Vor 50 Jahren: Prager Vertrag zwischen Tschechoslowakei und Deutschland
Als Prager Vertrag wird der Vertrag über die gegenseitigen Beziehungen zwischen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet. Er wurde vor genau 50 Jahren, am 11. Dezember 1973, unterzeichnet. Dabei stand die Erklärung über die Nichtigkeit des Münchner Abkommens von 1938 im Mittelpunkt.
Vor einer Stunde sei im Černín-Palais in Prag der Vertrag über die gegenseitigen Beziehungen zwischen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet worden, berichtete der Tschechoslowakische Rundfunk am 11. Dezember 1973. Für die tschechoslowakische Seite unterzeichneten Premier Lubomír Štrougal und Außenminister Bohuslav Chňoupek und für Deutschland Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und Außenminister Walter Scheel (FDP) das Dokument, mit dem die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten angeknüpft wurden.
Der sogenannte deutsch-tschechoslowakische Normalisierungsvertrag war Teil der deutschen Ostpolitik und der letzte der Ostverträge, in denen Vereinbarungen über die Nachkriegsgrenzen Deutschlands mit Osteuropa getroffen wurden. Für die tschechoslowakische Regierung habe er jedoch keinen hohen Stellenwert gehabt, sagt der Historiker Prokop Tomek vom Militärgeschichtlichen Institut.
„Der Druck kam eher von der Sowjetunion, für die die gesamte Kette von Verträgen im Wesentlichen dazu diente, territoriale Gewinne in Europa, also den Status quo zu sichern. Schon im ersten sowjetisch-deutschen Vertrag wurde erklärt, dass sich an den Grenzen in Europa nichts ändern werde. Und von deutscher Seite war man eher bestrebt, die Beziehungen zu Ostdeutschland schrittweise zu regeln beziehungsweise sich vielleicht in Zukunft mit der DDR wiederzuvereinigen.“
Die Tschechoslowakei beharrte bei den drei Jahre lang dauernden Verhandlungen vor der Vertragsschließung darauf, das Münchner Abkommen von 1938 „von Anfang an“ und entsprechend zu annullieren. Durch das Abkommen hatte die Tschechoslowakei ihre deutschsprachigen Grenzgebiete an das Deutsche Reich abtreten müssen.
„Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags in München betrachteten die Vertragsparteien das Abkommen natürlich als gültig. Es hatte theoretisch zumindest bis zum 15. März 1939 Bestand, als Hitler es grundlegend verletzte, indem er den Rest der Tschechoslowakei zerschlug, dessen Existenz durch den Vertrag garantiert war.“
Soweit Prokop Tomek. Wäre das Münchner Abkommen von Anfang an nicht gültig gewesen, hätte dies interessante Konsequenzen gehabt, sagt der Historiker:
„Wenn der Vertrag gar nicht gültig gewesen wäre, wären die Sudetendeutschen immer noch Bürger der Tschechoslowakischen Republik gewesen und durch den Dienst in der Wehrmacht zu Verrätern geworden. Und nach dem Krieg wären sie als tschechoslowakische Bürger vertrieben worden. Das wäre rechtlich ein ziemlich großes Problem gewesen.“
Deutschland weigerte sich, dies anzunehmen.
„In diesen Verhandlungen vertrat Deutschland die Auffassung, dass es die Nichtigkeit des Münchner Abkommens anerkenne, allerdings erst ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Prager Vertrags und nicht schon in der Vergangenheit.“
Schließlich akzeptierte die tschechoslowakische Seite diese Nullitätsformel. Problematische Aspekte wie die Frage der Entschädigung und Rechte deutscher Vertriebener wurden ausgeklammert.
„Am selben Tag wurde vereinbart, Botschaften in Prag und Bonn zu eröffnen, was sicherlich einen großen Fortschritt in den Beziehungen bedeutete.“
Die endgültige Regelung der tschechisch-deutschen Beziehungen erfolgte jedoch erst nach dem Fall des kommunistischen Regimes. 1992 wurden der „Vertrag zwischen Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ und 1997 die „Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung“ unterzeichnet.