Der Umbruch liegt in der Luft – auch in den Fernsehnachrichten vom 2. November 1989
Am 2. November 1989, also zwei Wochen vor dem politischen Umbruch in der Tschechoslowakei, sind die Vorboten der Samtenen Revolution deutlich zu spüren. Das können nun auch die staatstreuen Medien nicht mehr ignorieren. Die tschechischen Nachrichten werden dominiert von den Veränderungen im In- und Ausland. Hören Sie nun Iris Riedel in unserer Sendereihe „Anno dazumal“ mit einem Blick in die Fernsehnachrichten des 2. November 1989.
In den Nachrichten des staatlichen Fernsehens vom 2. November 1989, also genau vor 20 Jahren, wird der Pressesprecher der tschechoslowakischen Regierung Miroslav Pavel gezeigt. Er verliest eine Stellungnahme der Regierung und zwar zur Demonstration, die eine Woche zuvor, am tschechischen Staatsfeiertag, stattgefunden hatte. Miroslav Pavel:
„Eine Lehre aus dem 28. Oktober diesen Jahres und ähnlichen vorausgegangenen Ereignissen ist, dass der Dialog zu wichtigen gesellschaftlichen Fragen sich nicht effektiv auf der Straße führen lässt, vor allem nicht auf ungenehmigten Versammlungen.“
Die Demonstration am 28. Oktober, bei der es auch zu mehreren Hundert Festnahmen gekommen war, gehört zu den größten Vorereignissen des 17. November. Der 17. November gilt als Startpunkt der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei.
Aber am 2. November 1989 treten die Nachrichten aus dem Inland eigentlich in den Hintergrund. Es dominieren vielmehr Meldungen aus der DDR, denn da überstürzen sich die Wendereignisse bereits. Gerade der Schöpfer des Begriffs „Wende“, der frischgebackene Generalsekretär des ZK der SED und damit Honecker-Nachfolger, Egon Krenz, ist an diesem Tag in Polen zu Gast. Polen wird zu dieser Zeit bereits von dem nichtkommunistischen Premier Tadeusz Mazowiecki regiert. Der tschechische Reporter berichtet:
„Die Wahl Moskaus und Warschaus als erste Ziele für die Auslandsreisen des Generalsektretärs des ZK der SED werden als eine Bestätigung des Prozesses der Perestrojka und der polnischen Reformen gesehen.“Die deutschen Veränderungen bekam die Tschechoslowakei auch am eigenen Leib spüren. Denn in der Botschaft der Bundesrepublik in Prag kampierten seit Monaten DDR-Bürger, um von dort in die Bundesrepublik zu emigrieren. Zeitweise hielten sich bis zu 4000 Menschen gleichzeitig im Lobkowitzpalais auf. Am 1. November 1989 wurde die im Oktober eingeführte Visumpflicht für DDR-Bürger zur Einreise in die Tschechoslowakei wieder aufgehoben. Diese Chance nahmen innerhalb von nur einem Tag 1000 DDR-Flüchtlinge an. Der Reporter des tschechoslowakischen Fernsehens vor der Botschaft über den status quo:
„Um vier organisierte der Botschaftsrat Michel Steiner eine spontane Pressekonferenz, auf der er sagte, dass sich auf dem Gelände der Botschaft zu diesem Zeitpunkt etwa 1300 DDR-Bürger befänden. Die genaue Zahl konnte er nicht angeben, weil nicht alle registriert werden konnten. Sorgen mache ihm vor allem die große Zahl an Kleinkindern, die er auf 200 bis 300 schätze.“
Bereits am selben Tag starteten wieder erste Busse in Richtung Westdeutschland. Am 9. November fiel in der Berlin die Mauer und der Umweg über Prag hatte sich damit erübrigt.