politischen Weggefährten. So etwas ist leider auch bei den anderen politischen Parteien aufgetaucht. In Tschechien gibt es aber immer noch Parteien mit einer wirklich langen Tradition, mit einer bedeutend größeren Zahl an Mitgliedern und transparenten Entscheidungsstrukturen. Die eigentliche Gefahr solcher Gruppierungen wie der Partei der öffentlichen Angelegenheiten sehe ich in dem Versuch, mit viel Geld und unter systematischer Anwendung von Spitzelmethoden der Öffentlichkeit vorzugaukeln, dass die fast wie bei einem Casting angeheuerten Vertreter der Partei richtige Politiker wären. Vít Bárta und Radek John konnten diese Illusion herstellen und haben bei den letzten Wahlen zehn Prozent der Wähler überzeugt.“
Die Partei der öffentlichen Angelegenheiten ist vor zwei Jahren mit dem Anspruch in den politischen Ring gestiegen, die Korruption im Land zu bekämpfen und für ein neues Klima in der Politik zu sorgen. Doch nun besteht die Gefahr, dass sie selbst in einem Sumpf aus Korruption und Spitzelmethoden untergeht. Für die Wähler ist das wohl keine gute Nachricht. Werden sie sich also endgültig von der Politik abwenden? Dazu noch einmal die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Josef Mlejnek von der Prager Karlsuniversität:„Natürlich kann solch ein Prozess noch zusätzlich das Vertrauen der Bürger in die Politik und die politischen Akteure verringern. Da könnte man sogar der Kritik zustimmen, die Präsident Václav Klaus geäußert hat. Aber auch ein positiver Nebeneffekt ist möglich. Falls das Urteil gerecht ausfällt und durch Beweise untermauert ist, dann könnte das wenigstens das ebenfalls siechende Vertrauen der Bürger in die Justiz erhöhen.“