Papstbesuch füllt Kommentarseiten

noviny_papez09.jpg
0:00
/
0:00

Die Kommentatoren hatten diese Woche alle Hände voll zu tun. Besonders am Wochenende, denn da hat sich bekanntlich Papst Benedikt XVI. die Ehre gegeben. Kurz vor dem Referendum in Irland war außerdem der Lissabon-Vertrag wieder in aller Munde.

Moderator: Der Papst auf allen Kanälen - das Rundfunk- und Fernsehprogramm war ja am Wochenende eindeutig vom Papstbesuch bestimmt. Ebenso die Titelseiten der Zeitungen vom Dienstag, dem Tag nach dem Besuch des Pontifex in Tschechien. Das mediale Interesse war also ganz offensichtlich groß. Aber wie ist denn die Bewertung dieses Ereignisses ausgefallen?

K. Materna: Mit Jan Jandourek von der Mladá Fronta Dnes gesprochen erinnert "die Zahl der Kommentare zum Papstbesuch ein bisschen an ein Flächenbombardement." Entsprechend unterschiedlich fallen sie natürlich aus. An Kritik fehlte es jedenfalls nicht. Am schärfsten ist sie in der Mladá Fronta Dnes ausgefallen. Der Autor Ivan Brezina findet, die Worte des Papstes hätten ein „todbringendes Potential“, weil er bei seiner Afrika-Reise behauptet hat, dass Kondome keinen hinreichenden Schutz vor AIDS darstellen, sondern das Problem nur vergrößern. Jiří Hanák von der Tageszeitung Právo bemängelt, dass die einschlägigen Medien zwar drei Tage lang über jeden Schritt des Pontifex berichtet haben, die inhaltliche Auseinandersetzung jedoch zu wünschen übrig ließ. "Ich habe mehr erwartet. Zum Beispiel eine Diskussion darüber, warum Benedikt XVI. sich ganz allmählich von den Grundgedanken des Zweiten Vatikanischen Konzils entfernt, das die Kirche deutlich modernisierte, beispielsweise durch die Einführung der Nationalsprachen bei Messen." Hanák nimmt sich aber auch die tschechischen Politiker vor. Besonders einen, für den, wie er schreibt,"die Kirche etwas wie ein Kleingärtnerverein ist, der aber dennoch jede Gelegenheit nutzte, um den Papst herumzuschlawenzeln."

Foto: ČTK
Moderator: Na, damit ist wohl Präsident Klaus gemeint.

K. Materna: Höchstwahrscheinlich. Hanák schließt seinen Kommentar mit der Feststellung, im Zusammenhang mit dem Papstbesuch sei dennoch ein wesentlicher Gedanke ausgesprochen worden, und zwar:

"Europa wird künftig entweder ein christliches Europa sein oder es wird nicht mehr das Europa sein, das wir heute kennen. Eine Wahrheit, die man sich merken sollte."

Jan Jandourek wiederum glaubt, die Tschechen hätten nicht begriffen, dass "Benedikt XVI. ihnen auf eine höfliche Art mitgeteilt hat, dass sie ganz schön unvernünftig sind und dass das hier kein gutes Ende nehmen wird, wenn sie so weiter machen." Auch er lässt es sich nicht nehmen, den Politikern einen Spiegel vorzuhalten: „Für diejenigen, die sich noch einen Rest von ästhetischem Gespür bewahrt haben, war der Papstbesuch eine angenehme Abwechslung zu der unendlichen und nervtötenden Serie an innenpolitischen ‚Verhandlungen’, ‚Vorschlägen’ und ‚Kompromissen’. In einer Hinsicht war der Papst aber zweifelsfrei unter seinesgleichen. Geht man davon aus, dass er mit dem Geschenk der Unfehlbarkeit gesegnet ist, so musste er sich hier wie zuhause fühlen. In diesem Land ist nämlich fast jeder unfehlbar."

Foto: ČTK
Moderator: Kommen wir aber nun wie versprochen zum Lissabon-Vertrag. Wenige Tage vor dem irischen Referendum hat eine Gruppe von tschechischen Senatoren erneut eine Verfassungsbeschwerde gegen den Reformvertrag eingelegt. Was sagen sie Kommentatoren zu dieser unendlichen Geschichte?

K. Materna: Die meisten Autoren beschäftigen sich vor allem mit der Tatsache, dass der Vorsitzende der Bürgerdemokraten, Mirek Topolánek, seine politische Zukunft an die Annahme des Lissabon-Vertrags geknüpft hat.

Moderator: Mirek Topolánek hat außerdem verlauten lassen, die Tschechische Republik drohe ihren EU-Kommissar-Posten zu verlieren, falls der Vertrag nicht ratifiziert wird.

die Befürworter des Lissabon-Vertrags letzteren nicht vehement genug. Mit dem Resultat, dass sie dem europaskeptischen Präsidenten den öffentlichen Raum überlassen, der dann im Ausland das falsche und leere Bild von den brüsselfeindlichen Tschechen verbreitet.“ Deshalb habe es der Lissabon-Vertrag in Tschechien so schwer, glaubt der Autor. Martin Weiss von der Tageszeitung K. Materna: Viliam Buchert geht genau auf diesen Punkt ein, wenn er schreibt: „Diese beiden Aspekte können nur die Brüsseler Eurobürokraten und ein Teil unserer Politiker miteinander in Verbindung bringen. Letzteren passt das ganz gut, denn sie verfolgen damit ihre ganz persönlichen Interessen.“„Zum Glück“, so Buchert weiter, „hat sich die Regierung unter Premier Fischer wenigstens den gesunden Menschenverstand bewahrt. Die fasst die Verfassungsklage der Senatoren als einen Schritt auf dem Weg zur Ratifizierung auf. Diese Reaktion ist richtig. Die Politiker sollten mit ihrer Angstmache aufhören und das Urteil des Gerichts abwarten. Europa wird bis dahin schon nicht untergehen.“ Martin Ehl vergleicht in der Zeitung Hospodářské Noviny die polnische und die tschechische Haltung zur EU und ihrem Reformvertrag. In beiden Ländern seien zwei Drittel der Bürger der Meinung, dass die EU ihrem Land nützt. Während die Zugehörigkeit zur EU in Polen jedoch als ein gewaltiger Schritt nach vorn gewertet wird, haben die Tschechen vielmehr das Gefühl, sie würden auf ihren angestammten Platz innerhalb der fortschrittlichsten Länder Europas zurückkehren. Deshalb verteidigen Lidové Noviny gibt zu Bedenken, dass der gegenwärtige EU-Ratspräsident in Bezug auf Irland bereits widerlegt hat, der Posten des EU-Kommissars würde von der Ratifizierung des Lissabon-Vertrags abhängen. „Kurzum: Niemand hat bisher einen triftigen Grund dafür geliefert, die Senatoren für die Eingabe beim Verfassungsgericht der Ketzerei zu bezichtigen. Das gilt ebenso für Klaus´ Hinauszögern der Unterzeichnung. Das ist Sache des Verfassungsgerichts. Und was für die Wahlen gut genug war, muss auch für Lissabon reichen.“ Petr Honzejk weist in der Zeitung Hospodářské Noviny darauf hin, dass Václav Klaus letztlich darüber entscheiden wird, wer die Bürgerdemokraten in den Wahlkampf führen wird, da Mirek Topolánek droht, seinen Posten als Spitzenkandidat aufzugeben, falls Lissabon nicht durchgeht. Der Autor spekuliert darüber, was Topolánek zu diesem Schritt verleitet haben mag. „Möglichkeit a) es war ein Versehen, b) er hat die Politik satt oder c) er weiß mehr über Klaus’ Gedankengänge als wir. Nicht zuletzt mit Blick auf das fast eine halbe Milliarde zählende Publikum dieses Quizes wünschen wir uns, dass Antwort c richtig ist.“

Moderator: Das war der Medienspiegel für diese Woche. Hören Sie wieder rein.