Nato-Botschafter: Suche nach neuer Bündnis-Strategie nicht nur Sache von Experten
Seit dem Ende des Kalten Krieges vor 20 Jahren sucht die Nato ein neues strategisches Konzept. Mit Fall des Kommunismus und dem Ende der bipolaren Welt sind die Bedrohungen vielfältiger geworden. Eine zwölfköpfige Expertengruppe unter Leitung der ehemaligen amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright feilt daher seit dem vergangenen Sommer an der Formulierung einer neuen Nato-Richtlinie. Welche Rolle kann Tschechien dabei spielen? Das wollte Radio Prag vom tschechischen Botschafter bei der Nato, Martin Povejšil, wissen.
Herr Botschafter Povejšil, Premier Fischer sagte vergangene Woche in Washington, dass sich Tschechien „aktiv“ an der Gestaltung der neuen Nato-Strategie beteiligen will. Warum beteiligt sich Tschechien nicht schon jetzt? Tschechien ist schließlich Mitglied der Nato.
„Premier Fischer hat doch nicht gesagt, dass wir uns nicht beteiligen. Selbstverständlich beteiligen wir uns an der Gestaltung des neuen strategischen Konzeptes von Beginn an. Nicht nur durch meine Teilnahme an den Debatten der Nato-Botschafter in Brüssel, sondern auch durch schriftliche Einwendungen, die wir unseren Verbündeten, aber auch der von Madeleine Albright geführten Gruppe übergeben haben. Dabei bemühen wir uns stets die Elemente zu betonen, die wir für wesentlich halten für die Interessen der Tschechischen Republik und für die Allianz als Ganzes.“
Aber warum hat Premier Fischer das in Washington so betont? Haben kleinere Mitgliedsländer nicht genügend Möglichkeiten die neue Ausrichtung des Bündnisses zu beeinflussen? Gibt es in dieser Hinsicht Defizite?
„Ich denke nicht, dass kleine Länder dabei a priori gehandicapt sind. Aber natürlich haben die strategischen Anschauungen kleinerer Verbündeter eine geringere Bedeutung als die der Global Player. Aber wir weisen in dieser Debatte natürlich auf die grundlegenden Interessen der Tschechischen Republik im Rahmen unserer Nato-Mitgliedschaft hin. Das sind besonders die Stärkung des Artikels 4 des Nato-Vertrages zur Konsultationspflicht, im Kontext mit dem grundlegenden Artikel 5, der den militärischen Beistand garantiert. Natürlich betonen wir auch mit Nachdruck, dass die grundlegende Mission der Allianz, also die Verteidigung des eigenen Gebiets, mit den Aufgaben verbunden werden muss, die die Nato außerhalb ihres eigenen Territoriums übernimmt. Diese beiden Pfeiler kommen auch in der Debatte zur Sprache. Und wir nehmen an, dass sie auch entsprechend reflektiert werden in der endgültigen Fassung der neuen Strategie, wenn sie von den Regierungschefs und Präsidenten auf dem Gipfel in Lissabon im November beschlossen wird.“
Wie könnte denn Ihrer Meinung nach die „aktive“ oder „aktivere“ Beteiligung an der Formulierung dieser neuen Strategie aussehen?
„Es ist nötig, dass die Debatte nicht nur in Form irgendwelcher Seminare unter Beteiligung von Akademikern und Experten abläuft, sondern dass es auch zu einer Interaktion der Regierungen, verantwortungsbewusster Politiker und weiterer Vertreter der Bündnispartner kommt. Denn letztendlich ist die Nato eine typische internationale Organisation der Zusammenarbeit zwischen Regierungen, in der die Regel des Konsenses gilt. Und wenn kein Konsens gefunden wird, gibt es keine Einigung.“