ČEZ: Zweifelhafte Methoden bei der Jagd auf Stromdiebe?

Rund vier Millionen Euro Schaden entstehen dem halbstaatlichen Stromkonzern ČEZ pro Jahr durch notorische Nicht-Zahler und Stromdiebe. Seit einigen Jahren treibt das Energieunternehmen seine Forderungen mit Hilfe einer Spezialeinheit ein. Nun sind brisante Videoaufnahmen an die Öffentlichkeit gelangt, die diese „Strom-Sheriffs“ in keinem guten Licht erscheinen lassen.

Sie hat einen unscheinbaren Namen: „Odbor pro netechnické ztráty“, kurz NTZ – zu Deutsch: „Abteilung Nicht-Technische Verluste“. Doch hinter der harmlos scheinenden Abteilung des Stromkonzerns ČEZ verbirgt sich eine im wahrsten Sinne des Wortes schlagkräftige Truppe. Die Männer in den schwarzen Uniformen, die jenen der Spezialeinheiten der Polizei täuschend ähnlich sehen, sollen all jene zur Raison bringen, die ihre Stromrechnung nicht bezahlen oder illegal Energie abzapfen. Am Dienstag sind den Medien Videoaufnahmen zugespielt worden, die die Truppe beim Training zeigen.

Schießübungen, Abseilen von einer Staumauer, nächtliche Raftingtouren. Außerdem Überlebenstraining, bei dem die Männer unter anderem in einen Käfig gesperrt werden, Hühner mit bloßer Hand umbringen oder gefesselt in Unterhosen mit einem schwarzen Sack auf dem Kopf herumlaufen. Dazu Nahkampf und Übungen mit dem Schlagstock.

ČEZ-Sprecher Martin Pavlíček
Die Ausbildung sei sicher hart, sagt der Sprecher von ČEZ, Martin Pavlíček, aber seine Mitarbeiter seien ständigen Bedrohungen ausgesetzt. Viele der Stromdiebe würden etwa illegale Hanfplantagen betreiben und dem organisierten Verbrechen angehören.

Dass die Einsätze von NTZ mitunter aus dem Ruder laufen, zeigt ein weiteres, besonders erschütterndes Video. Im Jahr 2005 hatten Mitarbeiter von ČEZ in Mittelböhmen einen Stromdieb ertappt und die hausinterne Spezialeinheit NTZ zu Hilfe gerufen. Doch der Verdächtige hatte sich inzwischen aus dem Staub gemacht. Also nötigten die Strom-Detektive dessen Ehefrau, sie in das Versteck des Mannes zu führen. Sie finden ihn im Keller: Er liegt auf dem Rücken, unter seinem Kopf eine Blutlache, daneben eine Pistole. Der Mann hat Selbstmord begangen. Ein tragischer Einzelfall, außerdem sei nicht sicher, welche Umstände den Mann zur seiner Verzweiflungstat motiviert hätten, so ČEZ in einer Pressemitteilung.

Den Medien zugespielt hat die brisanten Videoaufnahmen der Anwalt Jan Rytíř, der einige ČEZ-Kunden vertritt, die sich durch die Sondereinheit bedroht fühlen. Es sei nicht die Aufgabe von E-Werks-Mitarbeitern, Schießübungen zu veranstalten oder Granaten zu werfen. Das sei skandalös und er wolle nicht, dass solche Menschen seinen Kindern begegneten, so der Jurist, der bei den kommenden Parlamentswahlen für die Partei „Suverenita“ kandidiert.

Bereits seit einiger Zeit ermittelt auch die Polizei-Spezialeinheit zur Aufdeckung des organisierten Verbrechens gegen die selbsternannten „Strom-Sheriffs“. In den nächsten Tagen ergehe ein Bericht an die Staatsanwaltschaft. Man schlage eine Anklage wegen Nötigung und Hausfriedensbruch gegen insgesamt 32 ČEZ-Mitarbeiter vor, so ein Polizeisprecher.

Kritik kommt auch von Politikern aller Parteien. ČEZ müsse die umstrittene Abteilung sofort auflösen, außerdem gehöre die Tätigkeit von privaten Sicherheitsdiensten endlich gesetzlich geregelt.

Der ČEZ-Vorstandsvorsitzende Martin Roman hat inzwischen eingeräumt, dass bei den Einsätzen des Spezialtrupps NTZ nicht alles optimal gelaufen sei. Die nun aufgetauchten Videoaufnahmen seien aber fünf Jahre alt. Seither habe kein Überlebenstraining mehr stattgefunden und die schwarzen Kampfuniformen seien gegen eine graue Dienstbekleidung mit dem ČEZ-Logo ausgetauscht worden. Den Kampf gegen Stromdiebe werde man aber jedenfalls fortsetzen, dies sei schließlich im Interesse aller ehrlichen Kunden, so Roman am Mittwoch in Prag.