Lissabon ratifiziert, Neonazis aufgedeckt, Opel-Verkauf gestoppt

Unser Evergreen, der Lissabon-Vertrag, stand diese Woche noch einmal hoch im Kurs. Die Mladá Fronta Dnes will außerdem ein tschechisches Neonazi-Netz ausfindig gemacht haben, das Terroranschläge geplant hat. Außerdem schauen wir uns an, was die tschechische Presse zu dem gescheiterten Opel-Verkauf sagt.

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Moderator: In Sachen Lissabon-Vertrag haben sich die Ereignisse hier in Tschechien in dieser Woche ja regelrecht überschlagen. Am Dienstag hat das Verfassungsgericht in Brünn endgültig grünes Licht für den Vertrag gegeben. Präsident Klaus hat dann bei einem Pressetermin am Nachmittag desselben Tages überraschend erklärt, er habe den Vertrag bereits unterschrieben. Wie sind die Reaktionen in den Medien ausgefallen?

KM: Dazu muss man zunächst noch sagen, dass der Präsident den Reformvertrag zwar unterzeichnet hat, jedoch nicht ohne nochmals lautstark seinen Protest zu äußern und das Verfassungsgericht für dessen Vorgehen zu kritisieren. Bohumil Doležal von der Tageszeitung Lidové Noviny bezieht genau dazu Stellung, wobei er insbesondere auf einen Satz in Klaus' Presseerklärung eingeht, der lautet: "Diese Veränderung (der Lissabon-Vertrag) legitimiert – heute und in Zukunft – die Bemühungen desjenigen Teiles der Bevölkerung, dem unsere nationale und staatliche Existenz nicht gleichgültig ist und der sich mit diesem Ergebnis nicht abfinden will." Der Autor fragt sich, was das wohl heißen mag, ob nun der Einsatz von Mitteln erlaubt ist, die vor der Ratifizierung ausgeschlossen waren?

"Es fällt schwer, das anders auszulegen als einen Aufruf zu einem erbitterten Kampf, dessen Mittel nicht näher spezifiziert werden. Wollen wir hoffen, dass es nur ein Kampfschrei war, der übertünchen sollte, dass der Präsident nachgeben musste. Ein verantwortungsvolles Staatsoberhaupt sollte sich aber so etwas nicht erlauben."

Moderator: Ich sehe hier gerade, dass der Kommentar heißt "Klaus hat unterschrieben, der Kampf geht weiter".

KM: Genau. Der Verfasser meint damit vor allem den politischen Kampf, den Klaus in seinen Augen dem Verfassungsgericht erklärt hat.

Adam Šůra von der Wochenzeitung Respekt beschäftigt sich ebenfalls mit diesem Aspekt. Der Präsident habe am Dienstag seine Überzeugung wiederholt, dass das Land durch die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon unwiederbringlich seine Souveränität verliert. Das Verfassungsgericht hat dabei angeblich obendrein "assistiert". Der Kommentator kommt zu folgendem Schluss:

Václav Klaus
"Wenn der Präsident an diese Feststellungen die Worte angeschlossen hätte, dass er sich an so etwas nicht beteiligen könne und er deshalb sein Amt niederlegt, hätten sie einen Sinn ergeben. Wie wir aber alle nur zu gut wissen, hat Klaus den Lissabon-Vertrag, den er für etwas hält, das unseren Staat zerstören wird, unterschrieben. Und Präsident ist er auch nach wie vor."

Moderator: Ist es denn so, dass Klaus in den Kommentaren durchweg kritisiert und die Entscheidung des Verfassungsgerichts begrüßt wird?

KM: Tendenziell ja, aber es gibt natürlich auch Gegenstimmen. Daniel Kaiser von der Lidové Noviny schreibt beispielsweise:

"Unglücklicherweise sind die Entscheidungen des Verfassungsgerichts bestimmt von der Vorstellung, dass Lissabon zu ratifizieren eine Art Verpflichtung ist gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Das haben wir bereits bei den Entscheidungen zu den vorigen Beschwerden gesehen. Ob wir aber unsere Machtbefugnisse an Dritte abgeben, sollte in erster Linie unsere eigene Angelegenheit sein."

Moderator: Katrin, die Mladá Fronta Dnes hat diese Woche eine Titelgeschichte zur tschechischen Neonazi-Szene gebracht. Eine Gruppierung, die sich „White Justice“ nennt, soll angeblich Terror-Anschläge geplant haben. Radio Prag hat darüber berichtet.

KM: Ja, ein Reporter der Zeitung will herausgefunden haben, dass sich die Mitglieder dieser Gruppierung in Trainingscamps ausbilden ließen, um Attentate auf Juden in hohen Positionen zu verüben. Angeblich soll sogar die Familie des gegenwärtigen Premiers Jan Fischer im Visier gewesen sein. Außerdem seien Sabotageakte geplant gewesen, die die Energieversorgung des Landes treffen sollten.

Moderator: Gab es Reaktionen dazu?

KM: Kommentiert hat dies bislang nur die Mladá Fronta Dnes selbst, bzw. ihr Kommentator Karel Steigerwald.

Der vergleicht die rechtsradikalen Gruppierungen mit Pilzen, die "den Stamm der demokratischen Republik besiedeln. Wenn der Stamm nicht mit so viel Fäulnis befallen wäre, hätte der Extremismus keine Chance. Wir können diese Witzfiguren mit den entblößten Reißzähnen auseinanderjagen oder inhaftieren. Umso mehr werden sie aufblühen, solange ihnen die Republik soviel Nährboden liefert wie bisher."

Moderator: Kommen wir zu einem anderen Extrem, der extremen Kehrtwende in Sachen Opel-Verkauf. Nach schier endlosen Verhandlungen, die sich über Monate hinzogen, hat die Opel-Mutter GM ihre Verkaufsabsichten zurückgenommen. Ein Thema, das offenbar nicht nur in Deutschland Zeitungsseiten füllt.

KM: So ist es. Die hiesigen Zeitungen hatten über den geplanten Deal berichtet. Deshalb war es auch hier eine Überraschung, dass GM dem Autozulieferer Magna nun doch nicht den Zuschlag geben will.

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Moderator: GM hat ja damit argumentiert, dass sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens deutlich verbessert habe.

KM: Das ist nur ein Vorwand, glauben die Kommentatoren, denn die Situation habe sich vor allem deshalb verbessert, weil der Staat jede Menge amerikanischer Steuergelder in das Unternehmen gepumpt hat. Jan Macháček von der Wochenzeitung Respekt schreibt, die USA könnten Signale erhalten haben, dass die Europäische Kommission den Verkauf an Magna stoppen wolle. Für wahrscheinlicher hält der Autor aber, dass die Amerikaner letztlich davor zurückgeschreckt sind, ihre Technologie in russische Hände zu übergeben, denn die Sberbank, die sich gemeinsam mit Magna um die Opel-Übernahme bemüht hat, unterstehe dem direkten Einfluss des Kreml. Dieser Version schließt sich David Klimeš von der Wirtschaftszeitung E15 an: "Der russische Automobilmarkt wird in einem Jahrzehnt der größte in Europa sein. Vor diesem Hintergrund ist für Henderson - den GM-Chef - alles, d.h. auch eine jahrelange Agonie Opels besser, als dass auf ‚seinen’ Autos Namen in kyrillischer Schrift prangen."