Lissabon-Vertrag: Klaus zaubert weitere Bedingung aus dem Hut
Tschechien steht in Europa weiterhin im Mittelpunkt des Interesses und ein Mann hat besonderen Anteil daran: Staatspräsident Václav Klaus. In einem Telefonat mit dem amtierenden EU-Ratspräsidenten, Schwedens Premier Frederik Reinfeldt, hat er am Donnerstag neue Bedingungen für eine Ratifizierung des Lissabon-Vertrags gestellt und damit für einige Aufregung gesorgt. Mein Kollege Daniel Kortschak ist jetzt bei mir im Studio. Er fasst die Ereignisse zusammen.
„Das ist eine gute Frage, denn Präsident Václav Klaus hat sich bisher öffentlich nicht zu seinen Forderungen geäußert. Die Prager Burg hat in einem vierzeiligen Kommuniqué am Freitagmorgen lediglich bestätigt, dass Klaus mit Reinfeldt telefoniert und über den Lissabon-Vertrag gesprochen hat. Reinfeldt wiederum hat am Abend zuvor im schwedischen Fernsehen gesagt, soweit er es verstehe, wolle Klaus eine Art Fußnote zum Lissabon-Vertrag bezüglich der Europäischen Grundrechte-Charta anfügen.“
Die Informationen dringen also wie gewohnt nur sehr spärlich durch die dicken Mauern der Prager Burg. Man hat also nicht wirklich eine Ahnung davon, was Klaus sich da vorstellt…
„Na ja, es gibt wohl einige Spekulationen. Die polnische Tageszeitung „Rzeczpospolita“ schreibt unter Berufung auf eine Quelle in Prag, dass Klaus damit Entschädigungsforderungen der nach dem Zweiten Weltkrieg enteigneten Sudetendeutschen verhindern will. Aber das ist wie gesagt nur eine Spekulation. Erst am Freitagabend wolle sich ein Sprecher von Klaus erstmals dazu äußern, hieß es von der Burg.“
Die Befürchtung, die Sudetendeutschen könnten unter Berufung auf die EU-Grundrechte-Charta Forderungen gegenüber Tschechien stellen, ist ja nicht neu…
„Nein, das ist sie in Tat nicht. Ebenso wenig neu ist der Artikel 345 des Lissabon-Vertrages, in dem wörtlich steht ‚Die Verträge lassen die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedsstaaten unberührt’“.
Das klingt also ganz nach einer weiteren Verzögerungstaktik von Seiten des tschechischen Präsidenten.
„Genau diese wird ihm auch von Vertretern der EU-Länder vorgeworfen. Am schärfsten reagiert hat Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner, der sagte, Klaus ‚erfinde Schwierigkeiten’. Kouchner betonte, man werde keinen Beistrich am von allen anderen Staaten abgesegneten Lissabon-Vertrag ändern. Sehr deutlich sind auch die Kommentare französischer Medien; die linksliberale Tageszeitung „Libération“ nennt Klaus etwa einen „unkontrollierbaren, jähzornigen Clown“. EU-Ratspräsident Frederik Reinfeldt ist dem Vernehmen nach einigermaßen verärgert und hat gemeint, Klaus’ Forderung sei ‚ein falsches Signal zur falschen Zeit’.“
Nun geben sich in Prag ja seit Tagen EU-Politiker die Klinke in die Hand: am Donnerstag war die schwedische Europaministerin Malmström zu Gesprächen hier, nun ist es der Präsident des Europäischen Parlaments Jerzy Buzek. Was ist deren Meinung?
„Parlamentspräsident Buzek, der auch mit Klaus gesprochen hat, sagt, man müsse die Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichts abwarten und dürfe keinen Druck ausüben. Und die Sache mit dem Vertragszusatz müsse man zunächst intern in Tschechien klären.“Das heißt, die Forderung war ein Alleingang des Staatspräsidenten?
„Ja, es sieht so aus. Premier Fischer jedenfalls sagt, er müsse das erst analysieren, bevor er sich dazu äußern kann. Aus dem Außenministerium kommt Kritik, dass sich Václav Klaus vor dem Telefonat mit Reinfeldt nicht mit Minister Jan Kohout abgestimmt hat. Sozialdemokratenchef Jiří Paroubek kann sich hingegen überraschender Weise mit der Forderung von Klaus anfreunden.“
Daniel Kortschak hat die neuen Turbulenzen rund um die Ratifizierung des EU-Reformvertrags in Tschechien zusammengefasst. Vielen Dank!