Presseschau – und außerdem: „Gemischte Bilanz“ – eine deutsche Brüssel-Korrespondentin über den tschechischen EU-Vorsitz

Herzlich willkommen zum Medienspiegel, wie immer am Ende einer Woche. Radio Prag war in Brüssel unterwegs, um beim ersten Gipfel unter tschechischer Führung dabei zu sein. Wie aber blicken ausländische Korrespondenten auf die Ratspräsidentschaft Tschechiens? Doris Simon, Brüssel-Korrespondentin des Deutschlandradios, gibt einen Blick von außen. Zunächst aber unser Blick und zwar in die Tageszeitungen dieser Woche.

Am Mittwoch erregte nicht nur unter Journalisten eine kleine Meinungsspalte in der Zeitung „Právo“ mächtig Aufsehen. Der Chefredakteur Zdeněk Porybný nahm höchst persönlich die Feder zur Hand. Es sei zwar nicht sein Stil, seine Meinung im eigenen Blatt zu verkünden, schweigen könne er aber in diesem Falle nicht. Der Titel: „Verstümmelung der Pressefreiheit“. Von verschiedenen Seiten sei er, Porybný, in Vier-Augen-Gesprächen gewarnt worden: Falls sich die Berichterstattung über die Sozialdemokraten nicht bessere, werde die „Právo“ Anzeigenkunden verlieren und zwar Firmen, bei denen der Staat die Finger im Spiel hat. Der Energieriese CEZ zum Beispiel. Man werde sich von den Sozialdemokraten das freie Wort nicht verbieten lassen, so die Antwort des Chefredakteurs.

Die „Lidové noviny“ griff das Thema sofort auf und berichtet über Reaktionen des sozialdemokratischen Parteichefs Paroubek. Der fordert entweder Beweise oder eine öffentliche Entschuldigung. Darauf Chefredakteur Porybný im Interview: Er trage nun einmal kein verstecktes Mikrofon bei sich und Lauschangriffe führe man bei der „Právo“ nicht durch. Seiner Meinung nach versuche die Sozialdemokratie sich und die Medien schon jetzt auf eine Regierungsübernahme vorzubereiten.

Foto: Europäische Kommission
Die „Hospodářské noviny“ bringen druckfrisch ein ganzseitiges Interview mit dem Direktor und Chef-Ökonom des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche. Peter Havlik, der tschechischer Herkunft ist, warnt die Länder Mittelosteuropas: „Auf keinen Fall überraschend in die Eurozone flüchten“. Wer die wirtschaftlichen Bedingungen missachte, werde das später zu spüren bekommen, sagte Havlik. Tschechien gehöre im Übrigen zu jenen Ländern, die – im Unterschied zu Ungarn – nicht in eine tiefe Rezession fallen würden. Der Grund dafür seien eine Portion Glück und eine bessere – heißt: konservativere Finanzpolitik mit längerer Tradition.

Die „Mladá fronta Dnes“ titelt: „Der Staat befiehlt, wie wir uns zu nennen haben“. Und der Untertitel: „Eine Gesetzesänderung wegen –ová? Einige Abgeordnete geben zu, dass man die Gesetze zur Namensgebung ändern müsse. Ein Nachname für Frauen kann nur in absoluten Ausnahmefällen auf das tschechische –ová verzichten.“ Und zwar nur, wenn die Frau einen Mann mit ausländischem Namen heiratet. Dann kann das –ová hinten runterrutschen. Möglich sind schon seit längerer Zeit Doppelnamen. Der Name des Mannes muss aber an erster Stelle stehen. Im Falle von Dana Nováková kam dann im Streit mit den Ämtern Folgendes dabei heraus: Dana Nováková Hašková Nováková. Der Anlass für den Mladá-fronta-Bericht: Eine Sportkommentatorin wurde kürzlich gefeuert, weil sie bei der Ski-WM in Liberec den ausländischen Sportlerinnen kein –ová andichtete.


Der außerordentliche EU-Gipfel am vergangenen Wochenende in Brüssel war die erste Zusammenkunft der europäischen Staats- und Regierungschefs unter tschechischer Flagge. Gut zwei Monate sitzt Tschechien jetzt dem Rat der Europäischen Union vor – Zeit für eine Zwischenbilanz.

Doris Simon ist auf dem Brüsseler Parkett beruflich zu Hause. Sie ist Korrespondentin des Deutschlandradios. Die Presse ist im riesigen Lichthof des EU-Ratsgebäudes untergebracht, genau zu Füßen des umstrittenen Kunstwerkes „Entropa“ vom tschechischen Enfant terrible David Černý. Mit Doris Simon sprach ich im Pressezentrum über die ersten zwei Monate der tschechischen Ratspräsidentschaft. Der Blick von außen also auf eine politisch nicht gerade leichte Zeit:

Frau Simon, es gab ja ein paar Irritationen, bevor die tschechische EU-Ratspräsidentschaft begonnen hatte, vor allem zwischen Frankreich und Tschechien. Die Wirtschaftskrise war schon voll im Gang, dann kamen der Gaza-Konflikt und die Gaskrise auf Europa zu. Und viele haben gesagt: So kleine Länder wie Tschechien, die können wir jetzt eigentlich nicht an der Spitze der EU gebrauchen. Wie sieht das Ihrer Einschätzung nach bisher aus? Wie ist - auch unter Ihren Kollegen - der Blick auf die tschechische Ratspräsidentschaft?

Sagen wir mal so: Der Einstieg war sicher holprig. Ich rede nicht von der Zeit vor dem 1. Januar, sondern vor allem von der Zeit zu Beginn der Gaza-Krise, wo aus Tschechien ganz anders lautende Äußerungen kamen als aus dem Rest der EU und man in Brüssel nicht den Eindruck hatte, dass man in Prag weiß: Man muss für 27 sprechen. Das war sicher nicht der beste Einstieg für die tschechische Ratspräsidentschaft. In der Gaskrise dagegen glaube ich nicht, dass irgendjemand der tschechischen Präsidentschaft einen Vorwurf machen kann, dass sie nicht genügend engagiert vorgegangen sei. Auch in Sachen Gaza hat man sich irgendwann gefangen. Es war nur, wie gesagt, ein holpriger Einstieg. Ansonsten war an vielen Stellen spürbar, dass die Tschechen die Dinge anders machen wollten als die anderen.“

Wo zum Beispiel?

„Sie sind eben mit einem gehörigen Selbstbewusstsein darangegangen und wollten auf jeden Fall dieses Diktum vom kleinen Land nicht gelten lassen. Der tschechische Humor ist ja nicht allen Europäern so vertraut, auch in seinen Windungen. – Wir stehen hier unter dieser Skulptur des tschechischen Künstlers [David Černý, red.], die ja für einiges Aufsehen und bei manchen in Brüssel auch für Aufruhr gesorgt hat. Aber das war, glaube ich, letztlich überhaupt kein Problem. Man hat gesagt: So, sie wollen es anders machen und das ist in Ordnung. Was die tschechische Haltung – nicht nur mit Blick auf die Ratspräsidentschaft – im Streit um Protektionismus angeht, denke ich, dass viele Länder die tschechische Haltung verstehen werden. Dass man das nicht als die Ansicht eines kleinen Landes betrachtet, sondern eher sagt: Die Franzosen, speziell Präsident Sarkozy, sind zu weit gegangen. Insofern eine gemischte Bilanz. Man hatte vielleicht weniger Erwartungen als bei einem großen Land. Das ist ganz selbstverständlich. Aber angesichts der Krise ist es sicher auch nicht so katastrophal ausgefallen, wie manche das vorher an die Wand gemalt hatten.“

Stichwort „Lissabon-Vertrag“ – das tschechische Abgeordnetenhaus, die untere Parlamentskammer, hat den Lissabon-Vertrag durchgewunken. Premier Topolánek sagte zuvor, er finde den Vertrag auch nicht gut, er halte ihn sogar für überflüssig, aber dennoch plädiere er dafür, dass alle die Hand heben. Wie sieht man hier in Journalistenkreisen eigentlich die Haltung Tschechiens zu diesem Vertrag und wie bewertet man solche Äußerungen, die doch sehr zweigleisig sind?

„Die inner-tschechische Diskussion um den Lissabon-Vertrag hat der tschechischen Präsidentschaft sicher nicht geholfen. Es gibt in Brüssel durchaus die Einsicht, dass – angesichts der sehr knappen Mehrheitsverhältnisse der tschechischen Koalitionsregierung – bestimmte Rücksichten genommen werden. Aber die Art und Weise, wie speziell der Premier sich da verhalten hat, wird hier nicht von allen goutiert. Und: Wir wissen natürlich alle, dass der Präsident ein Präsident ist und nicht die Regierungsgeschäfte führt. Trotzdem hat auch das und vor allem sein Einwirken in die ODS hinein – was ja Auswirkungen auf die Haltung der Regierung hat - nicht dazu geführt, dass man die Tschechen in dieser Debatte ernster nimmt. Und dem ganzen Lissabon-Vertrag, dem Fortgang der Diskussion hat es auch nicht genützt.“

Die Rede von Präsident Klaus hier vor dem Europäischen Parlament…Sie lachen?

„Ja, ich lache. Die Rede hat einmal mehr deutlich gemacht: Nichts tut diesem Präsidenten so gut, wie wenn er provozieren kann. Und in Tschechien holt er damit keinen Hund mehr hinter dem Kamin hervor, mit diesen Sachen, die er gesagt hat. Aber hier im Europa-Parlament hat das einige dann doch sehr aufgeregt. Ich fand es lächerlich, dass manche den Saal verlassen haben. Aber er will provozieren; das ist das Einzige, womit er noch Aufsehen erregen kann, und dann soll man ihn halt lassen. Das ist ein bisschen, wie mit Kindern. Aber ich glaube, so hat man das auch hier gesehen: ´Lasst ihn kommen, lasst ihn reden. Das ist ein demokratisches Land, wir sind eine demokratische Union, da gehört er auch hinein. Aber weiterhin ernst kann man ihn damit nicht nehmen´.“