Ehrung für Willy Brandt in Prag: „Die Prager Erfahrung 1968 hat ihn bestärkt, die Entspannungspolitik voranzutreiben“
Engagierte junge Stadträte aus dem sechsten Prager Bezirk hatten Anfang dieses Jahres den Plan, Willy Brandt, den Erfinder der deutschen „neuen Ostpolitik“, auch in der tschechischen Hauptstadt zu ehren. Seit Donnerstag heißt nun ein Park im Stadtteil Bubeneč nach dem ehemaligen Bundeskanzler, zudem erinnert ein Gedenkstein an den SPD-Politiker. Zur Einweihung war auch Brandts Sohn, der Historiker Peter Brandt, vor Ort. Im folgenden Interview sprach er über seine Beziehungen und die seines Vaters zu Tschechien und Prag.
„Ich kann aus meiner Perspektive dazu sagen, dass es schon eine besondere Verbindung von Willy Brandt zu Prag und zur Tschechischen Republik gibt. Er war 1947 einige Zeit in Prag und hat diese Übergangszeit von der deutschen Besetzung zur kommunistischen Diktatur erlebt und hatte damals sehr große Hoffnungen in die Entwicklung des politischen Lebens gehabt. Es gab ja mehrere Parteien und einen gewissen Pluralismus, natürlich keinen unbegrenzten, aber zumindest gab es, nicht nur bei ihm, erhebliche Hoffnungen, dass das stabilisiert und weiterentwickelt werden könnte. Dann kam aber die große Enttäuschung mit dem Umsturz im Februar 1948 und in gewisser Weise noch einmal etwas Ähnliches dann 20 Jahre später mit dem Prager Frühling und der Intervention.“
Hat er privat über diese Invasion 1968 gesprochen, haben Sie als Sohn etwas davon mitbekommen?„Also 1968 war ich selber engagiert, mich hat das damals sehr stark berührt. Ich fühlte mich solidarisch und habe auch Solidaritätsarbeit gemacht. Ich habe tschechische Exilanten mitbetreut und den Kontakt gehalten. Mit meinem Vater habe ich darüber auch gesprochen. Wir waren nicht unbedingt auf einer Linie damals, ich stand viel weiter links als er. Aber in einem waren wir uns völlig einig: dass wir große Hoffnung in die Prager Erfahrung gesetzt haben. Bei ihm war es ja so, dass - was manche in Osteuropa schwer verstehen konnten - gerade die Prager Erfahrung ihn bestärkt hat, die Entspannungspolitik voranzutreiben.“
Wenn eine solche Benennung nach ihrem Vater in Ostmitteleuropa stattfindet, was fühlen Sie da? Ist das etwas Persönliches oder eher etwas Professionelles, das der Historiker wahrnimmt?„Ich habe ja beide Rollen, also Sohn und Historiker, und deswegen bin ich auch hier. Ich bin seit meiner Kindheit gewöhnt, dass mein Vater nicht nur mir gehört. Dazu kommt die berufliche Sphäre, die mich darauf getrimmt hat, immer etwas Distanz zu halten. Aber trotzdem gibt es diese persönliche Ebene. Ich finde es immer noch sehr beeindruckend, dass gerade im östlichen Mitteleuropa diese Lebensleistung meines Vaters anerkannt wird. Dass auch anerkannt wird, was die Entspannungspolitik eigentlich in Bewegung gebracht hat. Sicher war sie nicht die einzige Ursache für den Systemwechsel, der sich dann vollzogen hat, aber doch eine wichtige Vorraussetzung dessen. Das finde ich auch persönlich berührend.“