Tschechische Sportler sorgen in Westeuropa für Furore

Tomáš Berdych (Foto: ČTK)

Köln und Paris sind zwei westeuropäische Städte mit großer Anziehungskraft. Sie haben viele touristische Attraktionen und sind auch für Wirtschaft und Medien von großer Bedeutung. In den vergangenen Tagen aber wurde vor allem der Sport in ihren Bann gezogen. Und das mit sehr guten Ergebnissen für tschechische Akteure, die dort gastierten beziehungsweise noch gastieren.

Filip Jícha mit dem Pokal für den besten Torschützen nach dem Handball-Champions-League-Finale  (Foto: ČTK)
Die Kölner Lanxess Arena ist ein gutes Pflaster für den tschechischen Sport. Denn nur eine Woche nach dem großartigen WM-Sieg der tschechischen Eishockey-Nationalmannschaft in Europas größter Indoor-Halle, konnte dort ein Tscheche erneut einen wertvollen Mannschaftspokal in die Höhe stemmen. Es ist der Handballer Filip Jícha, der am vergangenen Sonntag mit dem THW Kiel die Champions League gewann. Damit hat sich für den gebürtigen Pilsener ein Traum erfüllt. Das jedenfalls waren seine Worte, als mir der 28-jährige Ausnahmekönner im Januar in Prag Rede und Antwort stand:

Herr Jícha, als echter Profisportler möchte man ja immer hoch hinaus. Warum muss man dafür in der Bundesliga spielen?

Jícha (lacht): „Ich spiele in Kiel und ich bin dort sehr zufrieden. Mein Jugendtraum ist somit in Erfüllung gegangen. Auf Vereinsniveau ist es also für mich ganz gut, dass ich dort spiele.“

Was hilft Ihnen dabei am meisten? Ist es die Spielpraxis in einer Liga, in der Sie sich ständig mit den besten Spielern der Welt messen können?

Filip Jícha feiert nach dem Spiel gegen den BM Ciudad Real im Halbfinale der Handball-Champions-League  (Foto: ČTK)
„Genau, diese Praxis kann man nirgendwo anders finden. Man trainiert täglich mit den besten Handballern, die es gibt, und man spielt regelmäßig mit ihnen beziehungsweise gegen sie. Darüber hinaus kann man mit diesen Top-Spielern auch ständig über den Handball philosophieren, und zwar darüber, wie man das eigene Potenzial stetig verbessern kann. Ich bin wirklich froh, dass ich in Kiel bin. Hier spielen bestimmt 15 Weltklasseleute, und manche sagen sogar: Wenn Kiel oder andere Spitzenmannschaften der Bundesliga bei einer WM oder EM mitspielen könnten, dann hätten sie große Chancen, diese Meisterschaften zu gewinnen. Das freut mich natürlich, ein Teil von solch einem Team zu sein, und außerdem in einer unbeschreiblichen Atmosphäre mit sehr vielen Zuschauern im Rücken spielen zu können.“

Kiel ist also Ihr Traumverein. Wie lange läuft Ihr Vertrag und was möchten Sie mit Kiel noch erreichen?

Filip Jícha  (Foto: www.thw-provinzial.de)
„Ich habe vorigen Sommer einen neuen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben, nach dem ich noch bis zum Jahr 2014 für Kiel spielen werde. Und was ich erreichen möchte? Ganz einfach: Kiel ist so eingestellt, dass man immer Titel gewinnen will. Für mich persönlich ganz oben steht dabei, dass ich mit Kiel auch einmal die Champions League gewinnen möchte. Die letzten beiden Jahre stand ich mit Kiel jeweils im Finale dieser Liga, doch beide Endspiele haben wir verloren. Ganz, ganz bitter für uns war die Finalniederlage im vergangenen Jahr gegen Ciudad Real. Es wird aber auch in diesem Jahr noch enorm schwierig, die Champions League zu gewinnen. Auf dem Weg dorthin muss man wirklich Schritt für Schritt gehen und sich den Erfolg erarbeiten. Aber wie gesagt: der Gewinn der Champions-League-Krone, das ist mein Traum.“

Filip Jícha  (Foto: www.thw-provinzial.de)
Die letzten Schritte auf dem Weg zum europäischen Gipfel vollzogen Jícha und seine Teamkollegen am zurückliegenden Wochenende beim Final-Four-Turnier in Köln. Im Halbfinale bezwangen sie den spanischen Titelverteidiger Ciudad Real mit 29:27 und im Endspiel den FC Barcelona mit 36:34. In beiden Spielen bot auch Jícha eine Klasseleistung. Gegen Ciudad steuerte er sechs und gegen Barcelona sogar elf Tore zu den Siegen bei. Zudem gewann der Zwei-Meter-Hüne mit 119 Treffern wie im Vorjahr die Torjägerkrone der Champions League. Mit dem THW Kiel kann Jícha in dieser Woche zudem das dritte Mal in Folge deutscher Meister werden. Das wäre fürwahr die Krönung seiner bisher erfolgreichsten Saison, nachdem er bei der Handball-Europameisterschaft in Österreich bereits zum wertvollsten Spieler und besten Torschützen des Turniers gekürt wurde.


Tomáš Berdych  (Foto: ČTK)
Rund 400 Kilometer südwestlich von Köln, in Paris, sorgte zu gleicher Zeit ein tschechischer Tennisspieler für Furore. Die Rede ist von Tomáš Berdych, der beim bedeutendsten Sandplatz-Turnier der Welt erstmals in seiner Karriere in das Halbfinale eines Grand-Slam-Wettbewerbs eingezogen ist. Und das ohne einen einzigen Satzverlust!

Berdych spielt in Paris das Turnier seines Lebens. Schon der Sprung in das Viertelfinale war ein großer Erfolg. Auf dem Weg dorthin eliminierte er unter anderen den Weltranglisten-Vierten, den Briten Andy Murray. Auch das war eine Premiere, denn zum ersten Male hat Berdych einen Top-Ten-Spieler bei einem Grand Slam bezwungen. Und wie gesagt, glatt und sicher in nur drei Sätzen. Nach der Partie war Berdych daher sichtlich zufrieden:

Tomáš Berdych  (Foto: ČTK)
„Das ist heute sehr gut für mich gelaufen und nur das zählt. Ich hatte mit Murray kaum Probleme, denn während der gesamten drei Sätze waren es vielleicht fünf Minuten, in denen er etwas mehr Druck ausübte. Für einen Weltranglisten-Vierten ist das nicht gerade viel, und ich weiß nicht, ob er damit zufrieden ist. Ich aber bin sehr zufrieden mit meiner Leistung und mit dem Ergebnis.“

Im Viertelfinale traf Berdych dann am Dienstag auf den unbequemen Russen Michail Juschni. Aber auch diese Hürde übersprang der 24-Jährige, der in Monaco lebt, souverän. Bei seinem erneuten Drei-Satz-Erfolg ließ sich Berdych auch durch den zwischenzeitlich einsetzenden Regen nicht aus dem Konzept bringen. Nach nur knapp zwei Stunden Spielzeit hatte er Juschni mit 6:3, 6:1 und 6:2 vom Platz gefegt. Während des gesamten Matches verlor Berdych nicht eines seiner Aufschlagspiele, doch erst beim Stand von 4:1 im dritten Satz glaubte er fest an seinen Sieg:

Tomáš Berdych  (Foto: ČTK)
„Wenn man wie ich zu diesem Zeitpunkt schon zwei Breaks erzwungen hat, spielt man einfach besser und befreiter auf. Und diesen Vorteil ließ ich mir auch nicht mehr nehmen. Ich wollte aber nicht mehr abwarten und nur auf meinen Aufschlag bauen. Ich bin vielmehr auf jeden Ball gegangen und habe Juschni keine Chance mehr gegeben.“

Bei dem mit 16,8 Millionen Euro dotierten Sandplatz-Turnier trifft Berdych nun auf den Federer-Bezwinger und Vorjahresfinalisten Robin Söderling aus Schweden. Im Falle eines weiteren Sieges wäre Berdych nach Drobný, Kodeš, Lendl und Korda der fünfte Tscheche, der bei den French Open im Finale des Herren-Einzel steht.


Illustrationsfoto
Trotz dieser Erfolge müssen die tschechischen Sportfans dieser Tage auch einen bitteren Wermutstropfen schlucken. Denn die Fußball-WM in Südafrika rückt immer näher, die Tschechen aber sind bei der Endrunde nicht dabei. Sie müssen derzeit wieder etwas kleinere Brötchen backen. Und auch die Ausrichtung einer EM oder gar WM ist für sie utopisch. Deshalb probiert es der Böhmisch-Mährische Fußballverband jetzt eine Nummer kleiner. Beim Uefa-Kongress im Dezember in Prag wird unter anderem das Veranstaltungsrecht für die U21-EM im Jahr 2013 vergeben. Für die Ausrichtung dieses Turniers hat sich Tschechien beworben. Doch die Konkurrenz ist groß: Nicht weniger als sieben weitere Länder haben sich auch dafür gemeldet. Verbandspräsident Ivan Hašek ist aber zuversichtlich, was die tschechische Kandidatur betrifft:

Ivan Hašek
„Es ist sicher schwer, mit England und den tollen Stadien auf der Insel zu konkurrieren. Dennoch haben auch wir gewisse Möglichkeiten. Im Gegensatz zu einer großen EM oder WM erfüllen wir die Bedingungen für die Nachwuchs-EM ohne weiteres. Dafür sind unsere Stadien durchaus geeignet.“

Im Dezember wird man also sehen, ob der tschechische Fußball zumindest auf diplomatischer Ebene wieder erfolgreich ist.

Autor: Lothar Martin
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