Schon vor 25 Jahren: deutsch-tschechoslowakische Umweltschutz-Konferenz
Wir schreiben das Jahr 1985. Das kommunistische Regime sitzt noch fest im Sattel und nichts deutet auf den nicht einmal fünf Jahre später folgenden Zusammenbruch des Systems hin. Dennoch: schon damals begann man sich über das Thema Umweltschutz Gedanken zu machen. Mitte März 1985 fand in Prag eine deutsch-tschechoslowakische Umweltschutzkonferenz statt. Das Erstaunliche dabei: die kommunistische Regierung diskutierte nicht etwa mit einer Delegation aus Ostberlin, sondern mit Vertretern der Bundesrepublik und des Landes Nordrhein-Westfalen.
Damals wie heute war der 15. März ein grauer Wintertag in der tschechischen Hauptstadt. Der Winter wollte sich nicht so recht verabschieden, dennoch hatten die Mitglieder des Kommunistischen Jugendverbandes in den Straßen Prags schon mit dem Frühjahrsputz begonnen. Zu Dutzenden schwirrten sie aus, um Laub, Streusand und unter dem Schnee zum Vorschein gekommene Abfälle zu beseitigen.
Um Umweltschutz im größeren Stil ging es derweil im Prager „Kulturpalast“, dem heutigen Kongresszentrum. Die Zusammensetzung der
Expertenrunde, die dort tagte, war vor dem Hintergrund der damaligen politischen Situation durchaus bemerkenswert. Vielleicht verschlug es dem Nachrichtensprecher im Tschechoslowakischen Fernsehen auch deshalb kurzfristig die Sprache:„Inland: Im Prager Kulturpalast ist heute das Symposium mit dem Titel …ähhm …das sich mit den Bedingungen und weiteren Möglichkeiten des Umweltschutzes in der Tschechoslowakei und Nordrhein-Westfalen beschäftigt hat. Heute ist über die Senkung der Emissionen in der chemischen Industrie und der Lebensmittelproduktion gesprochen worden sowie über die Entsorgung von Industrieabfällen.“
Die Vertreter beider Länder seien sich einig darüber, dass es am besten sei, überhaupt keine Abfälle zu produzieren. Dies sei aber ein aus
organisatorischer, zeitlicher und ökonomischer Sicht ein sehr aufwändiger Prozess.„Eine vernünftige Alternative stellt derzeit das Abfallrecycling dar. Die Wiederverwertungsquote von Abfällen liegt in der Tschechoslowakei und in der Bundesrepublik Deutschland auf gleichem Niveau. Sie beträgt 13 Prozent.“
Am Rande der Konferenz befragte das Tschechoslowakische Fernsehen auch Premierminister Lubomír Štrougal zu den bilateralen Umweltschutzbemühungen. Der „Genosse Vorsitzende“ nimmt zum heiklen Thema der Luftverschmutzung Stellung und betont, nicht nur die tschechoslowakische Schwerindustrie sei für die Schadstoffe verantwortlich:
„Manchmal wird mit den Emissionswerten auch manipuliert, um politisches Kleingeld zu wechseln. Mit den Vertretern aus Nordrhein-Westfalen, mit denen uns eine lang währende Freundschaft verbindet, sind wir uns einig, dass es keinen Sinn hat, sich gegenseitig die Verschmutzung vorzuhalten und vorzurechnen. Es ist notwendig, sich an einen Tisch zu setzen und darüber nachzudenken, wie wir das Problem gemeinsam lösen. Die Kernaussage ist: Nicht um ein Kilo sinken die Emissionen, wenn wir uns gegenseitig vorhalten ‚der bläst soviel Schmutz in die Luft und der soviel’. Aber wenn wir die Köpfe zusammenstecken und uns sagen, dass wir das Problem lösen wollen und lösen müssen, bei uns wie bei unserem Nachbarn, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als Lösungen und Wege zu finden.“Soweit der damalige tschechoslowakische Premierminister Lubomír Štrougal über das Problem der Luftverschmutzung im deutsch-tschechischen Grenzgebiet. Die Verhandlungen mit einer Delegation aus Westdeutschland mögen für die damalige Zeit erstaunlich gewesen sein. Die Rhetorik des „Genossen Vorsitzenden“ lässt hingegen keinen Zweifel daran, dass wir das Jahr 1985 schreiben.