Prager Nationalmuseum als Projektionsfläche für Kafkas Texte
Bereits seit Beginn dieses Jahres läuft in Prag im Rahmen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft das Projekt „Transparancy“. An mehreren zentralen Orten der tschechischen Hauptstadt sind oder Lichtinstallationen internationaler Künstler zu sehen. An der Fassade des Prager Nationaltheaters etwa die „Tanzende Anna“ – „Ann Dancing“ von Julian Opie, am Smetana-Ufer nahe der Karlsbrücke „Tacet“ von Ulla Rauter oder vor dem Rudolfinum der übergroße Buchstaben-Kopf namens „WE“ von Jaume Plensa. Am Mittwoch wurde nun der Höhepunkt des Projektes „Transparency“ präsentiert: Die bekannte US-amerikanische Künstlerin Jenny Holzer nutzt das Nationalmuseum auf dem Prager Wenzelsplatz als riesige Projektionsfläche für Texte. Mehr über diese spektakuläre Aktion erfahren Sie nun in unserem Kultursalon. Daniel Kortschak hat mit den Kuratoren des Projekts, Gisela Winkelhofer und Quirin Wimmer gesprochen:
Gisela Winkelhofer: „Für Prag hat sie ganz speziell Texte von Franz Kafka ausgewählt. Daran konnte sie nicht vorbei. Es ist auch einer ihrer Lieblingsschriftsteller, den sie sehr sehr schätzt und da hat sie aus den verschiedenen Büchern mit großer Obhut und Vorsicht Stellen ausgesucht ebenso wie von Wisława Szymborska, der polnischen Literatur-Nobelpreisträgerin von 1996, von der sie jedoch schon in anderen Ländern Texte projiziert hat. Ich freue mich ganz besonders, dass sie Texte von Franz Kafka präsentiert; in englischer und auch in tschechischer Sprache für die Bürger von Prag.“
Der Bezug von Franz Kafka zu Prag ist klar. Aber warum präsentiert Jenny Holzer Kafkas Texte auf Tschechisch und Englisch und nicht auf Deutsch? Die meisten seiner Werke hat Franz Kafka ja auf Deutsch geschrieben.
GW: „Das ist vollkommen richtig. Sie sind auch übersetzt worden. Nur, Jenny Holzer wusste nicht darum, dass es auf Deutsch geschrieben wurde. Und sie wollte sich auf zwei Sprachen beschränken, auch wegen der Lauflänge der einzelnen Filme, die doch pro Projektion über eineinhalb Stunden dauern.“Wo ist bei der zweiten Autorin, der Nobelpreisträgerin Wisława Szymborska, der Bezug zu Prag gegeben?
GW: „Da gibt es aus meiner Sicht keinen starken Bezug, den ich herausheben könnte. Sie hat aber eine hohe Affinität zum Osten, die sie auch in der Sprache immer wieder findet. Auch, weil sie aus einem Nachbarland Tschechiens kommt, hat Jenny Holzer Szymborska ausgewählt.“
Diese Texte werden auch auf Englisch und Tschechisch projiziert?
GW: „Ja, beides; auf Englisch und Tschechisch.“
Die Installation von Jenny Holzer ist ja der Höhepunkt des Projekts „Transparency“. Warum ist sie eigentlich nur so kurz, nämlich nur eine Woche lang zu sehen?
GW: „Das hängt natürlich auch mit den finanziellen Möglichkeiten zusammen. Solche Installationen sind sehr, sehr teuer. Vor allem das technische Equipment. Aus diesem Grund mussten wir uns bedauerlicher Weise auf eine Woche beschränken.“
Wie haben Sie Jenny Holzer denn davon überzeugen können, gerade nach Prag zu kommen? Sie bekommt ja mit Sicherheit eine ganze Menge Einladungen aus der ganzen Welt.
GW: „Die ersten Kontake hat es bereits vor zwei Jahren gegeben. Sie hat bereits auf fünf Kontinenten, in allen wichtigen Metropolen der Welt projiziert. Neben Moskau ist es aber hier in Prag ihre erste Außenprojektion in einem Land des ehemaligen Ostblocks. Darum sind wir sehr glücklich, dass sie auch zugesagt hat, trotz dieser vielen, vielen Einladungen die sie seit fast 30 Jahren ununterbrochen bekommt.“
Das Nationalmuseum bietet sich als Ort für so eine Projektion aufgrund seiner Lage mitten im Zentrum Prags ja an. Ist Jenny Holzer eigentlich selbst darauf gekommen, oder hat man es ihr als Ort vorgeschlagen?
GW: „Ich bin seit längerer Zeit regelmäßig in Prag zu Besuch. Für mich war es einfach einer der schönsten Plätze, weil ich Jenny Holzer und ihre Arbeiten seit längerem kenne und ich hielt gerade diese Fassade für prädestiniert für eine Projektion.“
Installationen im öffentlichen Raum genießen nicht immer die ungeteilte Zustimmung der Bevölkerung und der Politik. Sind sie in Prag auf Schwierigkeiten gestoßen?
GW: „Nein, in keinster Weise. Wir haben hier die volle Unterstützung der Stadt Prag, vor allem von Oberbürgermeister Pavel Bém, der uns während des gesamten Projektes mit Rat und Tat zur Seite stand und uns die bürokratischen Hürden zu meistern half. Wir freuen uns ganz besonders, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt Prag so erfolgreich verlaufen ist.“
Sie haben die Technik ja schon angesprochen. Wie wird diese Großprojektion technisch gelöst?
GW: „Technisch wird das so gelöst, dass spezielle Xenon-Projektoren entwickelt worden sind, die diese Großbuchstaben in unterschiedlicher Weite – sprich einerseits auf den Turm und andererseits über die gesamte Breite des Gebäudes projizieren können. Die Projektoren sind ganz speziell für Jenny Holzer entwickelt worden.“
Das heißt, es wird wirklich die gesamte Fassade des Nationalmuseums als Projektionsfläche in Jenny Holzers Arbeit einbezogen. Wie weit sieht man denn die Buchstaben?
GW: „Ja, man kann die Texte von unten bereits sehen, wenn man sich nähert. Ob man sie auch lesen kann, das ist natürlich eine andere Frage. Der Wenzelsplatz ist ja sehr, sehr lang. Ich schätze, mindestens einen Kilometer. Doch die Buchstaben sind so imposant, dass man sie auch auf größere Entfernung lesen kann.“
Wie wird der Ablauf der Texte gestaltet und gesteuert sein?
GW: „Bei der Premiere, bei der Vernissage so zu sagen sehen wir auf Tschechisch die Texte von Szymborska und Kafka. Nur auf Tschechisch.“
Und wie werden die Texte im Normalbetrieb einander abwechseln?
GW: „Einmal Englisch, einmal Tschechisch. Einmal Szymborska, einmal Kafka. Dazu gibt es jedoch keinen strikten Plan, aber wir werden beide Sprachen immer abwechselnd zeigen.“
Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft, in deren Rahmen ja auch das Projekt ‚Transparency’ konzipiert worden ist, neigt sich schön langsam dem Ende zu. Ist jetzt mit Jenny Holzers Arbeit das Projekt auch auf seinem Höhepunkt angelangt und geht es zu Ende, oder kommt noch etwas?
Quirin Wimmer: „Sie können einen Großteil unserer sechs Projekte noch in der Stadt genießen. Wir stellen nach wie vor Julian Opie am Nationaltheater aus, wir haben nach wie vor die wunderschöne Skulptur von Jaume Plensa am vor dem Rudolfinum. Das sind alles Höhepunkte des Projektes ‚Transparency’, die sie ein halbes Jahr lang genießen konnten. Jetzt, da haben Sie völlig recht, haben wir mit Jenny Holzer eine Pointe um den ersten Mai herum, die uns besonders freut. Es ist ja keine Selbstverständlichkeit, dass sich eine Künstlerin von diesem Rang in Prag präsentiert.“
Sie haben die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Stadt Prag erwähnt. Denken Sie schon einen Schritt weiter? Was kommt nach „Transparency“?GW: „Es gibt einige Ideen, aber die müssen noch reifen. Natürlich braucht man dazu auch Geld. Und das ist im Moment gerade sehr, sehr schwierig zu akquirieren. Aber wir sind zuversichtlich und freuen uns schon, wieder eine Projekt im Außenraum in Prag realisieren zu können.“
QW: „Es gibt einen ja einen wunderschönen Anlass: Das 20-jährige Jubiläum der ‚Samtenen Revolution’. Zu diesem sehr politischen hätten wir schon die eine oder andere spannende Idee. Nur, wie Gisela sagt: Dazu braucht es auch wieder eine Finanzierung und die müssen wir erst zu Stande bringen, bevor wir uns hier wieder präsentieren können.“
Die Installation von Jenny Holzer ist noch bis 6.Mai auf der Fassade des Nationalmuseums am Wenzelsplatz zu sehen und zwar täglich von 21 Uhr bis Mitternacht. Nähere Informationen finden sie auf der Webseite zum Projekt: www.wartprojects.com