Anders und stolz in Tábor: die Queer-Pride-Parade
In Griechenland war sie Gang und Gebe, die gleichgeschlechtliche Liebe. Das mussten sich Homosexuelle im 20. und 21. Jahrhundert erst mühsam erkämpfen. Homosexuelle wollen sich nicht mehr verstecken. `Ja, wir sind anders. Aber das muss akzeptiert werden´ - alljährlich soll diese Botschaft mit weltweit stattfindenden Umzügen von Schwulen und Lesben in die Gesellschaft getragen werden. Am vergangenen Wochenende fand die so genannte Queer-Pride-Parade, die Parade der Andersartigkeit, im südböhmischen Tábor statt.
Jiří Hromada wirkt entspannt. Er hat als Vorsitzender der Gay-Initiative den Queer-Pride-Day im südböhmischen Tábor mit auf die Beine gestellt. Ein langer Umzug mit 400 bis 500 Teilnehmern schlängelt fröhlich durch die Innenstadt. Mit Trillerpfeifen und Karnevalströten und den mittlerweile weltweit bekannten Regenbogenfahnen. „Hier sind so viele Leute, die extra angereist sind. Vor allem aus Mittel- und Osteuropa“, sagt Mitorganisatorin Petra Kubešová. Sogar aus Frankreich und Deutschland sind bekennende Schwule und Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle angereist. Seht her, uns gibt es, wir sind ein Teil von Euch, heißt die Botschaft. Sie wollen sich und ihre Andersartigkeit nicht mehr verstecken müssen. So wie es noch bis Ende der 60er Jahre der Fall war. Damals, im Jahr 1969, wehrten sich in New York zum ersten Mal Schwule gegen Polizei-Razzien und Diskriminierung - der Anfang der Schwulen- und Lesbenbewegung.
Eine Entwicklung, die manch einer gerne rückgängig machen würde. Auch an diesem Tag in Tábor. Extremisten der radikalen Arbeiterpartei (DS) hatten zu einer Kundgebung aufgerufen. An die 30 Anhänger der Radikalen waren erschienen und machten klar, dass sie Homosexualität immer noch als Krankheit und Schande betrachten. Das Bild, das sie abgeben, erinnert an die Nazizeit. In einem Kreis von steif und stolz dastehenden Fahnenträgern spricht ein Parteifunktionär:
„Man schämt sich ja langsam, dass man heterosexuell ist. Wenn jemand meint, dass es in 10 Jahren hier nie im Leben einen Umzug von Kinderschändern und Tierschändern geben kann, dann irrt er sich.“
Es vergehen allerdings nur wenige Minuten, da schreitet der Dokumentarfilmer Filip Remunda ein. Er hat auf dem T-Shirt eines Fahnenträgers den Schriftzug „Arische Bruderschaft“ entdeckt. „Ist das nicht etwas, was nach Rassismus stinkt“, fragt Remunda den Parteifunktionär und die bereitstehenden Polizisten. Der Fall des jungen selbsterklärten „Ariers“ wird nun von der Polizei untersucht.Zu Zusammenstößen zwischen Radikalen und Queer-Pride-Teilnehmern kam es aber nicht. Der Umzug ging problemlos vonstatten. Dafür hatten die Bürger, vor allem aber die Polizisten gesorgt, wie Schwulen-Aktivist Hromada meint:
„Ich bin etwas erschöpft, aber aufgeladen mit der Energie von einem schönen Umzug. Mich hat vor allem gefreut, dass Tábor sich nicht verbarrikadiert hat. Die Menschen standen auf der Straße und haben uns gegrüßt. Das ist also alles sehr gut gelaufen. Und die Polizei – tadellos. Sie hat nichts durchgehen lassen, was diese Veranstaltung zunichte gemacht hätte.“Nicht nur Tábor habe an diesem Wochenende gezeigt, dass sich schon viel verändert habe, sagt Jiří Hromada:
„Wenn man zum Millionen-Umzug nach New York schaut, zum Umzug mit einer halbe Million Menschen in Paris und auf die Teilnehmer in Moskau, die geschlagen wurden oder vor einiger Zeit noch in Warschau, dann kann man sehen, dass es eine Entwicklung gibt. Denn in Warschau ist der Umzug in diesem Jahr ruhig verlaufen.“
Die Teilnehmer in Tábor waren zwar froh über den Polizeischutz, dennoch haben einige das Aufgebot als Wermutstropfen empfunden, erklärt eine junge Frau:
„Mir tut es nur ein bisschen leid, dass – für meinen Geschmack - da einfach zu viel Polizei war. Sie hat uns natürlich beschützt und dafür bin ich auch sehr dankbar. Aber ich wäre einfach froh, wenn ich irgendwann einmal bei so einem Umzug dabei sein könnte und Polizei wäre nicht nötig.“
Dennoch: Es ist gerade einmal ein Jahr her, dass die Queer-Parade in Brünn von Rechtsradikalen gewaltsam angegriffen wurde. Der Umzug musste damals abgebrochen werden. Deshalb waren viele Teilnehmer in Tábor zunächst angespannt, wie diese Frau aus der Slowakei:
„Bevor ich in Tábor eingetroffen bin, da hatte ich sicher Angst. Aber als ich dann hier war, da ist alles von mir abgefallen“. Ein Mittzwanziger ist Queer-Parade-erfahren und sieht es pragmatisch:„Also, ich war schon auf mehreren Umzügen, auch auf dem Umzug in Polen. Da bereitet man sich schon darauf vor, dass irgendjemand vielleicht Eier wirft oder so. Aber das ist kein Grund, nicht daran teilzunehmen, denn meistens zeigt sich, dass die Polizei die Umzüge gut vor so etwas schützt. Meistens passiert also nichts. Ich rufe also alle auf, zum nächsten Umzug zu kommen.“
Und die Bürger von Tábor? „Jeder soll sich frei äußern, wie er will“, meint dieser Südböhme – „Ich meine, die Leute haben darauf ein Anrecht“, bestätigt auch diese Frau Anfang 50. Die meisten Bürger zeigen sich offen für die Queer-Pride-Parade. Das dass ein Trend in der gesamten Republik ist, das bestätigte auch der Sexologe Petr Weiss gegenüber Radio Prag:
„Bei einer Umfrage von 1988 lehnte mehr als die Hälfte aller Tschechinnen und Tschechen Homosexuelle grundsätzlich ab. Heute sind es nur noch sechs Prozent. Diese Liberalisierung zeugt davon, dass die Menschen in diesem Land jedenfalls nicht in dieser Hinsicht dem Fremden gegenüber feindlich eingestellt sind.“
Und so kann auch Queer-Pride-Aktivist Jiří Hromada freudig auf die nächste Schwulen- und Lesben-Parade warten:
„Ich lade alle zum nächsten Jahr ein. Wir wissen noch nicht, wo das sein wird. Aber ich hoffe ganz einfach, dass dieses Beispiel dazu beiträgt, dass die Leute aufhören Angst zu haben und zum nächsten Umzug kommen.“