„Schleichende Veruntreuung“ – Havel zürnt im Forum 2000 nach Ost und West

Václav Havel (Foto: ČTK)

Zum 13. Mal hat der tschechische Schriftsteller und frühere Präsident Václav Havel die Welt nach Prag eingeladen. Das Forum 2000 ist ein zweitägiger Think-Tank, der sich in diesem Jahr den Kopf zerbricht über die neue Weltordnung und das, was sie bestimmt. In seiner Einführungsrede am Montag ließ Havel auch den neuen Friedensnobelpreisträger nicht ungeschoren davon kommen.

Václav Havel  (Foto: ČTK)
„Und wenn uns jemand sagt: ´Wenn Du offen über unsere politischen Gefangenen sprichst, dann geben wir Dir kein Öl´, dann ist die einzig richtige Antwort: ´Dann behaltet Euer Öl!´“

Es waren die letzten Worte der Rede von Václav Havel, des Gründungsvaters des Forum 2000. Öl, das Sinnbild einer materialistischen Welt, dürfe nicht schwerer wiegen als die Forderung nach Demokratie und Menschenrechten, so Havel. An die 50 Denker, Politiker, Dissidenten, Wissenschaftler und Kulturschaffende aus der ganzen Welt sind seiner Einladung gefolgt, um über „Demokratie und Freiheit in einer multipolaren Welt nachzudenken“. Einer Welt, die sich nach anderen Regeln dreht als noch zur Zeit der zwei großen Blockmächte USA und Sowjetunion.

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20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs tritt dem Publikum ein pessimistischer Havel entgegen. Die euroatlantische Gemeinschaft verändere sich und zwar nicht zu ihren Gunsten, meint der frühere Dissident:

„Die Haltung zu verschiedenen Konflikten oder Problemen in der heutigen Welt ist schrecklich deformiert durch eine schleichende Veruntreuung der geistigen Werte – dabei waren sie doch der Ausgangspunkt, das Fundament dieser Gemeinschaft.“

Wirtschaftlich-materielle Interessen trügen den Sieg davon. Menschenrechte, Demokratie und Freiheit seien nur noch so etwas wie die Kirsche auf der Torte, eine Art Garnierung, kritisierte Havel und machte es gleich an einem konkreten Beispiel fest: Am Terminkalender des US-Präsidenten Barack Obama:

US-Präsidenten Barack Obama  (Foto: ČTK)
„Wenn der frisch gekürte Friedensnobelpreisträger das Treffen mit dem Dalai Lama auf eine Zeit verlegt, zu der er bereits seinen Chinabesuch hinter sich hat, dann geht er damit einen klitzekleinen, unauffälligen Kompromiss ein, einen Kompromiss, der zwar seine eigene Logik hat. Dennoch ist die Frage, ob die großen Schicksals-Kompromisse nicht ihr Vorspiel, ihren Ursprung gerade in diesen kleinen, unauffälligen mehr oder weniger logischen Kompromissen haben.“

Und ganz in der Tradition eines kleinen Landes an der Schnittstelle großer Einflusssphären warnt Havel abermals vor Russland:

„Russland stellt uns auf die Probe. Russland erprobt, ob wir auch genügend Angst vor ihm haben und ob wir bereit sind, das zu tun, was es will.“

Wenn Václav Havel je ein Idealist war, dann gehört dies – so scheint es - der Vergangenheit an.