Mit Rückendeckung der Politik: Verkehrsrowdies in Tschechien
„Zwei Tote bei Unfall auf der Autobahn D1 Prag - Brünn.“ „Lkw fegt Krankenwagen von der Straße. Patientin und Sanitäter sterben. Lkw-Fahrer hatte keinen Führerschein.“ „Polizei verfolgt Autoraser. Einsatzwagen überfährt zwei Fußgänger auf dem Zebrastreifen.“ „Tödlicher Unfall auf der D1. Wichtige Verkehrsader stundenlang gesperrt.“ Und so weiter, und so weiter…
Jeden Tag schallen solche Schreckensmeldungen von Tschechiens Straßen aus den Radio- und Fernsehgeräten, jeden Tag zeigen Zeitungen und Internetnachrichtendienste neue Fotos von demolierten Autos und Rettungskräften im Großeinsatz. EU-Statistiken zufolge sind die Tschechen mit die schlechtesten Autofahrer Europas. Nur in Portugal und Griechenland ist der Blutzoll im Straßenverkehr noch höher.
Und was tut die Politik? Nun, vor zweieinhalb Jahren wurde nach deutschem Vorbild der Punkteführerschein eingeführt und tatsächlich ging daraufhin die Zahl der Verstöße und Verkehrsunfälle deutlich zurück. Doch der positive Trend hielt nicht lange an: Zeitungen veröffentlichten lange Listen von Tricks, wie man der Strafe entgehen kann und Politiker beklagten die angeblichen Schikanen für die Autofahrer. Zudem ist das Gesetzeswerk – wie so viele hierzulande – mangelhaft. Hat man zum Beispiel 12 Strafpunkte kassiert, heißt es, den Führerschein abzugeben. Zwar bekommt man in diesem Fall einen Brief von der zuständigen Behörde. Doch kommt man der Aufforderung nicht nach, passiert genau nichts. Tappt man anschließend in eine Verkehrskontrolle, passiert ebenfalls – nichts! Denn die Polizei und die lokalen Verkehrsbehörden sind nicht vernetzt. Die Beamten wissen also gar nichts vom Führerscheinentzug. So war es auch bei jenem Lkw-Lenker, der vor wenigen Wochen mit seinem 40-Tonner nach einem ebenso waghalsigen wie verbotenen Überholmanöver einen Krankenwagen regelrecht abgeschossen und zwei unschuldige Menschenleben ausgelöscht hat.
Da ist jener Prager Stadtrat, der vor zwei Jahren eine junge Mutter auf einem Fußgängerübergang totgefahren hat; zu schnell und mit dem Handy am Ohr. Kürzlich ist er dafür – nicht rechtskräftig - zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Trotzdem bleibt er im Amt: Das könne jedem passieren, meint sein Chef, der Prager Oberbürgermeister. Und es war ja nicht Absicht. Verkehrsrowdies finden sich also auch in den höchsten Schichten der Gesellschaft. Lang ist auch die Liste jener Mandatsträger, die wegen schwerer Verkehrsdelikte mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind: Trunkenheit am Steuer, Schnellfahren, rücksichtsloses Verhalten...
Da verwundert es kaum, dass das Parlament der städtischen Polizei zunächst Geschwindigkeitsmessungen ganz verbietet, und anschließend nur unter der Auflage erlaubt, dass der Anfang – und man höre und staune – auch das Ende des überwachten Abschnittes mit einem eigenen Verkehrszeichen kenntlich gemacht werden. Ganz nach dem Motto: freie Fahrt für Raser. Da bleibt dann auch das Kopfschütteln aus, wenn man von jenem Gesetzesantrag hört, der die Höchstgeschwindigkeit auf den Autobahnen auf 160 Kilometer pro Stunde erhöhen will. Und dass das Fahren ohne Führerschein ab dem kommenden Jahr keine Straftat mehr, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit ist, erscheint vor diesem Hintergrund beinahe schon logisch.
So lange die Hasardeure auf den tschechischen Straßen Rückendeckung von ganz oben genießen, wird sich am traurigen Spitzenplatz in der europäischen Verkehrsunfallbilanz wohl auch nichts ändern. Leider.